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Zur Lage (73)

| 1. August 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 125, Zur Lage

Nichts über die Wahlanfechtung der Präsidentenwahl, eine Bitte an meine lieben Leser, keine Geheimnisse und das Geständnis eines Lasters. Ansonsten wahrscheinlich zuviel über das Rauchen und ein viel zu kleiner Gruß ins Lavanttal.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Meine Lieben, bevor wir uns in die aktuelle Lage versetzen, darf ich Sie um etwas bitten: Erzählen Sie meiner Frau nicht von dieser Lage! Dabei geht es jetzt nicht darum, dass ich vor meiner Frau Geheimnisse hätte, Gott behüte!, das habe ich natürlich nicht. Immer, wenn mir meine Frau nämlich versichert, dass man unter Eheleuten keine Geheimnisse habe, versichere ich wiederum ihr, dass ich natürlich keine Geheimnisse vor ihr habe, denn alles, was ich ihr erzähle, wisse sie ja. Und ist damit kein Geheimnis. Und ihr zu erzählen, dass ich ihr was nicht erzähle, das würde nur den Weltfrieden stören.

Nein, es ist also kein Geheimnis, es geht um Laster. Nicht um die seit Jahren kartell- abgesprochen durch unseren Kontinent brausenden Lastkraftwagen, nein, um ein, um mein persönliches Laster, dem ich noch immer fröne: dem Rauchen.
Ja, natürlich habe ich es verdient, wenn sie sich jetzt angewidert von diesem Text abwenden; ich kann nichts machen, ich gestehe es, ich rauche noch immer. Da fällt mir ein, meine Eltern wissen das auch nicht, es wäre wohl am besten, das Thema vollkommen auszuklammern, sollten Sie jemanden aus meiner Familie begegnen.

Ich rauche also noch und ich begrüße dabei seit Jahren den gesellschaftlichen Trend, das Rauchen zurückzudrängen. Ich habe etwa schon vor zwanzig und mehr Jahren nicht verstanden, wie man in einem geschlossenen Raum, einem Restaurant rauchen kann. Ich lehne das schon immer ab. Auch in Gastgärten mag ich nicht rauchen, wenn einer der Anwesenden gerade isst. Es bereitet mir geradezu körperliches Unbehagen, wenn jemand sein Essen zu sich nimmt und er dabei irgendwo im nahem Umkreis eines vollen Aschenbechers ansichtig werden muss.

Alle diese Raucheinschränkungsmaßnahmen begrüße ich und im Großen und Ganzen rauche ich dadurch auch immer weniger. Nicht im Büro, gut, da am Balkon, nicht zu Hause, mittlerweile nicht einmal mehr im Gartenhaus, schon gar nicht vor meiner Tochter. Dass seit ein paar Jahren Warnhinweise auf Zigarettenpackungen angebracht sein müssen, ja, auch das habe ich relativ neutral zur Kenntnis genommen. Ich muss aber gestehen, mein Unbehagen gegen diese beinah übermäßig gouvernantenhafte Art des Staates (ich schreibe hier bewusst nicht »der EU«, denn ich möchte ja die allgemeinen Auflösungserscheinungen dieses Vereines nicht weiter befeuern) ist – vor allem mit den sich ständig dramatisierenden Botschaften auf den Packungen á la »Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit!«, »Rauchen tötet Sie!«, »Rauchen tötet überhaupt alles!«, … – aber gestiegen und ich wurde doch mehr und mehr verunsichert. Und aufgeregt. Sie können es sich vorstellen, Rauchen soll doch beruhigen, die Zigarettenpackungen regen einen auf, es entsteht ein Teufelskreis. Ganz blöd bin ich ja nicht, habe ich mir da schon zu helfen gewusst und bin regelmäßig ins Slowenische oder noch lieber ins Italienische gefahren, um mir die dortigen, mit primavista unverständlichen Texten versehenen Zigarettenpackungen zu kaufen. So ist das slowenische »Kajenje ubija« deutlich weniger aufregenswert und das italienische »Il fumo uccide!« – so sind die Italiener – versprüht ja fast schon den Duft der großen Welt.

Und dass Rauchen per se nicht nur gesund ist, das wissen sogar Raucher auch in nicht aus der EU austreten wollenden Staaten und dieses »Il fumo uccide!« (ich weiß schon, was das heißt), das wird dann bei einem guten Espresso und einem Glas Wasser – womöglich nach einem wunderbaren Essen – zu einer mondänen Hymne an das leichte Leben. Il fumo, sag ich nur, uccide! Wie halt das ganze Leben.

Jetzt aber hat mir der Staat, ich schreibe wieder ganz bewusst nicht »die EU«, jetzt hat der mir ein neues Ei gelegt. Jetzt gibt es auf den Zigarettenpackungen nicht mehr nur Texte, nein!, jetzt sind dort auch Bilder. Bei allem Verständnis für die wahrscheinlich sogar professionelle Vorbereitung auf eine postalphabetisierte Gesellschaft – das mit dem Lesen haut ja, wenn man sich die Volksschulen unserer urbanen Milieus anschaut, nicht nur super hin –, das geht mir zu weit. Und es ist kontraproduktiv. Endgültig.

Wissen Sie, seitdem die Bilderln auf den Zigarettenpackungen sind, seitdem rauch ich sicher das Doppelte, wenn nicht mehr. Wer möchte schon allzu oft am Tag etwa das Bild einer offensichtlich kranken menschlichen Lunge sehen! Da nimmt man sich gleich vier, fünf Zigaretten auf einmal heraus und muss die auch auf einmal rauchen, weil man ja keinen adäquaten Ort der Unterbringung mehr hat.

Letztens war ich bei meinem Trafikanten und bekomme allen Ernstes eine Packung, auf der ein Toter abgebildet ist. Also ich denke, der war tot, wir beide konnten uns dieses Bild vor lauter Schrecken nicht genau anschauen. Ein Toter! Wem in unseren staatlichen Institutionen fällt sowas ein? Ich habe sofort zehn Zigaretten noch in der Trafik geraucht und danach wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben gleich ein zweites Packerl gekauft. Mit einem rauchenden Baby darauf! Das kann dem Jean-Claude, wie wir sagen, nicht einfallen. Und selbst beim Martin Schultz, Capo oder nicht, ich weiß nicht. Egal. Ich bin jetzt jedenfalls so aufgeregt nach dem Schreiben, dass ich mir die restlichen neun Zigaretten in die Hemdtasche stecken und am Balkon verrauchen werde.

Eigentlich wollte ich Ihnen noch was von meinem Lieblingscafé in Wolfsberg, das jetzt einen neuen Besitzer hat, das Sega- fredo in der Unterstadt, erzählen. Das geht sich jetzt leider nicht mehr aus, also grüße ich nur alle unsere Leser in dieser Perle des Lavanttals und wünsche zudem allen einen schönen Sommer. Il fumo uccide!

Zur Lage #73, Fazit 125 (August 2016)

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