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Binder bindet

| 19. August 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 155, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Binder+Co, der Spezialist für Aufbereitungs-, Umwelt- und Verpackungstechnik wird 125 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen in Graz, hat er sich die letzten knapp 60 Jahre gut eingelebt in Gleisdorf und baut mittlerweile innovative Maschinen bis hin zur Marktführerschaft. Eine kleine Reise in einem Auto mit Schiebedach, Umwege inklusive. Fahren Sie mit.

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Immer schon war es leicht nach Gleisdorf zu kommen. Was wie ein Romaneinstieg bei Marcel Proust klingt, ist seit 13. September 1969 tatsächliche Realität. An diesem Tag wurde die Autobahn nach Gleisdorf als Teil der A2 eröffnet. Als eine der ältesten Autobahnen Österreichs wurde sie schnell populär, ja sogar legendär, weil sie in beiden Fahrtrichtungen bereits über jeweils drei Fahrspuren verfügte, was damals fast unanständig war, wie auch später gebaute Autobahnen heute noch zeigen. Was noch in den Neunzehnsiebzigerjahren als größenwahnsinnig verunglimpft wurde, kann heute angesichts der Massenmotorisierung gar nicht hoch genug als vorausschauende Verkehrspolitik geschätzt werden – auch wenn der Pannenstreifen zu schmal dimensioniert wurde. Aber das war schon meinen Eltern egal, mit denen ich regelmäßig an den hohen Feiertagen die Verwandten in der Oststeier zu besuchen hatte. Zuerst mit einer Renault Dauphine, dann mit einem Peugeot 404, später 504, schließlich Mercedes 230 E, dann C 200. Mit der Dauphine freuten sich immer alle auf das Bergabstück ab Laßnitzhöhe. Eingequetscht zwischen einer sehr dicken Tante und einem ebensolchen Onkel, in der Sicht zusätzlich durch den dichten Zigarettenrauch meiner Eltern gehindert, spürte ich spätestens auf der Höhe von Nestelbach jedes Mal deutlich die zunehmende Geschwindigkeit. Bei der Rückfahrt war es umgekehrt. Ab dem Peugeot wurde alles besser: mehr Platz auf der Rückbank, mehr PS, bessere Sicht wegen der Kaminfunktion des Schiebedachs. Und höhere Geschwindigkeit, die sogar an Grenzen stoßen durfte. Seit 45 Jahren gilt die 130-km/h-Begrenzung. Außer beim IG-L-100er. Aber das gab es auf Autobahnen auch schon im Erdölschockjahr 1973 für knapp drei Monate und dann noch 120 km/h für zwei Monate. Viele Zeitzeugen glauben übrigens bis heute, dass die Autobahn Graz–Gleisdorf genau 18 Kilometer lang ist. Das galt zwar für die erwähnte Eröffnung 1969 tatsächlich, aber die Autobahn führte nur bis Raaba. Der weiterführende Anschluss an Graz-Ost wurde erst im Herbst 1970 fertiggstellt.

Ankunft in Gleisdorf
Damals wie heute war die Autofahrt von Graz nach Gleisdorf in der Regel besser und schneller zu bewältigen als der innerstädtische Weg von Eggenberg nach St. Peter. Und damals wie heute bietet sich bei der Abfahrt Gleisdorf-West dasselbe Bild: Zur rechten Hand erhebt sich gleich zu Ortsbeginn die architektonisch markante und mittlerweile legendäre Stahlrundhalle von Binder+Co. Das Unternehmen, das in erster Linie Maschinen und Anlagen zur Aufbereitung von Wert- und Rohstoffen herstellt, gehört seit fast 60 Jahren zum Weichbild der Stadt Gleisdorf, und die vom Enkel des Gründers entworfene, 1960 errichtete Rundhalle ist sprichwörtlich zu einem Wahrzeichen geworden.

Foto: Heimo Binder

Die heutige Binder+Co-Gruppe ist ein modernes Unternehmen mit Töchtern in Italien, den USA und China, gilt als Technologie- und Weltmarktführer in verschiedenen Bereichen und beliefert mit sechs Kontinenten im wahren Sinne des Wortes die ganze Welt. Tatsächlich feiert das Unternehmen heuer sein 125. Bestandsjubiläum, das heißt, sein Ursprünge gehen auf das Jahr 1894 zurück. Die ersten 65 Jahre befand es sich in Graz-Eggenberg, vom Namensgeber Ludwig Binder als Bau- und Kunstschlosserei gegründet. Heute umfasst das Geschäftsmodell drei Standbeine: Kerngeschäft sind die Einzelmaschinen, in denen so viel Innovationskraft und Knowhow steckt, dass etwa beim Sieben und beim Sortieren von Weltmarktführerschaft gesprochen werden darf. Zweites Standbein ist das System- und Projektgeschäft, bei dem komplexe Gesamtanlagen verkauft werden. Das dritte ist das nicht minder wichtige Service- und Ersatzteilgeschäft. Als Mission von Binder+Co kann die Frage nach dem Umgang mit Roh- und Wertstoffen bezeichnet werden. Das Angebot an die Kunden des oststeirischen Unternehmens umfasst dabei sechs Prozessschritte: brechen (zerkleinern) – sieben – nass aufbereiten – thermisch aufbereiten – sortieren. Der sechste Schritt – verpacken und palettieren – bezieht sich ausschließlich auf das Segment Verpackungstechnik: Dort hat es Binder+Co durch ein Joint Venture mit einem vormaligen Mitbewerber als »Statec Binder GmbH« unter die Top 3 geschafft und bedient die Industrien für Petrochemie, Düngemittel, Saatgut sowie Lebens- und Futtermittel. Schließlich muss fast alles verpackt werden, egal ob Getreide, Kunststoffgranulat oder Düngemittel, alles sogenannte freifließende Schüttgüter. Und auf Paletten geschlichtet – machen alles die Maschinen von Statec-Binder, die mit 80 Mitarbeitern im Industriepark von Gleisdorf angesiedelt ist.

