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Scheidungsgeschichten

| 30. Oktober 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 167, Fazitbegegnung

Foto: Heimo Binder

Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner hat keinen Computer am Schreibtisch. Damit entfalle ein großer Ablenkungsfaktor und sie könne besser auf ihre Klienten eingehen. Die stets in Schwarz gekleidete Rechtsanwältin hat neben der Allgemeinpraxis ein Spezialgebiet: Ehe- und Familienrecht. Landläufig gesagt, ist sie Scheidungsanwältin. Die weitere Steigerung von »Freund, Feind, Parteifreund« lautet ja vorgeblich »Partner, Ex-Partner«.

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Zum Glück ist sie auch ausgebildete Mediatorin, denn: »Ich habe stets mit Menschen zu tun, die gescheitert sind, und das ist immer schmerzhaft.« Egal, ob Scheidung (Ehe), Trennung (Lebensgemeinschaft) oder Auflösung (eingetragene Partnerschaft) – ein Ansprechpartner sowohl mit rechtlicher als auch mit psychotherapeutischer Ausbildung wird dabei kein Nachteil sein: »Ich lerne im Rahmen so eines Mandats Menschen zumindest partiell besser kennen, oft wie einen Elternteil, eine Schwester oder einen Bruder.« Der männliche Anteil an Klienten sei im Übrigen gleich hoch wie der weibliche. Aber das ist eine lange Geschichte. Die Einzelkämpferin war nach ihrem, 1980 in Mindestzeit absolvierten Jusstudium zwar in Wirtschaftskanzleien tätig und mit Materien wie Schadenersatz-, Banken- und Versicherungsrecht befasst, erhielt aber in der Folge, als sie sich mit einer eigenen Kanzlei selbständig machte, als Frau keine entsprechenden Mandate. »Im ganzen OLG-Sprengel gab es 1986 gerade einmal drei oder vier Richterinnen, heute hingegen ist die erste Instanz zu mehr als fünfzig Prozent weiblich.« Erst mit der erfolgreichen Vertretung von zwei Ehefrauen in den Scheidungsverfahren gegen deren Männer – in sogenannten angesehenen Positionen – wuchs ihr Ruf als Scheidungsspezialistin. Entsprechende Mundpropaganda sorgte für vermehrten Klientenzulauf ganz im Sinne der alten, mittlerweile gelockerten Standesregel, wonach der Rechtsanwalt nur durch seine Leistung werben durfte.

Vor rund acht Jahren wurde der Name Prasthofer über die Bundesgrenzen hinaus bekannt, als die Anwältin im »Fall Oliver« den dänischen Vater des Buben gegen die Grazer Mutter in einem Sorgerechtstreit beziehungsweise einer Kindesentziehung vertrat. Zeitgenossen, die schon in den Neunzehnsiebziger und -achtzigerjahren sportlich aktiv waren, verbinden den Namen mit dem damals größten Sportgeschäft von Österreich in der Grazer Schmiedgasse, das dem Großvater und dem Vater von Barbara-Cecil und ihrem Bruder Christoph gehörte. So kam es, dass die heutige Rechtsanwältin als gelernte Einzelhandelskauffrau zunächst Skistöcke und Surfbretter verkaufte und als Spezialistin für Anglerbedarf galt, während ihr Bruder Golfprofi wurde.

Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner habe bereits in der fünften oder sechsten Klasse im Akademischen Gymnasium den Entschluss gefasst, Anwältin zu werden, ohne eine Ahnung zu haben, was sie erwartete: »Ein steiniger Weg war es auf alle Fälle.« Nicht nur, weil sie vor 34 Jahren in eine Männerdomäne eindrang, auch weil das Leben als selbständig Erwerbstätige, etwa wenn man späte Mutter wird und ohne Karenz und Mutterschutz auskommen muss, einiges an Unwägbarkeiten zu bieten hatte. Auch die eigene Scheidung gehörte dazu, die – so wie in 80 Prozent der Fälle in Österreich – eine einvernehmliche war. Ob sie das im Fall der Fälle auch ihren Klienten rate? »Jein«, so die nicht untypische Juristenantwort, »vorher müssen erst Einvernehmen und Konsens erreicht werden, und dabei hilft der Rechtsanwalt.« Sie treffe keine Lebensentscheidungen, sondern erläutere rechtliche, aber auch wirtschaftliche Konsequenzen mit dem Ziel, einen Prozess zu vermeiden. Wegen schlechter Vorbereitung bekommt sie viele Mandate erst nach bereits erfolgter einvernehmlichen Scheidung: »Es müssen die Differenzen auf zwei Ebenen geklärt sein – auf der Paarebene und auf der Elternebene. Sonst wird nachher auch noch um den Hund gestritten.« Die bestens vernetzte Juristin – sie ist Ausschussmitglied in der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer, Präsidentin der Vereinigung der steirischen Rechtsanwälte und Vorstandsmitglied der Vereinigung der österreichischen StrafverteidigerInnen – findet »Frau Rechtsanwalt« als geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung in Ordnung. Während das hochgestellte in nach Dr. »die deutsche Sprache auch nicht schöner macht«, hält sie das Gendern allerdings für wichtig in der Außenwirkung – daher auch das im vorigen Satz verwendete Binnen-I. Gut, das wir auch darüber gesprochen haben.

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Barbara-Cecil Prasthofer-Wagner wurde am 10.7.1958 in Graz in eine Unternehmerfamilie (Sport-Prasthofer) hineingeboren. Die renommierte Scheidungsanwältin und Mediatorin ist ihrerseits geschieden und hat einen zwanzigjährigen Sohn. Sie spricht neben Englisch und Italienisch perfekt Französisch und betreibt neben ihrer Grazer Rechtsanwaltskanzlei zwei Sprechstellen in Leoben und Wien.

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Fazitbegegnung, Fazit 167 (November 2020) – Foto: Heimo Binder

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