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Politicks August 2017

| 28. Juli 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 135, Politicks

Pilz mischt den Wahlkampf auf
Im Nationalratswahlkampf wartet derzeit alles auf die endgültige Festlegung von Peter Pilz, ob er antreten wird oder nicht. Sein Wahlziel hat Pilz mit der Verhinderung einer schwarzblauen Kurz-Strache-Regierung bereits formuliert. Derzeit sammelt das grüne Urgestein seine Kohorten und seine Sponsoren. Gemeinsam mit den beiden grünen Abgeordneten Bruno Roßmann und Wolfgang Zinggl dürfte Pilz die drei für eine Kandidatur erforderlichen Abgeordnetenunterschriften jedenfalls bereits in der Tasche haben. Pilz plant eine stramm linke Partei, die sich in der Migrationsfrage deutlich von den Grünen abhebt.

Diesbezüglich trennt ihn wesentlich weniger von ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz als von seinen ehemaligen Mitstreitern, denn wie der Außenminister tritt auch Pilz für das Schließen der Mittelmeerroute durch Auffanglager in Afrika ein, in denen die geretteten Bootsflüchtlinge versorgt werden. Obwohl Bundeskanzler Christian Kern diese Idee von Kurz noch kürzlich als »Vollholler« bezeichnet hat, lenkt auch er mittlerweile ein. Kern kämpft nach wie vor mit seiner gespaltenen Partei um die endgültige Linie in der Migrationspolitik. Während der SPÖ-Arbeitnehmerflügel lieber heute als morgen mit der FPÖ koalieren würde, wollen das die Bobos in der Wiener SPÖ unbedingt verhindern. Sollte Pilz kandidieren, stellt sich das Problem jedoch vielleicht gar nicht. Die jüngste GFK-Umfrage für den Kurier hat sowohl die Kandidatur von Peter Pilz als auch das Antreten von Irmgard Griss bei den NEOS berücksichtigt und stützt sich auf 1.000 Interviews. Demnach käme die Kurz-ÖVP auf 32 Prozent, die SPÖ auf 25, die FPÖ auf 22 die Grünen auf 7,5, Peter Pilz auf 6,5 und die NEOS auf 5 Prozent.

Sollte der nächste Nationalrat tatsächlich aus sechs Fraktionen bestehen, schaut es nicht gut für eine rotblaue Mehrheit aus. Mit seinem Antreten könnte Peter Pilz daher genau das erreichen, was er eigentlich verhindern will. Einen Nationalrat, bei dem sich nur eine schwarzrote und eine schwarzblaue Zweierkoalition ausgehen.

Geplatzte Arbeitszeitflexibilisierung: Industrie sieht Leitl in der Verantwortung
Das Scheitern der Gespräche zur Arbeitszeitflexibilisierung führt zu heftiger Kritik der Industriellenvereinigung an ÖGB und WKO. Vereinbart waren ja gemeinsame Gespräche über die Einführung eines Mindestlohns von 1.500 Euro und einer Arbeitszeitflexibilisierung mit einer Maximalarbeitszeit von 12 Stunden täglich. Die rotschwarze Bundesregierung hatte diese beiden Bereiche bei ihrem »Neustart« im Jänner an die Sozialpartner ausgelagert. Nach dem Zusammenbruch der Regierung hat ÖGB-Präsident Erich Foglar nun offensichtlich besser gepokert als WKO-Präsident Christoph Leitl. Herausgekommen ist nämlich ein Mindestlohn von 1.500 Euro, der bis 2020 flächendeckend eingeführt werden soll, aber keine Einigung zur Arbeitszeitflexibilisierung. Die starre österreichische Arbeitszeitregelung stellt aus Sicht des WIFO längst eines der größten Hemmnisse am heimischen Wirtschaftsstandort dar. Der steirische IV-Präsident Georg Knill zweifelte nach Bekanntwerden des Ergebnisses sogar offen die Zukunftsfähigkeit der Sozialpartner an. Wie und was da verhandelt worden ist, sei ein Ausdruck der Hilflosigkeit, so Knill.

Der Vizeobmann des Fachverbands der Metallindustrie in der Wirtschaftskammer, der Kärntner Unternehmer Timo Springer, forderte Leitl sogar zum Rücktritt auf. Die WKO vertrete keine Unternehmerinteressen mehr, sondern Leitl stehe nur noch für eigene Interessen ein, kritisierte Springer in einem Mail an Leitl und einige der wichtigsten Industriellen des Landes. Leitl habe keinen einzigen Punkt durchsetzen können, der dem Wirtschaftsstandort zugute komme. Er solle daher über einen grundlegenden Wandel nachdenken und (mit seinem Rücktritt) der WKO die Chance auf einen Neubeginn geben. Leitl habe den vorab mit den Unternehmen vereinbarten Verhandlungskorridor nicht halten können und im Alleingang eine Einigung verkündet, bei der sich die Wirtschaftskammer in keinem einzigen Punkt wiederfände.

Der WKO-Präsident rechtfertigte sich gegenüber Springer damit, dass dem Nationalrat angeblich ein Antrag über einen Mindestlohn von 1.750 Euro vorläge, und der zur Abstimmung gelangt wäre, wenn er den 1.500 Euro zugestimmt hätte. Springer solle sich daher direkt bei ÖGB-Präsident Foglar beschweren.

