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Janger mag man eben

| 25. März 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 121, Fazitportrait

Foto: Marija Kanizaj

Warum Zweirad-Janger aus Gratwein eine Legende ist, wie der Fachhändler dem Onlinehandel begegnet, von der richtigen Zeit und dem richtigen Ort, von Authentizität und Leidenschaft und warum Ehepaare den Trend zum Elektrofahrrad unterstützen.

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Von jungen Menschen hört man heute immer wieder, dass sie es bedauern würden, nicht in den späten Sechziger- und speziell in den Siebzigerjahren gelebt zu haben. Insbesondere in Kommentaren auf Onlinemusikplattformen werden derartige Klagen laut, wenn Lieder wie »A whiter shade of pale« von Procul Harum oder »Wish you were here« von Pink Floyd erstmals an junge Ohren dringen. So mancher vermeint, ob der brüchigen Welt von heute, seligen Zeiten auf der Spur zu sein, mit freier Studienwahl an den Universitäten, Vollbeschäftigung und dem Streben nach Selbstverwirklichung. Und denkt dabei an die ersten Hippies, die das Zeitalter des Wassermanns ausgerufen haben, an Zeiten, als sogar in ländlichen Kirchen Jazzmessen abgehalten wurden, Musicals auf einmal »Hair« oder »Jesus Christ Superstar« hießen und angesichts so lockerer Sprüche wie »Wer einmal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment« das Credo »Sex, Drugs and Rock’n’ Roll« ausgegeben wurde, wovon man in damals neuen Radiosendungen wie »Treffpunkt Studio 4« auf Ö3 spätabends ansatzweise kosten durfte. Sogar die Autos waren individueller und origineller als heute und haben noch nicht alle gleich ausgesehen – vom Jaguar E bis zum Puch-Wagen. Es gab sogar Leute, die in der Steiermark – und nicht nur dort – mit diesen Geräten Rennen gefahren sind. Mehr oder weniger legale. Sie hießen zum Beispiel Jochen Rindt (Formel I), Helmut Marko (Le Mans) oder Günther Janger (siehe unten). Um letzteren geht es hier.

Authentizität und Leidenschaft
Er ist eine Legende, heißt es. Der Erste, der das bestreitet, ist er selbst – allenfalls gibt er seinem Alter die Schuld für derartige Behauptungen anderer. Das ist natürlich eine gute Ausrede, greift aber entschieden zu kurz, wenn man mit 73 Lebensjahren noch immer offensichtlich topfit und zweifelsohne erfolgreich im Geschäftsleben steht und aus Menschen Fans und Kunden macht und sie anzieht wie das Licht die Motten. Günther Janger ist authentisch, das ist wohl seine Hauptstärke. Er lebt seinen Sport, er lebt sein Geschäft, macht das, was er macht, gern und mit Leidenschaft. Und er bringt es gut rüber – kommunikative Fähigkeiten kann man sich vielleicht aneignen, Authentizität hingegen kann man nicht lernen, leider. Er hat die richtigen Dinge getan und er hat die Dinge richtig getan – davon handeln viele Sach- und Fachbücher, Managementleitfäden sprechen von der Lehre der Effektivität und der Effizienz. Wahrscheinlich hat er sie alle nicht gelesen, denn grau ist die Theorie und bunt das Leben des Günther Janger.