Trocknungsanlage für 18 Millionen Euro
Das Geschäft am Standort von Binder+Co in der Grazer Straße ist also die Aufbereitung von Roh-und Wertstoffen und es teilt sich etwa 50 zu 50 auf. Bei der Aufbereitung von Rohstoffen geht es in erster Linie um Primärrohstoffe wie Kohle, Erze oder Sand. Hier werden die Industrien Baustoffe, Bergbau, Steine und Erden sowie Eisen und Stahl bedient. Zu den Kunden zählen zum Beispiel die Strabag, die Voest in den USA (Trocknungsanlage) oder die Eurochem in Russland. »Eurochem war ein großes Bergbauprojekt«, erläutert Vorstandsmitglied Jörg Rosegger. »In den letzten vier Jahren von 2014 bis 2018 haben wir dort für mehr als 18 Millionen Euro eine Trocknungsanlage für Kalisalz gebaut.«

Das Geschäft im Segment Umwelttechnik spielt sich im Sekundärroh- oder Wertstoffbereich ab. Hier gibt die Recyclingindustrie den Ton an. Zu 80 Prozent dreht sich hier alles um Glas, genauer Altglas. Kunden sind vor allem Glashütten, die selbst sammeln und aufbereiten und sich damit wieder selbst einen Rohstoff besorgen. Denn auch für Glashütten ist die Altglasscherbe interessanter als es die original Rohstoffe sind. Und Glas ist unendlich oft rezyklierbar, seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. Die zusätzliche Verwendung von Altglas macht die Produktion günstiger.

Foto: Heimo Binder

»Unsere Kunden sind aber auch Unternehmen, die spezialisiert auf Sammeln und Recyclen sind und dieses Glas oder diese Kunststoffe dann einer Glashütte oder einem Kunststoffaufbereiter verkaufen«, so Rosegger. Kunden sind etwa Remondis in Deutschland, einer der weltweit größten Dienstleister für Recycling, Service und Wasser oder Vetropack in Pöchlarn und Kremsmünster. Martin Pfeffer, Vorstandsvorsitzender: »Aktuell bauen wir gerade für die Firma Sirkel in Norwegen eine der modernsten Glasaufbereitungsanlagen mit einem Volumen von 15 Millionen Euro, die bis Dezember 2019 fertig sein soll.«

Sensorbasiertes Verfahren
Wie überhaupt die Glasaufbereitung jenes Metier ist, in dem Binder+Co weltweit Anerkennung gefunden hat. Das Unternehmen verwendete schon in den 1980er Jahren Lichttechnik im Glasrecycling und war damit der Pionier der Branche. Während damals noch ausschließlich mit Infrarot Keramik, Stein und Porzellan grob aussortiert wurden, umfasst das sogenannte sensorbasierte Verfahren längst das gesamte Lichtspektrum bis UV und Röntgen. Und es werden damit mittlerweile nicht nur Glas, sondern auch Kunststoffe, Papier und Mineralien sortiert.
Wie das erreichbar war, beantwortet Jörg Rosegger so: »Es gibt verschiedene technische Verfahren und Anwendungen, dafür ist ausgiebige Grundlagenforschung notwendig. Diesbezüglich arbeiten wir mit entsprechenden Institutionen zusammen, wie zum Beispiel mit der Montanuniversität, mit Joanneum Research oder dem Fraunhofer Institut in Deutschland und noch anderen Partnern. Die machen für uns die  Grundlagenforschung, etwa auch welche Sensortechnologie jeweils notwendig ist, verschiedene Kamerasysteme und verschiedenste Lichtquellen – wir entwickeln das dann weiter und machen den Maschinenbau dazu.«

Mit dem Umsatz im Geschäftsjahr 2018 in Höhe von 106,12 Millionen Euro (2017: 118,18 Millionen Euro) für die Binder+Co-Gruppe (insgesamt 378 Mitarbeiter, 93 Prozent Exportquote) war man zwar nicht ganz zufrieden, sieht aber keinen Grund zur Sorge. Martin Pfeffer: »Das Ergebnis wird deutlich verbessert werden, das wissen wir jetzt schon, weil wir bereits zum Halbjahr über dem Vorjahr liegen.« Die Aktiengesellschaft ist seit 2016 endgültig nicht mehr an der Börse. Mit den Industrieholdings Liaunig (30 Prozent) und Treibacher (17 Prozent) sowie der Albona Privatstiftung (24 Prozent) und Veit Sorger (7 Prozent) habe man eine solide Kerneigentümerstruktur und der hohe Aufwand für die immer strenger werdenden Gesetze und Vorschriften an der Börse haben sich wegen vier Prozent im Streubesitz nicht mehr rechtfertigen lassen, ist sich der Vorstand einig.

Einigkeit herrscht ganz offensichtlich auch darüber, dass in diesem Betrieb gern gearbeitet wird. Was einerseits dadurch belegt scheint, dass die Mitarbeiterfluktuation gering ist und andererseits, dass auch dem Außenstehenden eine sympathische Unternehmenskultur entgegenweht. Binder bindet. Und das merken wohl auch die Kunden.

Binder+Co AG
8200 Gleisdorf, Grazer Straße 19–25
Telefon +43 3112 800
binder-co.com

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