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Politicks Oktober 2022

| 12. Oktober 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 186, Politicks

Präsidentschaftswahl. Noch keine Gefahr für Van der Bellen
Insgesamt sieben Kandidaten treten bei der Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober an. Daran, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wiedergewählt wird, gibt es außer dem Zweckoptimismus der Herausforderer überhaupt keine Zweifel. Neben den Grünen haben sich auch zahlreiche Politiker von ÖVP, SPÖ und Neos zur Wahl Van der Bellens bekannt. Aber gerade die ÖVP dürfte es inzwischen bereuen, die Chance auf einen eigenen Kandidaten vertan zu haben, den sie nicht nur zur Mobilisierung, sondern durch dessen Präsenz auch als Sprachrohr zur Abwehr der umfangreichen Korruptionsvorwürfe hätte nützen können. Außerdem wäre es dem Wahlkampfteam von Alexander van der Bellen wohl wesentlich schwerer gefallen, einem ÖVP-Kandidaten die Diskussion zu verweigern als den derzeitigen Herausforderern, unter denen sich mit Dominik Wlažny alias Marco Pogo und Gerald Grosz tatsächlich zwei ausgesprochene Spaßkandidaten befinden.

Dass der FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz an den Erfolg von Norbert Hofer anknüpfen kann, scheint vollkommen ausgeschlossen. Und auch der Kandidat der Impfgegner, Michael Brunner, hat ebenso wenig das Potenzial zum Bundespräsidenten wie der Waldviertler Schuhhersteller Heini Staudinger. Beeindruckend war hingegen, dass Kronenzeitung-Kolumnist Tassilo Wallentin mit einem einzigen Inserat in der Sonntagskrone 18.000 Unterstützungserklärungen erreichte.

Dass der amtierende Bundespräsident keine Lust hat, im Wahlkampf mit seinen Herausforderern zu diskutieren, ist nachvollziehbar. Aus demokratiepolitischen Gründen hätten ihm das aber weder der ORF noch die Privatsender durchgehen lassen dürfen. Aber womöglich trägt Van der Bellen mit seiner Haltung ja selbst zur Demobilisierung seiner Anhänger bei. Daher könnten es die Herausforderer zumindest schaffen, ihn in eine Stichwahl zu zwingen. Und wenn die Krone ihrem Starkolumnisten an den verbleibenden Sonntagen wieder mehrere Seiten auf dem Farbmantel zur Verfügung stellt, könnte der Gegner bei dieser Stichwahl aber durchaus Tassilo Walentin und nicht Walter Rosenkranz heißen.

98 Prozent. Spitzenergebnis für Drexler

Mit der Äußerung »An seiner Beliebtheit müssen wir noch arbeiten« hat Altlandeshauptmann Hermann Schützenhöfer seinem Nachfolger Christopher Drexler vielleicht doch keinen so schlechten Dienst erwiesen. Schließlich hat er damit die Latte für den liberalen, humanistisch gebildeten Juristen extra tief gelegt. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen. Denn der neue steirische Landeshauptmann überzeugte beim Parteitag genau jene VP-Funktionäre, von denen ihn viele wegen seiner angeblichen Abgehobenheit lange Zeit nicht an der Spitze sehen wollten. 98,03 Prozent sind ein eindrucksvoller Beweis für die Fähigkeit Drexlers, die Partei hinter sich zu einen.

Natürlich wurde von der Steirischen ÖVP alles aufgeboten, um die Delegierten von ihrem neuen Parteichef zu überzeugen. So wurde der Parteitag auf zwei Tage ausgedehnt, um Altlandeshauptmann Hermann Schützenhöfer gleich mehrfach die Gelegenheit zu launigen Reden zu geben, in denen er kräftig die Werbetrommel für seinen Nachfolger rührte und auch die Einheit der Partei beschwor. Der erste Tag endete zudem in einer großen weißgrünen Party mit »Egon 7« und zahlreichen kulinarischen Genüssen, die Drexler intensiv zum Smalltalk mit den feiernden Delegierten nützte.

Drexler punktet mit seiner Bewerbungsrede

Die einzigen Parteitagsbesucher, die sich nicht von der Jubelstimmung anstecken ließen, waren wohl die anwesenden Journalisten. Aber auch von denen trauten in einem internen »Wahltoto« dem Landeshauptmann fast alle ein Ergebnis jenseits der 95 Prozent zu. Dass es dann doch über 98 Prozent wurden, wunderte aber auch keinen. Man war sich einig, dass sich Drexler die restlichen Prozentpunkte mit seiner hervorragenden Bewerbungsrede geholt hatte. Dabei wäre alles über 90 Prozent bereits ein Erfolg für den 51-jährigen in Passail lebenden Grazer gewesen – ein Ziel, das etwa LH-Vize Anton Lang beim SPÖ-Parteitag vor zwei Jahren klar verfehlte.

