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Zur Lage (100)

| 20. Januar 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 159, Zur Lage

In der hundersten Lage geht es um einen Erfahrungsbericht einer Studentin an der Universität Wien, über mangelhaftes Humorbewusstsein ganzer Bevölkerungsgruppen sowie über aktuelle Entwicklungen in der Sprachgesetzgebung.

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Letztens bin ich auf Twitter, dieser internetten Schlangengrube rechter Unmenschlichkeit wie linken Humanismusses, leider wieder einmal eines Shitstörmchens gewahr geworden. Die sehr verehrenswerte Anna Schneider, Journalistin und derzeit in Berlin für das europäisch-neoliberale Zentralorgan »NZZ« tätig, hatte im Magazin »Addendum« unter dem Titel »Wir sind alle Opfer hier« einen Bericht über ihre Erfahrungen mit einem Semester »Gender Studies« an der Universität Wien verfasst. Jetzt ist Addendum zwar nur, neben der NZZ, eine andere Schreibstube der Hölle, wird das doch von der von – Triggerwarnung, es folgt der Name eines Selfmademilliardärs – Dietrich Mateschitz initiierten »Quo Vadis Veritas Redaktionsgruppe« herausgegeben, dennoch mussten offenbar viel zu viele dem Wahren und Guten verpflichtete Twitteraner diesen Text durch eine ungerechte Fügung des Schicksals gelesen haben.

Jedenfalls wurde ihr – mir sehr sachlich und beinahe trocken erschienener – Text über dieses Studium von vielen dieser rechtschaffenen Seelen als »Verhöhnung« der wesentlichen und uns alle irgendwann einmal retten werdenden Wissenschaftsgattung »Gender-Irgendwas« missverstanden. Ironiefremd wie diese Damenschaften sind, wurde in zahlreichen Tweets über Anna Schneider hergefallen und ihr – jetzt von mir sehr grob zusammengefasst – wissenschaftsfeindliche Umtriebe vorgeworfen. Indirekt – natürlich indirekt, wo das Gute zuhause ist, braucht man nicht mit seinem Namen dafür einstehen – wurde sie – und alle anderen wenigstens ab und zu unlinkes Gedankengut Denkende gleich mit dazu – als »Abfall« bezeichnet.

Ganz kann ich das nicht verstehen. Nicht das mit dem Abfall, über die moralische Größe, andere Menschen als Abfall bezeichnen zu dürfen, werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr verfügen, mir gehts um diese Humorfreiheit und damit so geringe Selbstsicherheit im Umgang mit dem eigenen Umgang. Gibt es doch im breiten Feld des Humors nur wenig, über das man sich so vortrefflich lustig machen kann, wie eben über das ganze »Gender-Irgendwas«. Natürlich gehört auch eine Grundportion Sympathie dazu, ich mach ja auch sehr gerne Kärntnerwitze und mir ist Kärnten ungeheim lieb. Kärntnerwitze darf ich im Übrigen nicht nur deswegen machen, weil mein Vater wie mein Schwiegervater Kärntner sind, nein, auch ein »echter Nichtkärntner«, also etwa ein Same kann, darf und muss Kärntnerwitze nicht nur anhören, sondern kann, darf und muss solche auch machen dürfen. Wobei, bei den Samen, das waren früher ja die Lappen bei uns, die irgendwann im Zuge höherer sprachlicher Gerechtigkeit zu den Samen wurden, muss ich ja in letzter Konsequenz immer an den Stecken denken, den man mit einem Bettler getauscht hat. Womit ich jetzt als echter Nichtsame voller Respekt und Hochachtung einen Witz über diese wunderbare Volksgruppe im hohen Norden unseres Kontinents gemacht hab. Zu Demonstrationszwecken.

Dass man Gender-Studies ein bisschen vorführen, ein klein wenig witzelnd betrachten kann, hat dieser Tage die Universität Wien unter Beweis gestellt. Die haben den siebenundzupftigsten Leitfaden zur geschlechterinklusiven Sprache vorgestellt und damit ein Kleinod humoresker Textierung geschaffen. Durch den – ich möchte es als »sprachliche Volte« bezeichnen – vollkommenen Verzicht auf »Herr« und »Frau« in der Anrede eines Briefes zum Beispiel, wird respektiert, dass »manche Menschen weder weiblich noch männlich sind«. Die paar Menschen, die heutzutage noch weiblich oder männlich sind, werden mit dieser Ausblendung sicher gut leben können. Einen Höhepunkt dieser einmaligen Scherziade stellen dann die direkten Anreden dar. So darf man, will man denn den hohen wienerisch-universitären Ansprüchen an die neue und bessere Welt gerecht werden, in Hinkunft nämlich nur mehr »Lieb* Christian« oder – wenn man sich nicht so vertraut ist – »Sehr geehrt* Christian Klepej« schreiben. Wen oder was die Uni mit der Anrede »Lieb** Student**« anzureden im Begriffe sein will, da muss ich gestehen, das übersteigt meinen im Grunde sehr überschaubaren Intellekt. Da muss ich endgültig passen. Es könnte sich vielleicht um eine Gruppe mehrerer – und damit selbstverständlich auch weder weiblicher noch männlicher – Studenten handeln. Wie auch immer, möchte ich jetzt natürlich die Uni ausgezeichnet wissen; ich habe mich extra einem Selbstversuch unterzogen und deren Sprachvorschriften sowie zusätzlich den »Leitfaden geschlechtergerechtes Formulieren und geschlechtersensibler Kommunikation« (sic!) der Akademie der bildenden Künste Wien auch unter Einfluß der legalen Droge Alkohol konsumiert und kann Ihnen garantieren: Das meint keiner ernst!

Also will ich dieser Einrichtung der gerechten Weisheit den Ironienobelpreis, die »Goldene Banane am Klebeband«, überreichen. Leider wird die Uni nie davon erfahren. Hält deren Frauenförderungs- und Gleichstellungsplan doch im Paragraphen 2 unmissverständlich fest, dass »auf dem Gelände der Universität Wien weder von der Universität selbst noch durch Dritte Materialien angebracht oder verteilt werden dürfen, die den Grundsätzen der Antidiskriminierung und Gleichstellung widersprechen oder diskriminierende Rollenstereotype verwenden«. Und da wir im Fazit mit der deutschen Sprache auszukommen versuchen, und auf Unterstriche wie Sterne verzichten, wird das wohl nix werden und die Student** und leider auch alle Prof** werden das gar nie nicht lesen können. Was ein Verlust! Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben, ob weiblich, männlich oder sonstwie, ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das Neue Jahr. Bleiben Sie mir gewogen.

Zur Lage #100, Fazit 159 (Jänner 2020)

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