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Unermüdlicher Kulturmotor in schweren Zeiten

| 3. August 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 185, Kunst und Kultur

Foto: C. Rappel

Der Verein »uniT« gilt als gutes Beispiel, wie man als kleine Kulturorganisation mit wenig Budget maximale Leistung und effiziente und nachhaltige Ergebnisse liefern kann.

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Unter der famosen Leitung von Edith Zeier-Draxl entwickelte Uni-T (»uniT« – Verein für Kultur an der Karl-Franzens- Universität Graz) in wenigen Jahren ein breites Spektrum an Programm mit Vorbildwirkung.

Retzhof – Berlin und nach Graz zurück. So kurz und bündig lassen sich Erfolgsgeschichten beschreiben. Die Rede ist von Thomas Perle und seinem Stück Karpatenflecken, mit dem er den Retzhofer Dramapreis 2019 gewonnen hat, das dann am Deutschen Theater uraufgeführt wurde und nun in Graz im Rahmen des »Internationalen Dramatiker|innenfestivals« 2022 zu sehen war. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie Autorenarbeit in Graz und ein internationales Festival funktionieren. Das Drama-Forum lobt mit dem Retzhofer Dramapreis nicht nur einen Wettbewerb aus, sondern begleitet die aus etwa 140 Einsendungen ausgewählten Autoren ein knappes Jahr lang bei der Entwicklung der Stücke. Dann werden die Stücke anonymisiert einer Jury vorgelegt. Ja und 2019 hat Thomas Perle gewonnen. Das ist der Moment, an dem sich die Theater für die Arbeit eines jungen Autors interessieren. In Graz hat er, nachdem er gewonnen hat, für die Bürgerbühne des Schauspielhaus Graz geschrieben. Naheliegend die Idee der beiden Organisatoren des Festivals, dem Drama-Forum von Uni-T und dem Schauspielhaus die erfolgreiche Uraufführung des Deutschen Theaters nach Graz einzuladen. Das Gastspiel war ein großer Erfolg, es gab mehr Publikum als Plätze, es gab großes Bedauern, dass das Stück nicht öfters gezeigt wurde.

Von Graz in die Welt
Viele junge Autorinnen und Autoren brechen von Graz auf, um die Bühnen, auch die großen dieser Welt, zu erobern. Ewald Palmetshofer, Gerhild Steinbuch, Ferdinand Schmalz, Miroslava Svolikova, Natascha Gangl, Ivna Zic, Caren Jess, Teresa Dopler, Anah Filou – eine Liste, die man noch lange weiterführen kann – sind zu nennen. Sie haben renommierte Preise bekommen, werden in großen Zeitungen und in Fachpublikationen besprochen, ihre Stücke sind jedes Jahr im Uraufführungsreigen vertreten. Graz mit dem Drama-Forum ist ihre künstlerische und geistige Heimat, hier wurden sie auf verschiedene Weise in ihrer Entwicklung als Autor bzw. Autorin unterstützt. Dabei bietet das Drama-Forum neben dem Arbeitsprozess für den Retzhofer Dramapreis noch das Förderprogramm »Forum-Text«. Hier geht es auch um das zweite und dritte Stück eines Autors, denn oft ist es nicht ganz leicht nach einem ersten Erfolg sich auch nachhaltig im Theaterbetrieb zu etablieren. Die Förderprogramme von Uni-T und das Interesse des Schauspielhauses an neuer Theaterliteratur haben Graz auf die Landkarte für zeitgenössische Dramatik zurückgebracht. Und das auch international. Graz und die Steiermark können nicht nur auf eine große Vergangenheit zurückblicken, sie sind auch ein Ort der Zukunft. Das Festival ist unser Fenster zur Welt in den Bereichen Literatur und Theater. Im deutschsprachigen Raum ist es bestens vernetzt. Es gibt Kooperationen mit den Niederlanden, Belgien und einem internationalen Autorennetzwerk. Es gibt Interesse aus Hongkong, mit dem Festival und dem Drama-Forum zusammenzuarbeiten. Das Festival wird also mehr und mehr vom Fachpublikum geschätzt. Verlagsleute, Dramaturgen und Regisseure reisen nach Graz, um neuen Texten und neuen Autoren zu begegnen. Das Forum ist mittlerweile auch Teil eines überregionalen Forschungsnetzwerks, angesiedelt an der Freien Universität Berlin. Auch ein sehr gemischtes Publikum vor Ort schätzt das Angebot. Erfreulich sind die vielen jungen Besucher.

Überfordernde Realitäten
Im Jahr 2022 war eine besonders spannende Ausgabe des Festivals zu erleben. Es beschäftigte sich mit den verschiedenen Realitäten, die uns gesellschaftlich herausfordern, die uns manchmal überfordern und denen wir uns daher gar nicht gerne stellen. Es ging um Positionen, die Frauen heute zugestanden werden, um die Unsichtbarkeit, die ältere Frauen erfahren, um die Frage, ob Frauen wirklich so frei über Liebe reden können, wie wir behaupten, ob ihnen wirklich die Hälfte der Welt gehört. Es ging um Migration und um das Klima, um unsere Hilflosigkeit und darum, wie wir wieder ins Handeln kommen können.

