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Fazitthema Korruption

| 6. April 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 191, Fazitthema

Arbeitet man sich durch die Skandale der vergangenen Jahre, könnte man den Eindruck gewinnen, Österreich sei ein durch und durch korruptes Land. Doch der Eindruck täuscht. Es ist längst nicht so schlimm wie angenommen. Text von Johannes Roth

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Manche sagen, sie sei so alt wie das älteste Gewerbe der Welt; so alt wie die Menschheit selbst: Korruption, Bestechung, Machtmissbrauch und Gier beschäftigen die Menschheit seit Jahrtausenden. Dabei ist „Korruption“ an sich ein recht schwammiger Begriff. Je nach Definition fallen darunter Nepotismus, Postenschacher, Bestechung und die Annahme von Bestechungsgeldern, Kickbackzahlungen, Machtmissbrauch, Amtsmissbrauch, Klientelpolitik, Kleptokratie, illegale Wahlkampfspenden, Untreue, Betrug und mehr. Eine Vielzahl von Einzeldelikten also, was zu einem recht weit gefassten Korruptionsbegriff führt. Schon in der Bibel findet sich darum ein entsprechendes Gebot: „Du sollst nicht Geschenke annehmen. Denn Geschenke machen die Sehenden blind und verkehren die Sache der Gerechten.“ (2. Mose, 23) Wobei die Gebote Moses natürlich eher auf die Hebung der allgemeinen Moral abzielten und weniger auf strafrechtliche Verfolgung.

Korruption ist meist politisch konnotiert
Schon im alten Rom war Wählerbestechung ein großes Thema, im Mittelalter die sogenannte Simonie, also der Kauf kirchlicher Ämter, ebenso üblich wie die Bestechung bei der Wahl des Deutschen Kaisers: Dass die Kurfürsten ihre Stimme verkauften, soll keiner besonderen Aufregung wert gewesen sein. Nicht viel besser ging es Jahrhunderte später am Hof Ludwigs XV. zu, der sich in einem Brief an den Herzog von Choiseul bitter darüber beklagte: „Mein lieber Freund, die Stehlereien in meinem Hause sind enorm. (…) Alle Minister, die ich gehabt habe, haben versucht, dem Einhalt zu gebieten, aber erschreckt von der Schwierigkeit der Ausführung, haben sie das Projekt stets fallen gelassen. (…) Also beruhigen Sie sich und lassen Sie ein unheilbares Laster weiter währen.“ Erst um 1800, so die Experten, sei Korruption von einem „Laster“ zu einem Verbrechen geworden: Staatszweck und die (persönlichen) Interessen der jeweiligen Herrscher und seiner Beamten bzw. Fürsten wurden von da an getrennt voneinander betrachtet.

Das Pendant zu Korruption ist das Delikt der Untreue in der Wirtschaft. Sie liegt vor, wenn wissentlich die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht wird und dadurch ein Vermögensschaden verursacht wird. Bei einem Schaden von mehr als 5.000 Euro beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahre, bei über 300.000 Euro bis zu 10 Jahre. Wegen Untreue wurden etwa die Hypo-Alpe-Adria-Vorstände verurteilt, Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner, Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly oder Ex-Telekom-Vorstand Klaus Fischer. Weltweit war und ist der Korruptionsvorwurf das Killerargument, um politische Gegner zu desavouieren. Schon der bloße Vorwurf genügt: Bereits die Aufnahme der Ermittlungen zerstört die Glaubwürdigkeit des Beschuldigten. Die Vorwürfe halten diesen davon ab, sich seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen, und ruinieren ihn durch Anwaltskosten oft wirtschaftlich. Politiker wie Christoph Chorherr oder H.C. Strache können ein Lied davon singen.
 
Autoritäre Regime begründen ihre Machtansprüche mit Korruptionsvorwürfen
Vom Einzelschicksal abgesehen: Es ist kein Zufall, dass historisch gesehen eine Debatte um Korruption in der Politik immer dann besonders Fahrt aufnimmt, wenn autoritäre Regime im Begriff sind, die Macht im Staat zu erlangen: So verschrieben sich die Nazis ebenso propagandawirksam dem Kampf gegen die Korruption wie Mussolini, Franco, Stalin, Castro, Putin und andere Diktatoren – das Muster war dabei immer gleich. Zunächst wurden einzelne Korruptionsvorfälle skandalisiert, um danach den „Kampf gegen die Korruption“ als Vorwand für innere Säuberungsaktionen zu nutzen. Dabei werden dann von den jeweiligen Regimen erst recht wieder korrupte Strukturen aufgebaut und verfestigt.