In seiner Rede unterstrich Drexler, dass er »Landeshauptmann kann«. Er formulierte seine Klimaschutz-Vision und dass er die Steiermark mit den technischen Entwicklungen des Greentech-Clusters und dem Ausbau der erneuerbaren Energien innerhalb von zehn Jahren zur ökologischen Musterregion machen wolle. In der Folge ging Drexler auf die großen Unsicherheiten ein, die er angesichts des Ukraine-Kriegs, der Energiepreise und der großen Teuerung bei vielen Begegnungen mit der Bevölkerung gespürt habe. Daher sei es eine der wichtigsten Aufgaben der Politik, den Menschen wieder Orientierung zu geben.

Krisenschutz für die Wirtschaft

Obwohl er klarstellte, dass der Staat unmöglich alle Probleme, die den Menschen in Zusammenhang mit den aktuellen Krisen widerfahren, lösen könne, forderte er von Bund und Land ein klares Bekenntnis zum Schutz der Wirtschaft ein; nicht nur für die energieintensive Industrie, die um ihr Überleben kämpfe, sondern auch für Gewerbe und Handwerk, das Rückgrat des wirtschaftlichen Wohlstands in der Steiermark.

In der Folge appellierte Drexler an die Zuversicht seines Publikums und verglich die jetzige Teuerungswelle mit der Corona-Krise, die man bisher ebenfalls sehr gut bewältigen haben können, obwohl man der Pandemie anfangs völlig nackt gegenüber- gestanden sei. Der Landeshauptmann berichtete auch von der Wut und Ohnmacht gegen die da oben, die ihm in vielen Gesprächen mit den Menschen untergekommen sei. In diesem Zusammenhang beschwor er die Bodenhaftung der Volkspartei mit den Worten: »Die da oben, das dürfen wir nie sein!«

Drexler kann auch Populismus

Als er auf die aktuelle Migrationskrise, die Cancel-Culture- oder die Gender-Debatte zu sprechen kam, ließ Drexler keine Zweifel aufkommen, dass er auch die Klaviatur des Populismus beherrscht. Dabei schoss er jedoch nie über das Ziel. Weder als er einen besseren EU-Außengrenzschutz forderte und auch nicht, als er gegen sprachliche Genderverrenkungen schoss oder dazu aufrief, die Kinder auch in Zukunft mit den Büchern von Karl May zu konfrontieren, weil aus ihm schließlich auch ein liberaler und toleranter Mensch geworden sei, obwohl er über das »Donauland-Abo« seiner Oma alles über Winnetou und seine anderen Karl-May-Helden gelesen habe.

Die Bürgermeister konnte der neue Landeshauptmann schon im Sommer auf seine Seite ziehen, als er sie in allen Bezirken besuchte. In seiner Parteitagsrede versprach er, dass es mit ihm auch in Zukunft keine Steiermark der zwei Geschwindigkeiten geben dürfe und dass er immer darauf achten werde, dass der ländliche Raum nicht hinter die Ballungszentren zurückfällt. Nur wenige Worte verlor er für die aktuelle ÖVP-Korruptionsdebatte. An wem sollten sich die Mitbewerber denn schließlich sonst abarbeiten, wenn nicht an der ÖVP? Schließlich stelle sie nicht nur den Bundeskanzler, sondern auch sechs der neun Landehauptleute und zwei Drittel aller österreichischen Bürgermeister.

2024 geht es für die Steirer-VP um die Nummer eins

Die Zusammenarbeit mit der steirischen Sozialdemokratie stellte Drexler wie immer als vorbildhaft dar. Er schloss mit der Überzeugung, dass es der Steirischen ÖVP gelingen werde, als klare Nummer eins aus der Landtagswahl 2024 hervorzugehen. Die 98 Prozent Zustimmung sind dennoch nicht nur das Ergebnis eines erfolgreich verlaufenen Parteitags und von mitreißenden Reden des alten und des neuen Landeshauptmannes. Drexler überzeugte die Partei nicht nur mit seinem rhetorischen Können. Das Ergebnis war auch das Resultat der zahlreichen Regionalbesuche und Händeschüttelmarathons, bei denen der Landeshauptmann auch seine Skeptiker davon überzeugen konnte, einer der ihren und damit der Richtige zu sein.

Zu den VP-Landesparteiobmannstellvertretern wurden die steirische Landesbäuerin Viktoria Brandner, WKO-Vizepräsident Andreas Herz, der Grazer Arzt Karlheinz Kornhäusl, der Hartberger Bürgermeister, Marcus Martschitsch, die Lehrerin Helene Silberschneider aus Gleinstätten und die Bürgermeisterin von Wundschuh, Barbara Walch, gewählt. Neuer Landesparteifinanzreferent ist Josef Schrammel aus Graz.

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Politicks, Fazit 186 (Oktober 2022)

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