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Mit reinem Gewissen

| 27. Oktober 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 127, Fazitgespräch

Foto: Sabine Hoffmann

Saubermacher-Chef Hans Roth über eine Explosion, Vertrauen und politische Berufung.

Das Gespräch führte Peter K. Wagner.
Fotos von Sabine Hoffmann.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Jeder, der in den vergangenen fünf Jahren einmal mit dem Auto zum Grazer Flughafen unterwegs war, kennt ihn. Den 2011 eröffneten Firmensitz der Firma Saubermacher, den sogenannten »Ecoport«. Große Glasbehälter im Eingangsbereich zeigen die Stoffe, deren Sammlung Grundlage für das Unternehmen sind. Es handelt sich um Abfälle aller Art.

Innen drin sind noch einmal Glasbehälter aufgestellt. Hier werden die Materialien gezeigt, die aus den Abfällen entstehen. Überhaupt spiegelt das Gebäude die ökologischen Grundsätze des Unternehmens wieder.

»Wir wollten ein nachhaltiges Zeichen setzen«, erklärt Hans Roth, Aufsichtsratsvorsitzender und einst 1979 gemeinsam mit seiner Frau Margret Gründer des Unternehmens. Er empfängt uns in seinem Büro. Vor zehn Tagen feierte er erst seinen 70. Geburtstag. »Das Interview ist mir gar nicht so recht«, sagt er bescheiden. »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich wurde sehr oft interviewt zuletzt. Ich stehe gar nicht so gerne in der Öffentlichkeit.«.

***

Herr Roth, wie umweltbewusst sind Sie eigentlich?
Ich bin keiner, der jedem Plastiksackerl abschwört, aber ich sehe, dass wir in unserer Tätigkeit die Umwelt stark beeinflussen konnten. Wir haben viele Dinge aufgezeigt, bevor es dazugehörige Gesetze gegeben hat. Ich bin ein Maximalist. Wenn wir etwa europaweit die Abfallentsorgung optimieren würden, könnten wir eine CO2-Einsparung von 450 Millionen Tonnen erreichen und zusätzlich 180.000 Arbeitsplätze sichern. Das ist zwar nicht der größte Wert in Bezug auf die Gesamtbelastung, aber dennoch ein wichtiger Beitrag.

Sehen Sie Ihr Umweltengagement als gesellschaftlichen Auftrag?
Wir können Menschen dazu bewegen, umweltbewusster zu handeln. Wir können die Welt nicht verändern, aber wir können Zeichen setzen. Wir haben in Österreich einen Standard, der nur in wenigen Ländern wie Deutschland, Schweden oder der Schweiz vorherrscht. Nun geht es darum, wie Europa gesamt handelt. Ich bemühe mich sehr darum, dass auch in Ländern, die im Umweltschutz noch nicht so weit sind wie wir, mehr Bewusstsein geschaffen wird. Ich finde es traurig und beschämend, dass in Zeiten, in denen wir selbstfahrende Autos produzieren, politischer Einsatz für die Ökologie oft fehlt. Ich sehe es als meine Vision und als unsere Verpflichtung, dass wir alles für den Umweltschutz tun.

Sie kommen aus einer großen Unternehmerfamilie und haben vier Geschwister, die ebenfalls unternehmerisch aktiv sind. Warum sind Sie damals eigentlich ausgerechnet in der Umwelt gelandet?
Wenn ich ganz ehrlich bin, war es anfangs eher die Überlegung, ein Geschäftsfeld zum bereits bestehenden Unternehmen hinzuzufügen. Nachdem wir bereits mit Lkw zu tun hatten, war es der bescheidene Gedanke, unser umliegendes Gebiet im Bereich der Abfallentsorgung abzudecken.

Waren Sie damals gar kein ökologischer Mensch?
Ich habe mir diese Frage sehr oft selbst gestellt. Heute bin ich es sicher. Aber nach Grazer oder städtischen Verhältnissen war ich es auch damals schon. Mir war es dereinst in ländlicher Umgebung nur nicht so bewusst.