Junges Programm als Programm
Was als besonders gelungen hervorgehoben werden kann, ist die Beteiligung von jungen Künstlern am Programm, auch von lokalen, wie den »Writers in Climate Crises« oder dem Verein »Wir sind lesenswert«. Sie zeigten, wie man sich das Theater von morgen vorstellen kann. Es gab Texte zu erleben, die mit einem Schlagzeug in einen Austausch traten, Gedichte über Heimatlosigkeit wurden getanzt, ein Livehörspiel erzählte von der Geschichte des langen Krieges in Afghanistan und der dortigen Suche nach Überlebensmöglichkeit. Dunkelheit und Licht waren das Thema eines audiovisuellen Gedichts. »Queere Ästhetik« war auf der Gerichtsmedizin am Campus der Karl-Franzens-Universität zu sehen, ein Fahrrad war Bühne für Lesungen im öffentlichen Raum und für alle, die noch mehr wollten, gab es Führungen im Skulpturenpark. Dabei ging es nicht nur um die Skulpturen, es gab kurze Stücke zu sehen, der Park wurde zur spannenden Kulisse.

Foto: Gernot Eder

Das ist aber nicht alles, das Dramatikerfestival »on Tour« hat in der zweiten Junihälfte Station in verschiedenen Orten in der Steiermark gemacht: in Predlitz beim Griessnerstadl, in einer Gärtnerei in Irdning, in einer Privatwohnung in Aich, in einem Garten in Judenburg. Alle schienen am Ende beglückt, das Publikum, die Schauspieler und die Autoren. Letztere schwärmen von der Offenheit und Herzlichkeit, mit der sie und ihre Texte aufgenommen wurden.

Und es geht weiter
Warum darüber reden, wenn das Festival doch schon vorbei ist. Nach dem Festival ist vor dem Festival, schon laufen die Vorbereitungen für das nächste Jahr. Vielleicht macht das Gehörte Lust auf die nächste Ausgabe. 25 Schreibende haben bereits mit ihrer Arbeit für den Retzhofer Dramapreis 2023 begonnen. Es geht diesmal nicht nur um Texte für Erwachsene. Zum zweiten Mal gibt es auch zwei Preise für Theatertexte für junges Publikum zu gewinnen. Zwei fachkundige Partner unterstützen letztere Arbeit: das Theater am Ortweinplatz und das Next Liberty. Bereits jetzt ist klar, an welchen Bühnen die Uraufführungen der Siegertexte stattfinden werden. Das Wiener Burgtheater wird die Uraufführung des Siegertextes für Erwachsene ausrichten; dort läuft übrigens gerade sehr erfolgreich das Siegerstück 2021, »Adern« von Lisa Wentz. Next Liberty und das Theater am Ortweinplatz werden in Graz einen Text für junges Publikum aufführen, das Theater an der Parkaue in Berlin einen zweiten. Alle Texte sind aber davor am nächsten Festival zu erleben, dazu noch Texte von den Teilnehmern des Forum-Text und weitere übersetzte Texte. Wie es aussieht, werden die Texte die Stadt fluten. An allen Ecken und Enden werden sie zu erleben und zu erfahren sein. Es wird gerade nach entsprechenden Orten gesucht, denn wie jedes Jahr ist es auch 2023 wieder ein Ziel, gemeinsam mit dem Publikum auf Entdeckungsreise zu gehen, um an ungewöhnlichen Plätzen neuer Theaterkunst zu begegnen. Der Termin des Festivals steht auch schon fest, es wird zwischen dem 21. und dem 25. Juni stattfinden.

Bis dorthin gibt es aber noch einiges anderes zu tun. Gerade laufen die letzten Vorbereitungen für ein Projekt im Rahmen von »La Strada«. Im »Klimagwandl« ist ein partizipatives, intergeneratives Kunstprojekt. Es fragt: Was sollen wir angesichts der Klimakrise tun? Was hindert uns daran, jetzt zu handeln? Antworten sucht das vielstimmige Ensemble aus Künstler- und Klimaaktivisten mit seiner Performance. In einem lustvollen Gemeinschaftsakt werden Wege gesucht, den Kopf aus dem Sand zu ziehen und der allgegenwärtigen Überforderung etwas entgegenzuhalten. Kunst gemeinsam mit interessierten Menschen zu machen, ist ein zweites großes Anliegen von Uni-T. Unter dem Label »Kunstlabor« geht es um gemeinsames Erleben, um Bildung im weitesten Sinn, um Möglichkeitsräume und nicht zuletzt darum, Menschen für die Kunst zu gewinnen, sie dazu zu verführen. Auch in diesem Feld entwickelt Uni-T laufend spannende Projekte.

International vernetzt
Uni-T ist Partner in europäischen Projekten. Lernen von anderen, eigenes Wissen weitergeben, das vernetzt nicht nur die Organisation, sondern auch Graz und die Steiermark. Unsere Zeit braucht die Kunst, um zu sich zu finden, um nachdenklich zu werden. Kunst darf nicht nur unterhalten, sie muss auch herausfordern, ohne die Menschen zu verlieren. Drama-Forum und das Kunstlabor versuchen ihr Scherflein beizutragen. Nachahmenswert auf alle Fälle!

Alles Theater
uni-t.org   dramaforum.at   kunstlabor-graz.at

Alles Kultur, Fazit 185 (August 2022), Fotos: Gernot Eder, C. Rappel

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