Gut und gern
Seit mehr als 35 Jahren betreibt er in Gratwein in der Nähe von Graz ein Fahrradfachgeschäft, mit dem er schon in den 1980er Jahren Gratwein zu einer der Wiegen des österreichischen Mountainbikesports gemacht hat. Bruder Rudolf siedelte mit dem Autohaus an den Ortrand, die geschäftliche Trennung erfolgte erst wesentlich später. Doch wie schafft man es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein? Angeblich gibt es ja keine Zufälle, wenngleich man auch darüber streiten kann; hilfreich ist es jedenfalls, etwas zu tun, besser zu betreiben, das man gut kann und deshalb gern macht. Oder gern macht und deshalb gut kann. Bewährt hat sich Sport aller Art. Erfolge machen sich nicht nur vor späteren Enkelkindern gut, man reüssiert damit auch im Alltag, vornehmlich im geschäftlichen. Diese Voraussetzungen erfüllt Günther Janger in so vielfacher Hinsicht, dass es kaum möglich ist, all seine Umtriebe zu erfassen. Aus seiner frühen Jugend ist überliefert, dass er als Allroundathlet auf Turnvater Jahns Spuren mehrfach die Bergturnfeste auf seinem Hausberg, dem Plesch, gewinnen konnte. Da sein Vater Rudolf ab 1934 und im heutigen Geschäftslokal seit 1938 in Gratwein einen Reparaturbetrieb für Kraftfahrzeuge aller Art sowie landwirtschaftliche Maschinen und Fahrräder aufgebaut hatte, kam er früh mit Technik in Berührung. Als der Vater auch noch die Vertretung von Steyr-Puch-Fahrzeugen übernahm, war es um den Buben geschehen. Mit 16 Jahren gewann er sein erstes Mopedrennen. In der Folge hatte er offenbar ziemlich freien Zugang zu den vierrädrigen Produkten, insbesondere zum Puch-Auto. Die absehbaren Folgen fasst er in einem Satz zusammen: »Ich war der schnellste Puch-Hatzer von Österreich.« Das sollen dem Vernehmen nach ja schon mehrere von sich behauptet haben, aber Originalrennergebnislisten aus den 60er und 70er Jahren belegen jedes Wort. Janger stieg in den Rallyesport ein und mischte zunächst mit selbst auffrisierten »Puch-Häusln«, wie nicht nur er sie liebevoll nennt, den Rennzirkus auf. Insbesondere auf engen kurvenreichen Strecken verwies er mit dem Kleinwagen die leistungsstärkere Konkurrenz von Porsche und Co auf die Plätze, sodass VW auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1968 ins Team holte.

Rallyestaatsmeister 1972
Janger wurde Werksfahrer und verdiente mit seiner Leidenschaft Geld: »Man kann sagen, dass ich mir damit das Geld für den Hausbau zusammengespart habe.« Sein Arbeitsgerät war der VW-Käfer 1303 S. Zeitzeugen wissen Bescheid: wenig Auto, hoher Verbrauch. Was vor der ersten Energiekrise nicht wirklich ein Thema war, noch dazu im Rallyesport und noch dazu beim Werksmodell, das über 123 PS verfügte. Damit musste Janger gegen eine Konkurrenz bestehen, die bis zu 40 PS mehr unter den Hauben hatte und Fahrer von Weltruf hinter den Lenkrädern. Da ihre Namen heute noch klingen, eine kleine Auswahl für fortgeschrittene Leser: Björn Waldegard auf Porsche, Simo Lampinen auf Saab, Sandro Munari und Hakan Lindberg auf Lancia HF, Achim Warmbold auf BMW 2002, Raffaele Pinto auf Fiat Spyder oder Jean Todt (ehemals Ferrari-Teamchef, heute FIA-Präsident). Schon bei seinem ersten Start bei der 1000-Minuten-Rallye gelang Janger der erste Sieg, der Bekanntheitsgrad seines Namens stieg. Sein Karrierehöhepunkt kam 1972. Günther Janger wurde Rallyestaatsmeister und Siebenter in der EM. Und dabei spielte sein Husarenritt auf seiner Hausstrecke über den besagten Pleschkogel von Gratwein nach Geistthal eine entscheidende Rolle in der Legendenbildung. Janger schildert den Ritt anhand einer Trainingsfahrt mit einem Journalisten als Beifahrer so: »Wir fuhren in der Nacht. Ganz oben am Plesch ist eine Kuppe. Ich hob ab, die Scheinwerfer zeigten in die Finsternis. Harte Landung, gleich darauf Rechtskurve und dann Haarnadel nach links. Ich bin ein fotografischer Typ, habe mir die Strecken immer ganz genau gemerkt und habe viele davon noch heute im Kopf. Erst recht meine Hausstrecke. Als wir unten in Geistthal ausgestiegen sind, war mein Beifahrer kreidebleich und hätte sich nie vorstellen können, dass man mit einem Auto auf Schotter so bergab fahren kann. Vor lauter Schreck zündete er sich als erstes eine Zigarette an.« Beim Rennen selbst hat es Janger wieder so gemacht und die PS-starke Konkurrenz, darunter auch den späteren Europameister Pinto, um 10 Sekunden abgehängt.