Dass es bei Korruption nicht immer um die persönliche Bereicherung oder die Verschaffung eines persönlichen Vorteils geht, ist evident. Es ist ein Grundproblem der Korruptionsbekämpfung, dass sie in einem Graubereich agieren muss. Denn Korruption im Sinne von „sich einen persönlichen Vorteil verschaffen, indem man dazu Mittel der öffentlichen Hand verwendet“ ist systemimmanent. In der Politik geht es ja darum, sich mit staatlichen Mitteln ein Amt oder ein Mandat zu verschaffen – wodurch man klarerweise auch einen persönlichen Vorteil erlangt. Wenn jemand schon an der Macht ist, ist es umso leichter, Einfluss auf die Wähler zu nehmen. Davon zeugen zum Beispiel die ausufernden Wahlzuckerl – Stichwort Pensionserhöhungen –, die in der jeweils letzten Plenarsitzung vor Wahlen beschlossen werden. Ein Versuch der ÖVP im Jahr 2019, diese Praxis zu unterbinden, scheiterte am Widerstand der anderen Parteien.  Ist das also eine Form der Korruption?

Natürlich nicht! Wie überhaupt vieles im öffentlichen und halböffentlichen Bereich immer noch eine Grauzone ist, in der Gesetze und Moral umgangen werden können und werden. So kommt es zum Beispiel, was die Postenvergabe betrifft, immer wieder zu Auseinandersetzungen: Auf der einen Seite stehen Parteien, die ihre Interessen mit der Vergabe von Positionen im Staatsdienst oder von dem Staat oder Land nahestehenden Unternehmen verknüpfen. Auf der anderen Seite sind es die unterlegenen Kandidaten und der politische Mitbewerb, der solche Besetzungen nicht einfach im Raum stehen lassen will.

Wie in einem sehr aktuellen Fall: Bei der Besetzung des Generaldirektors der Bundeswettbewerbsbehörde, einem Topjob (11.000 Euro brutto/Monat) mit zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort, streiten sich Grüne und ÖVP darum, welcher Kandidat der bessere sei. Seit über einem Jahr ist die Position nun vakant, beide Seiten mussten Gutachter beauftragen, die die Qualifikation der jeweiligen Kandidaten bestätigen. Wird der falsche Kandidat mit der Aufgabe betraut, hat der Unterlegene Anspruch auf Schadenersatz. Ein anderer Fall: Die Besetzung des Leiters des Institutes für Strategie und Sicherheitspolitik (ISS) an der Landesverteidigungsakademie. Der Posten wird vom Verteidigungsministerium besetzt, das einen Kandidaten präsentierte. Sofort hagelte es Kritik: Es habe keine Ausschreibung gegeben, der „Verdacht auf Postenkorruption“ stehe im Raum, so der freiheitliche Personalvertreter. SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer mahnte daraufhin „Aufklärung und Transparenz“ ein und Neos-Landesverteidigungssprecher Douglas Hoyos sah den Beweis erbracht, dass „die ÖVP weiterhin bis zum Hals im Korruptionssumpf“ steckt.