Das Unternehmen, das Ihre Frau und Sie aufgebaut haben, leistete viel Pionierarbeit. Wie kam man sich Umweltschutz und Abfallentsorgung in den Neunzehnachtzigerahren vorstellen?
Es gab mehrere Begriffe. Einmal hieß es Müllentsorgung, dann gab es das noblere Wort Abfallentsorgung und heute reden wir nur noch von Ressourcenwirtschaft. Wir waren innovativ sowie vorausschauend und haben zukunftsorientiert gedacht, haben aber so wie viele Unternehmen in der IT-Branche einen Boom, der teilweise durch Gesetzte entstand, miterleben dürfen. Die Abfallwirtschaftsgesetze wurden 1974 erlassen, 1979 haben wir die damalige Roth Umweltschutz GmbH mit nur drei Leuten gegründet. Ich habe anfangs gar nicht viel Zeit dafür gehabt, weil ich als ältester Sohn auch in anderen Bereichen des Familienunternehmens stark eingebunden war. Ursprünglich war meine Frau fast ausschließlich mit der Entwicklung des Unternehmens befasst.

Aber der Bereich ist dann explodiert.
Es hat wie so oft fünf oder sechs Jahre gebraucht, bis das Gesetz Wirkung gezeigt hat. Und dann ist es schnell gegangen, weil wir Lösungen angeboten haben. Mitbewerb gab es nicht wirklich und wir haben aufgrund unseres Wissens, Know-hows, aber auch aufgrund unserer finanziellen Möglichkeiten diese Chance gut nutzen können. Es war außerdem eine Frage des Vertrauens. Meine Frau hat unsere Unternehmung ordentlich und systematisch gestartet. Angefangen von einem Kübelsystem und einem professionellen Erscheinungsbild bis hin zu den richtigen Fahrern. Ich rede nicht oft davon, weil es selbstverständlich klingt, aber wenn man zurückdenkt, sind wenig Fehler gemacht worden.

Im Vorjahr hat in Paris eine Klimakonferenz stattgefunden, erst Anfang Oktober wurde von vielen EU-Staaten ein neues Klimaabkommen ratifiziert. Glauben Sie, dass die Politik rechtzeitig reagiert?
Ich bekam bei der Konferenz in Paris schon erstmals das Gefühl, dass sich nun etwas verändern wird. Ich bin nur immer irritiert, wenn andere Probleme auftauchen und man sich anderer Sorgen vorher annimmt. Leider ist es das beste Mittel, wenn Dinge wie der Abgasskandal passieren, wodurch Diskussionen wie jene über Elektroautos einmal mehr angestachelt werden. Es würde mich auch nicht wundern, wenn Länder wie China, in denen Wirtschaftswachstum lange weitaus wichtiger war als Umweltschutz, in gewissen Bereichen ganz rasch zu einer ökologischen Musterregion wird. Allein deshalb, weil dieses Land sehr professionell arbeitet und im Bereich der Sonnenkollektoren bereits eine Vorreiterrolle einnimmt. Es kommen immer neue Herausforderungen auf, wie aktuell die Lithiumbatterien, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung schwierig zu verwerten sind. Der Fall der brennenden Smartphones war insofern auch wieder fast positiv. Die Industrie traut sich nun, über die Probleme der Lithiumbatterien zu sprechen, sich der Sache anzunehmen und sichere Lösungen zu entwickeln. Natürlich gibt es viele Wirtschaftszwänge und sehr komplexe Gebilde, die Pessimismus fördern könnten, aber ich bin lieber optimistisch. Aber natürlich könnte es meiner Meinung nach viel schneller gehen. Allein wenn ich denke, dass osteuropäische Abfallanlagen mit bis zu 80 oder 90 Prozent von der europäischen Union gefördert werden.

Nun gehen Sie im Unternehmensleitbild von Saubermacher sogar so weit, dass Sie von »Zero Waste« sprechen. Der Vision, keinen Müll mehr zu produzieren. Diese Vision und Ihr gesamtgesellschaftliches Denken ehren Sie. Aber fördern Sie damit nicht die Rationalisierung Ihres eigenen Geschäftsfeldes?
Das ist eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung und wie man sie versteht. Wir werden keine abfalllose Gesellschaft kreieren können, aber eine Gesellschaft, in der vieles wiederverwertbar ist, ist möglich. Die fallenden Rohstoffpreise sind dabei natürlich immer wieder eine Herausforderung. Die Industrie freut sich, aber wir würden unseren Kunden lieber sagen, dass sie für ihr Material ein gutes Entgelt bekommen. Wir werden neue Wege finden müssen, Material zu verarbeiten. Vielleicht hat Saubermacher irgendwann mehrere kleine Fabriken, in der Produkte hergestellt werden wie bei Redux, unserem Batterierecyclingunternehmen. Die Armaturenbretter für den Mini Cooper werden für Magna etwa auch aus Recyclingkunststoff hergestellt.