Spannendes Ringen um die Leitl-Nachfolge
Leitls Amtszeit als Präsident der Wirtschaftskammer endet mit der WK-Wahl 2020, bei der er nicht mehr antreten wird. Als vereinbart gilt, dass er Anfang nächsten Jahres seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge bekanntgeben wird. Leitl soll eine Frau für die Nachfolge präferieren. Angeblich steht der Rücktritt der WK-Vizepräsidentin Ulrike Rabmer-Koller als Chefin des Hauptverbandes der Sozialversicherungen mit der Nachfolge im Zusammenhang. Auch die Tiroler Touristikerin Martha Schulz soll wie die oberösterreichische WK-Präsidentin Doris Hummer gute Karten haben. Mit dem Wiener Kammerchef Walter Ruck drängt aber auch ein mächtiger männlicher Funktionär an die WKO-Spitze. Das eröffnet wiederum einigen Außenseitern Chancen. Die könnten dann zum Zug kommen, wenn sich Wien und Oberösterreich nicht einig sind. Dazu zählen auch zwei Steirer, und zwar WK-Präsident Josef Herk und WKO-Vizepräsident Jürgen Roth.

Trotz Leits Ausrutschers bei den Verhandlungen um die Arbeitszeitflexibilisierung wird der Wirtschaftsbund geschlossen genug sein, um dem Obmann ein würdiges Abtreten zu ermöglichen, bei dem dieser selbst über seine Nachfolge als WB-Chef entscheiden kann. Dass der nächste WB-Obmann oder die -Obfrau gleichzeitig als nächster WKO-Präsident designiert ist, versteht sich ohnehin von selbst.

Schickhofer gibt Finanzressort ab
Wer sich darum sorgt, dass der steirische Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer zu altruistisch für die Politik veranlagt ist, weil er schon wieder auf einen wichtigen Einflussbereich verzichtet, kann beruhigt sein. Schickhofer hat ja vor wenigen Wochen das Finanzressort freiwillig an den Leobner Anton Lang abgetreten. Und das, nachdem er – zumindest nach außen hin – schon 2015, als die SPÖ bei der Landtagswahl knapp, aber doch stimmenstärkste Partei wurde, zugunsten des Koalitionspartners ÖVP auf den Landeshauptmannposten verzichtet hatte. Dafür, dass die SPÖ auf Betreiben von Franz Voves nur deshalb auf den LH verzichtete, weil die Koalitionsverhandlungen vom Gespenst einer schwarzblauen Landeskoalition überschattet waren, kann Schickhofer gar nichts. Dafür, dass er nun die Finanzagenden freiwillig an Anton Lang abgibt, schon. Das Ressort des ehemaligen Leobner Finanzstadtrats umfasst nun die Bereiche Verkehr, Umwelt, erneuerbare Energien, Sport, Tierschutz und Finanzen.

Schickhofer hat tatsächlich ohne parteiinternen Druck – zumindest deutet nichts auf einen solchen hin – auf den in der öffentlichen Darstellung wichtigsten Bereich seiner Agenda verzichtet. Sein wesentliches Ziel als Finanzlandesrat sei der Abschluss der Finanzausgleichsverhandlungen mit dem Bund gewesen, so Schickhofer. Und das hat er mit zusätzlichen 300 Millionen Euro für die Länder tatsächlich erfolgreich erreicht. Mit dem Doppelbudget und der Finanzrahmenplanung 2021 seien auch im Landesbudget die Weichen für die Fortsetzung der Konsolidierung gestellt.

Schickhofer begründet seinen Verzicht mit der Landtagswahl 2020, bei der er jenen Landeshauptmannsessel für die SPÖ zurückholen wolle, den die Partei aufgrund des ungünstigen Verlaufs der Koalitionsverhandlungen an die ÖVP abgeben musste. Er wolle für die Partei und für sich die optimale Ausgangslage schaffen, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Steiermark wertet die Regionen auf
Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer hat derzeit auch mit dem Regionalressort genug zu tun. Die Koalition hat kürzlich die Weichen für die Aufwertung der Regionalkonferenzen beschlossen, die zukünftig eigene Budgets erhalten sollen. Seit dem Projekt »Regionext« besteht die Steiermark ja aus den sieben Großregionen Zentralraum Graz, Südweststeiermark, Südoststeiermark, Oststeiermark, Obersteiermark Ost, Obersteiermark West und Liezen. Mit dem Regionalentwicklungsgesetz stehen den Regionen nun mehr als zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer betonte, dass dieser Betrag nicht zur Umsetzung von Projekten gedacht sei, sondern dem Zweck diene, den Regionalvorständen eine finanzielle Basis für eigene Ideen einzuräumen.

So seien bereits 440 regionale Projekte, wie das »Zentrum im Berg« in Eisenerz oder die touristische Erschließung der Kaiserau zwischen Rottenmann und Admont am Laufen. Das Regionalentwicklungsgesetz soll im Herbst im Landtag beschlossen werden und Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Ob das Regionalentwicklungsgesetz etwas an den zwei Entwicklungsgeschwindigkeiten des Landes ändern wird, darf dennoch bezweifelt werden. Während sich der Ballungsraum Graz, der sich inzwischen nicht nur über den Zentralraum Graz, sondern auch die »graznahen« Gemeinden der Regionen Südwest- und Oststeiermark erstreckt, boomt, kämpfen die gesamte Obersteiermark sowie die Südoststeiermark gegen die Abwanderung der Jugend und der Betriebe.

Wenn man die peripheren Regionen tatsächlich wirkungsvoll unterstützen will, müssen Bund und Land dafür sorgen, dass die dort lebenden Menschen für ihr Steuergeld die gleichen Leistungen erhalten wie die Bewohner der Ballungsräume. Das ist aber wohl nur durch massive öffentliche Investitionen oder durch massive steuerliche Entlastungen der Menschen und Unternehmen in den Randlagen möglich.

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Politicks, Fazit 135 (August 2017)

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