2.500 km pro Jahr im Sattel
Damit wären wir wieder am Anfang: Effektivität und Effizienz, Authentizität und Leidenschaft. Talent gehört wohl auch noch dazu. Und vielleicht noch die Erkenntnis, wann Schluss ist. Mit der Energie-, besser Ölpreiskrise von 1973 war es – fast – soweit. Janger fuhr nur mehr wenige Rennen, jeweils kurz auch mit Opel Ascona und Ford Escort RS, 1976 war endgültig Schluss. Außerdem kam 1973 der erste von zwei Söhnen von Günther und Ulrike Janger zur Welt. Er wechselte die Sportart: Die nächsten drei Jahre stand Triathlon auf dem Programm. Laufen, schwimmen, Rad fahren. Rad fahren? Da hat es geklingelt. Janger hat aber auch einen pragmatischen Zugang: »Ich habe mir gedacht, beim Radfahren muss man weniger trainieren als beim Triathlon.« Trotzdem sitzt er aber immer noch mehr als 2.500 Kilometer pro Jahr im Sattel. Zum einen, weil er mit seinem siebenköpfigen Team alles auf Herz und Nieren selbst testet, bevor es zum Kunden kommt, und zum anderen gibt es da noch das eigene Radsport-Janger-Team, das MTB-Marathons (Mountainbike) bestreitet.

MTB-Trend früh erkannt
Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit, als er österreichweit als einer der ersten den MTB-Trend, der aus den USA nach Europa schwappte, erkannte und etwas daraus machte. Nämlich das Mekka für steirische Radsportfreaks, die wussten: Wenn man die begehrten Teile aus den ersten Mountainbike-Fachmagazinen in natura sehen wollte, standen die Chancen dafür bei Günther Janger am besten. Dass hier die Vergangenheitsform herhalten muss, liegt an der Erfindung des Internets. Nicht nur Freaks können sich heute alles, von der kleinsten Spezialschraube bis zur funkgesteuerten Gangschaltung, am eigenen Computer anschauen und über den Onlinehandel oft sogar frei Haus bestellen.

Günther Janger sieht das gelassen: »Wir haben 1998 umgebaut und verfügen damit zusätzlich über einen 450 Quadratmeter großen, dreistöckigen Schauraum für die Fahrräder. Unser Plus ist die persönliche Betreuung der Kunden und die optimale Anpassung der Bikes, hohes technisches Know-how oder dass das erste Service kostenlos ist.« Davon zeugt auch ein seit zehn Jahren gleichbleibender Nettoumsatz von rund 1,5 Millionen Euro bei 1.200 verkauften Mountainbikes und Rennrädern pro Jahr. Wovon über 10 Prozent Elektroräder sind, Tendenz stark steigend. Und die Preise? City- und Einkaufsräder werden von 390 bis 1.200 Euro angeboten, MTBs kosten im Gratweiner »Feinkostladen« zwischen 500 und 10.000, Rennräder rund 1.000 bis 11.000 Euro. Zwei Drittel der Kunden kommen aus Graz. Sein Credo, dass sich der Kunde bei Zweirad-Janger gut aufgehoben fühlen muss, hat sich aber bis Wien und Marburg herumgesprochen. Für den Trend zu E-Bikes sind nach Günther Jangers Beobachtung übrigens vor allem (Ehe-)Paare verantwortlich: Zuerst bekommt sie eines, damit sie mit dem Mann mitkommt, dann er eines, damit er ihr nachkommt.

Zweirad Janger
8112 Gratwein, Kirchengasse 4
Telefon 03124 51238
radsport-janger.at

Fazitportrait, Fazit 121 (April 2016) – Foto: Marija Kanizaj

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