Foto: Sabine Hoffmann

Sie haben vor fünf Jahren auf Küchenrolle ein Restlkochbuch herausgegeben, um unter anderem darauf aufmerksam zu machen, dass in Wien täglich so viel Brot weggeworfen wird, wie Graz benötigt. Warum entfernen Sie sich dermaßen von Ihrem Kerngeschäft?
Ich fühle mich einfach verantwortlich, solche Dinge aufzuzeigen, und wenn wir es nicht machen, macht es eben wer anders. Wir haben in Niederösterreich auch eine soziale Gesellschaft, die Recycling von Elektroaltgeräten zusammen mit arbeitslosen Menschen durchführt. Wenn wir wirtschaftlich mehr Kraft hätten, hätten wir längst eine Institution, die alte Lebensmittel wieder in den Verkehr bringt, aber so unterstützen wir es eben anders. Ich habe mich bei all diesen Dingen aber nie gefragt, ob es mir schaden könnte, sondern nur, ob die Gesellschaft davon profitieren kann. Zu mir kommen immer wieder Leute, die sagen, welch tolle Arbeit ich leiste. Aber es gibt Menschen, die in viel kürzerer Zeit dasselbe erreicht haben wie ich oder noch mehr. Ich halte auch einen Tischler, der ordentlich arbeitet und fünf Leute beschäftigt sowie regional tätig ist, für ebenso wichtig für unsere Gesellschaft wie unseren Betrieb. Es kommt nicht immer nur auf die Größe an.

Sie haben über 3.000 Mitarbeiter, sind in über 1.600 Gemeinden aktiv und Saubermacher ist bis in den Oman tätig. Warum eigentlich?
Wir haben ein großes Know-how, das in Europa wenige haben, und versuchen Wege zu finden, unsere Kompetenz auch an andere Länder weiterzugeben. Wir wissen, wie die Abfallwirtschaft funktioniert, und können sie überall anbieten.

Aber wie sinnvoll ist es, so weitreichend aktiv zu sein?
Grundvoraussetzung ist es für uns, dass die Firma wirtschaftlich vernünftig geführt wird und ein Einklang zwischen Eigen-, Risiko- und Fremdkapital sowie Marktchancen herrscht. Wir bemühen uns momentan eher, unser Geschäftsfeld hier zu verdichten. Wir haben gerade eine digitale Plattform namens »Wastebox« eingeführt, die ähnlich funktioniert wie Booking.com oder Uber und auch von anderen Firmen genutzt werden kann. Wir haben auch eine  Daheim-App für Gemeinden und ihre Bürger gemacht, die zusätzlich zum bewährten Abfuhrkalender weitere Informationen ermöglicht.

Wie wichtig ist Innovation bei Saubermacher?
Wir haben eine eigene Forschungsabteilung, haben sechs Leute, die Apps selbst produzieren, oder kaufen Unternehmen dazu, wie unlängst in Deutschland eine Firma, die auf Batterienentsorgung spezialisiert ist. Wir haben gerade auch mit einem deutschen Partner beschlossen, zusammen Kühlschrankaufbereitungsfabriken in Tschechien zu betreiben. Wir investieren jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag. Ich habe immer gesagt, mich würde es nicht stören, wenn wir einmal 6.000 Mitarbeiter haben. Nicht, damit wir mehr Gewinn haben, sondern um mehr Arbeitsplätze zu bieten und mehr zu bewegen.

Sie haben zwischen 2012 und 2014 mit Horst Pirker einen CEO eingesetzt, den Sie wieder an die Medienbranche verloren haben. Wurde Pirker eingesetzt, damit Sie selbst langsam in Ruhestand gehen können?
Das war natürlich so gedacht. Aber jetzt ist auch dies gut gelöst. Man hat eine biologische Ablaufzeit und natürlich will man Sorge tragen, dass das Unternehmen gut weitergeführt wird. Eigentlich soll es ohne mich noch besser weitergehen.

