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Notre-Dame ist abgebrannt. Und jetzt?

| 3. Juni 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 153, Kunst und Kultur

Foto: Guillaume Levrier

Mitte April 2019 ist die gotische Kathedrale Notre-Dame in Paris abgebrannt. Und jetzt? Was wäre eine angemessene Reaktion? Soll ich mich darüber aufregen, dass natürlich schon jemand ein Minarett für den Wiederaufbau vorgeschlagen hat? Ob als Scherz, als Provokation, mit postmodernem oder religiösem Eifer … Um es den Rechten zu zeigen oder warum auch immer. Es ist egal. Der Vorschlag musste ja kommen. Nach dem Brand lag das einfach in der Luft, die Intention interessiert mich nicht. Ja, der Vorschlag selbst interessiert mich eigentlich kaum; denn er ist vor allem sehr unoriginell. Das Minarett auf Notre-Dame ist eigentlich der unoriginellste Vorschlag, den man in dieser Situation machen kann.

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Und natürlich wurden viele andere Vorschläge gemacht, wie man die Kathedrale neu interpretieren könnte. Manche sind recht amüsant, einige sind ernst, andere nicht so ernst gemeint. Über die Gestaltung des öffentlichen Raums definiert sich eine Gesellschaft, und das Verhältnis von alter Architektur zu neuer Architektur tendiert so stets zum politischen Konflikt, mit den vorhersehbaren Frontverläufen. Aber kann man nicht beispielsweise von der Glaspyramide im Innenhof des Louvre, ein Werk des gerade verstorbenen Ieoh Ming Pei, fasziniert sein, ohne sich deshalb die umfassende Dekonstruktion jeder Altstadt zu wünschen? Eine Ästhetik des Bruchs kann schon interessant sein. Aber wo Dekonstruktion dominant, ja totalitär wird, da wird sie unerträglich. Da muss sie bekämpft werden.

Europa befindet sich in einer großen Krise, und natürlich kann der Brand von Notre-Dame diesbezüglich als ein mächtiges Symbol aufgefasst werden. Die Krise Europas ist vor allem eine Identitätskrise – und diese wird gelöst werden nicht etwa durch Auflösung von Identitären Bewegungen, sondern – sofern es in diesem Bereich überhaupt Lösungen gibt … – durch eine umfassende, ehrliche Auseinandersetzung mit jenen Fragen und Problemen, die doch der Elefant im Raum sind. Durch ein Innehalten beim Prozess der europäischen Integration, ein neues Abwägen, mehr Gelassenheit und Subsidiarität. Durch Besinnung auch auf das, was uns als Europäer verbindet, ob wir eher links oder eher rechts stehen. Und natürlich gehört dazu auch ein Bewusstsein für die Gefahren, die im Islam stecken.

Notre-Dame wird wiederaufgebaut – natürlich ohne Minarett. Was die Jahrzehnte und Jahrhunderte schließlich noch bringen, kann niemand wissen.

Alles Kultur, Fazit 153 (Juni 2019), Foto: Guillaume Levrier

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