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Die echten Probleme kommen erst im Herbst auf Österreich zu

| 3. Juni 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 153

Es war die Explosion der österreichischen Innenpolitik, die sich letzten Freitag tagsüber langsam ankündigte, in den Abend- und Nachtstunden auf den Samstag auch eine breitere Öffentlichkeit erreichte und die dann Samstag zu Mittag mit dem Rücktritt Heinz-Christian Straches aus all seinen politischen Funktionen einen ersten Riesenknall verursachte.

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Wenige Stunden später verkündete der Kanzler das Ende der Schwarz-blauen Koalition und stellte Neuwahlen in Aussicht. HC Strache und mit ihm Johann Gudenus sind offenbar Opfer ihres überschaubaren Intellekts geworden, tappten auf der Ferieninsel Ibiza in eine – perfide im Übrigen – Falle und werden genug damit zu tun haben, die Scherben ihrer politischen Karrieren zu studieren.

Wie immer der Mißtrauensantrag der Liste »Jetzt« gegen Sebastian Kurz ausgehen wird, ich schreibe diesen Text am 24. Mai, wie lange also diese Übergangsregierung (mit oder eben auch ohne Kurz) Bestand haben wird, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Der Wahltermin wird irgendwann im September sein und erst dann werden die ernsthaften Probleme unserer Innenpolitik spürbar werden. Dass die ÖVP gute Chancen hat, ihren ersten Platz zu verteidigen, scheint relativ klar, wie weit sie die anderen Parteien hinter sich lassen wird können, ist hingegen reine Spekulation. Eine absolute Mehrheit erscheint unwahrscheinlich und auch eine Koalition mit den Neos wird sich schwer ausgehen.

Jetzt bin ich persönlich natürlich nicht besonders erfreut, dass dieses gemeinsame Projekt der Volkspartei mit den Freiheitlichen – dann doch, nach einigen Monaten der gemeinsamen Regierung dachte ich sogar an zwei Regierunsperioden – so schnell gescheitert ist. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass es dem Land gut getan hätte, wäre  Österreich die vollen fünf Jahre (oder eben sogar mehr) von dieser Koalition regiert worden. Gut, das ist Geschichte.

Was mir aber mehr Sorgen bereitet, als dass die von mir präferierte Mannschaft nicht mehr regiert, ist die für mich ebenfalls in den letzten Tagen explodierende Abneigung vieler Linker auf alles, was mit der ÖVP zu tun hat. Natürlich hat das schon mit der Regierungsbildung begonnen und ist von Monat zu Monat schlimmer geworden, der blanke Hass aber, der nun der ÖVP mit Sebastian Kurz als wichtigster Projektionsfläche entgegenschlägt, ist wahrlich unangenehm und hat nichts mehr mit einer sinnvollen Auseinandersetzung demokratischer Parteien, Strömungen, Lager oder auch Individuen zu tun. So triefen etwa Studenten der Politikwissenschaft oder auch Absolventen dieser interessanten Studienrichtung vor Häme und Zorn, wenn der Name Kurz auch nur fällt. Oder die Falterautorin, deren Arbeit ich an sich sehr schätze, die sich nicht zu blöde war, sich darüber aufzuregen, dass Sebastian Kurz »gegrinst« hätte, als dieser – genauso wie auch der Bundespräsident nur Minuten vor ihm – im Rahmen einer der vielen Pressekonferenzen dieser Tage, auf das Ableben von Niki Lauda einging und dessen Lebenswerk würdigte. Bei der Gelegenheit darf ich die herausragende Leistung von Alexander Van der Bellen betonen, der es eindeutig schafft, ein Präsident aller Österreicher zu sein und mit kühlem Kopf und Herzensverstand unser Land durch diese zumindest turbulenten Zeiten geleitet. Ich konnte ihn – als Grünen – nicht wählen, mir war aber immer klar, dass er die richtige Persönlichkeit in der Hofburg ist. Allergrößten Respekt.

Und diesen Respekt drücke ich jetzt übrigens nicht nur aus, weil Van der Bellen andeuten ließ, er würde es schätzen, wenn Kurz bis zur nächsten Wahl Kanzler bleibt. Diesem Vorwurf wäre ich bzw. ist die ÖVP nämlich in den sozialen Netzwerken natürlich schon ausgeliefert. (Ich respektiere Alexander Van der Bellen, weil er – lange vor seiner Kandidatur und dann Wahl zum Präsidenten – einer der integersten Politiker dieses Landes ist.)

Zurück zum gespaltenen Land. Mit der FPÖ ist offensichtlich so viel Porzellan zerschlagen worden, dass eine neuerliche Koalition mehr als unwahrscheinlich erscheint. Aber leider gilt das eben auch – neben den tiefen inhaltlichen Unterscheidungen, die für sich schon eine Zusammenarbeit sehr nahe am Sinnfreien erscheinen lassen – mit all den linken Kräften im Lande. Ich hoffe und ich gehe davon aus, dass die ÖVP es schafft, nach der nächsten Wahl einen konstruktiven Kurs zu fahren. Ob die Linke dazu imstande ist, wage ich zur Stunde zu bezweifeln. Und das ist nicht gut so.

Editorial, Fazit 153 (Juni 2019)

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