Wie viel arbeiten Sie tatsächlich noch?
Ich bin eigentlich sehr viel in der Firma, weil ich auch Präsident der privaten Entsorger in Österreich bin. Eine Tätigkeit, die ein bis zwei Tage in der Woche in Anspruch nimmt. Ich bin nicht mehr direkt im Tagesgeschäft bei Saubermacher tätig, aber es gibt einen sehr intensiven Austausch und ich denke auch, dass ich die Mitarbeiter noch unterstützen kann. Außerdem hoffe ich, dass ich selbst spüre, wenn ich das nicht mehr kann.

Zwei Ihrer Kinder sind künstlerisch tätig, das dritte im Immobiliensektor. Sie werden Ihnen wohl nicht nachfolgen. Tut Ihnen das weh?
Sagen wir so: Ich bin anders aufgewachsen. Meine Frau war immer der Meinung, dass Kinder sich selbst entwickeln sollen und tun sollen, was sie gerne tun. Aber meine Sorge ist nicht, dass ich die Firma nicht an meine Nachfahren weitergeben kann, sondern mich beschäftigt viel mehr, dass meine Kinder glücklich und zufrieden sind und ein gutes Leben führen.

Ihr Vater war Unternehmer, Ihr Großvater Politiker. Wie hat das Ihnen und Ihren Geschwistern, die auch allesamt unternehmerisch tätig sind, geholfen?
Wenn ich heute mit Menschen rede, sagen sie mir oft, es lag an unserer Tüchtigkeit. Aber ich weiß, dass uns unser Familienstammbaum enorm geholfen hat. Es kam immer wieder vor, dass Menschen sich in Gespräch lobend auf meinen Vater bezogen. Dann wusste ich wieder, dass es nicht nur meine Leistung war. Wir haben dadurch viel Vertrauen mit auf den Weg bekommen. Wir haben dieses Vertrauen aber auch nicht missbraucht.

Sie sind Ihrem Vater als Unternehmer gefolgt, aber warum wollten Sie eigentlich nie Politiker werden wie Ihr Großvater?
Ich habe mich nie berufen gefühlt und ich wurde auch nie gefragt. Auch wenn ich immer viel mit der Politik zu tun hatte. Vielleicht hätte ich es gar nicht so schlecht gemacht. Wenn Sie mich nun fragen, ob ich links oder rechts bin, kann ich nur sagen, dass ich sehr ausgeglichen bin und unterschiedlichsten Parteien etwas abgewinnen kann. Ich bin etwa für Ganztagesschulen oder fast Freund der Mindestsicherung. Aktuell tut es mir nur weh, dass die Gesellschaft dermaßen auseinanderdriftet in Österreich.

Herr Roth, vielen Dank für das Gespräch!

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Hans Roth wurde am 2. Oktober 1946 in Feldbach geboren und absolvierte nach der Handelsschule eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Kaufhaus in Passail. Bald trat er in das elterliche Unternehmen ein und war am Aufbau verschiedener Geschäftszweige der Roth-Gruppe beteiligt. 1979 gründete er die Roth Umweltschutz GmbH, aus der später die Saubermacher Dienstleistungs AG wurde. Bis 2012 stand er dem Unternehmen als Vorstand vor, heute ist er Aufsichtsratsvorsitzender. Roth ist verheiratet und hat drei Kinder.

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Die Roth-Familie Hans Roths Großvater war Politiker, seine Großmutter Kauffrau. Sein gleichnamiger Vater war Unternehmer in seiner Heimat Gnas und über die Stadtgrenzen hinaus als Funktionär bekannt. Hans Roth ist das älteste von fünf Kindern, die allesamt unternehmerisch tätig sind. Bruder Rudi war Fußballer beim GAK, GAK-Präsident und besitzt Tankstellen, Bruder Ferdinand betreibt oststeirische Modehäuser, Bruder Ewald besitzt eine Handelsfirma und Schwester Maria Liebmann-Roth ist in der Logistik tätig. Auch Handwerkerservice und Baufachmärkte gehören zur Unternehmensgruppe.

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Fazitgespräch, Fazit 127 (November 2016), Fotos: Sabine Hoffmann

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