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Zur Lage (70)

| 25. März 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 121, Zur Lage

Über ein Lieblingskaffeehaus, über Automaten im Einzelhandel, über Nahrungsersatzmittel und über eine herzerfrischend nette Szene beim Diskonter. Aber im Grunde über das Alter.

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Ich finde mich ja immer weniger zurecht mit und in dieser Welt und werde dabei immer eigenbrötlerischer. Merken tue ich das an so Kleinigkeiten, wie etwa daran, seit einigen Wochen nicht mehr in mein Lieblingscafé Weitzer am Grieskai zu gehen. Eine neue, also für mich neue, sie ist sicher auch schon fünf oder mehr Jahre dort, Kellnerin hat mir nämlich auf meine – ihr gegenüber erstmalige, ich mach das nur alle fünf Jahre in diesem Kaffeehaus – Bitte hin, ein Päckchen Zigaretten zu bringen, geantwortet, das würde nicht gehen, sie hätte sonst nämlich keine Zeit für ihre Gäste. Das ist ein guter Grund. Nur weil ich die letzten 20, 25 Jahre eher dreimal als einmal die Woche dort was konsumiert habe, muss ich noch lange keiner »ihrer Gäste« sein. Ich werde ihr jedenfalls vor dem Sommer keine Mühe mehr bereiten und erst ab Juli – da dann erneut voller Freude – wieder hingehen. Das Café Weitzer ist übrigens sehr zu empfehlen (zumindest für Nichtraucher, die gerne ins bald letzte Kaffeehaus gehen, in dem man rauchen darf): grundsätzlich gute Bedienung und recht guter Kaffee bei ausnehmend guten Mehlspeisen.

Eigenbrötlerisch bin ich also geworden. Und noch etwas: immer öfter zu alt. Etwa deutlich zu alt für »McDonald’s«. Das war ich immer schon; als ich im Alter war, Kindergeburtstage zu feiern, konnte ich das nicht bei McDonald’s tun. Es hat diese restaurantartigen Geschäfte bei uns noch nicht gegeben. Deswegen, es kann nur daran liegen, hat sich mein Körper wohl gar nie nicht auf die dort angebotenen speiseartigen Produkte eingestellt. Der Hamburger kann noch so geschmacksverstärkt daherkommen, spätestens beim Verlassen des Geschäftslokals umkommt mich ein allgemeines Unwohlsein, das mich noch am Parkplatz schwören lässt: »Heuer nicht mehr!«

Das Jahr ist noch jung und trotzdem war ich dieser Tage schon einmal vor Ort, hatte einem inneren Heißhunger nachgegeben und war im McDonald’s in der Plüddemanngasse gestrandet, um mich dort essensartig zu betätigen. Waren da lauter Automaten! So mit Touchscreens ausgestattete Automaten. Da hab ich kurz zur Orientierung daran herumgetippt, mich dann aber trotzdem einmal an der Verkaufstheke angestellt, um dort zu erfahren, eine persönliche Bestellung bei einer Bedienung sei nicht mehr möglich. Freilich.

Ich war wohl schon beim Hofer nebenan, als mir eingefallen ist, dass gerade bei dem McDonald’s in der Plüddemanngasse das Personal – übrigens aus aller Herren Länder stammend, um einen so unzeitgemäßen Hinweis noch etwas unzeitgemäßer zu beschreiben – immer besonders freundlich war und meist besonders kompetent. Hab aber dann diese kurze persönliche Betroffenheit in Verbindung mit einem leichten Schuldgefühl gegenüber den dort Beschäftigten wieder fallengelassen, denn diese Filiale mit ihren Automaten hat ja offensichtlich keinen weiteren Bedarf an all den freundlichen Mitarbeitern mehr. Und wusste also, ich brauche kein schlechtes Gewissen haben, dass ich meinen 2016er-McDonald’s-Besuch habe ausfallen lassen.

Dafür der Hofer! Mein Lieblingsdiskonter. Nicht nur, dass ich so anstatt eines Nahrungsersatzes wieder einmal den köstlichen Smoothie (Sie erinnern sich hoffentlich, wir denken jetzt gemeinsam an die letzte Lage!) genießen durfte, hab ich doch glatt einer wirklich netten wie kleinen offenbar Alltäglichkeit beim Hofer gewahr werden dürfen, als ich schon bei der Kassa stand. Die professionell wie freundlich agierende Kassenkraft hat nämlich zwischendurch eine weitere Mitarbeiterin geholt, die danach einer neuen Kundin beim Einkauf behilflich war. Die Kundin war blind und hatte einen Einkaufszettel mitgebracht, der flugs abgearbeitet wurde. Das machen jetzt ganz sicher viele Märkte, wahrscheinlich alle großen Ketten und die paar noch verbliebenen kleinen Greißler sowieso, die Selbstverständlichkeit, die Professionalität, verbunden mit einer so respektvollen wie wohltuenden Höflichkeit der eingeschränkten Kundin gegenüber, haben mich diesen Moment beim Hofer aber besonders freuen lassen. Das ist eine tolle Sache und ich bin in letzter Konsequenz dem das Personal durch Farbbildschirme ersetzenden Management bei McDonald’s fast dankbar, dass die mir diese schönen Szene überhaupt erst ermöglicht haben. Wiewohl ich schon anmerken muss, wenn die »Digitalisierung« darin besteht, dass auch im Dienstleistungsgewerbe immer mehr der menschliche Faktor einfach wegrationalisiert wird, dann gefällt mir das nicht unbedingt. Aber Sie wissen wahrscheinlich, ich bin kein Linker, ich werde jetzt keine Demo organisieren oder Flugblätter drucken, noch weniger bin ich ein Grüner und würde ein »Verbot« solcher Maßnahmen fordern, ich gehe einfach nicht mehr hin. Weil, bevor ich in einem (sogar Fastfood-)Restaurant meine Bestellung in Bildschirme hineintippen und dabei irgendwelche Idiotennachrichten, was irgendein Algorithmus denkt, mir noch zusätzlich anbieten zu können, wegklicken muss, wird noch viel Wasser die Mur runterrinnen.

Die jungen Menschen sollen das ruhig so machen. Ob das jetzt die Buben sind, oft mit so Vollflaum ums blasse Gesicht, den Mittelfinger etwas verschwielt vom vielen Mausklicken (oder eher »Wischen«, wer verwendet noch Mäuse?), oder auch die Mäderln, die sich heutzutage gerne so individualistisch geben, dass man sie kaum mehr untereinander, geschweige denn von einer Schaufensterpuppe unterscheiden kann, die sollen das machen. Und natürlich auch die, die weder Bub noch Madel sind, die sowieso. Jeder nach seiner Fasson. Ich bin dafür schlicht zu alt.

Zur Lage #70, Fazit 121 (April 2016)

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