Transparency international und der Korruptionsindex
Wer allerdings allzu leichtfertig mit dem Korruptionsvorwurf umgeht, tut seinem Land meist nichts Gutes. Schließlich ist der Umgang eines Landes mit Korruption ein wichtiger Indikator für die Qualität eines Wirtschaftsstandortes. Eine Einschätzung der Korruptionsgefahr nimmt die globale Organisation „Transparency International“ vor. Sie erstellt ein Ranking von 180 Staaten nach dem sog. „Corruption Perception Index“. Dieser zeigt, wie stark die gefühlte Korruption in den jeweiligen Ländern ist. In diesem Ranking hat Österreich 2022 drei Punkte verloren. Es hält nur mehr 71 (von 100) und rangiert damit auf dem 22. Platz. Rumänien etwa – dessen Beitritt zum Schengen-Raum derzeit besonders im Fokus steht – hat nur 45 Punkte, Neo-Beitrittskandidat Ukraine gar nur 35. Am „saubersten“ sind Dänemark (90 Punkte), Finnland und Norwegen. Die Platzierung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn Punktegleichheit findet im „Ranking“ keinen Niederschlag. Tatsächlich schlägt sich Österreich im Staatenvergleich ausgezeichnet und rangiert knapp nach Frankreich, aber vor den USA. Optimierungspotenzial ist trotzdem gegeben: Wollen wir uns verbessern, schlägt TI-Austria vor, zunächst „unabhängige Ermittlungen“ sicherzustellen, weiters den „Schutz von Whistleblowern“ zu intensivieren und das Lobbyinggesetz „nachzuschärfen“. Wesentliche Punkte sind darüber hinaus auch ein Informationsfreiheitsgesetz und mehr Transparenz bei der Postenvergabe. Das lang erwartete neue Korruptionsstrafgesetz wird sich wohl erst kommendes Jahr auswirken. Wesentliche Neuerungen sind die Strafbarkeit von Mandatskauf und höhere Strafrahmen bei schwerer Korruption.

Wobei jeder Strafrahmen eine Verurteilung voraussetzt. Und die sind seltener, als man eigentlich annehmen möchte. Gerade hat Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser eine umfangreiche Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eingebracht: Wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme in der Buwog-Affäre war er (nicht rechtskräftig) zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Gleichzeitig gilt dieses Urteil auch als letzter großer Erfolg der WKStA, also jener Behörde, die große Korruptionsdelikte aufklären soll. Sie verfolgt ausschließlich schwere Amts- und Korruptionsdelikte, Wirtschaftsstrafsachen mit einem Schaden über fünf Millionen Euro und Bilanzfälschungsdelikte bei größeren Unternehmen. 45 Oberstaatsanwältinnen und -staatsanwälte, alle mit Spezialisierung auf Wirtschaftsrecht, dazu zahlreiche Experten aus dem Finanz-, Wirtschafts- und IT-Bereich, sind dort beschäftigt. Seit geraumer Zeit macht die Arbeit dieser Institution, die sich nicht an einer „Verurteilungsquote“ messen lassen will, de facto Politik in Österreich. Ihre Ermittlungen wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss haben maßgeblich zum Rücktritt von Sebastian Kurz beigetragen, obwohl bis heute kein Verfahren eröffnet wurde.

Beschämende WKStA-Bilanz
Sieht man sich die WKStA-Bilanz an, versteht man, warum die von ihr erreichten Urteile keine Kategorie für die Behörde sind: Vergangenes Jahr standen (laut „Die Presse“) 47 Schuldsprüchen 45 Freisprüche oder Teilfreisprüche gegenüber. Bei 926 Personen gab es Verfahrenseinstellungen, in 229 Fällen leitete man nach „Vorerhebungen“ erst gar kein Ermittlungsverfahren ein. 500 Hausdurchsuchungen und 400 Sicherstellungen gehen 2021 auf das Konto der Behörde. Die Patzer, die der WKStA passierten, sind ebenso legendär wie folgenreich: Ob sie kistenweise Unterlagen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung tragen ließ, ob sie heimlich Dienstbesprechungen aufzeichnete, um Vorgesetzte anzuschwärzen, ob sie die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz aus dem Amt drängte, weil die sie kritisiert hatte, ob Hausdurchsuchungstermine und „Vorhabensberichte“ auf wundersame Weise der Presse bekannt wurden oder ob sie schlicht ein Promi-Verfahren nach dem anderen führte, die alle letztlich in Freisprüchen mündeten – wer ins Visier der WKStA gerät, muss sich freuen, wenn er danach trotz Freispruch gesellschaftlich, emotional und finanziell nicht ruiniert ist. Gerade beschäftigt sie die Justiz mit der sogenannten Inseratenaffäre. Insgesamt zehn Personen beschuldigt die WKStA, allen voran Sebastian Kurz, der sich als sogenannter „Bestimmungstäter“ an Untreue und Bestechung mitschuldig gemacht haben soll, Inserate gegen Berichterstattung getauscht zu haben. Ein einzigartiges Verfahren in der zweiten Republik, wobei Inseratenkorruptionsvorwürfe in Österreich nichts Neues sind. 2013 traf es Bundeskanzler Werner Faymann und dessen Minister Josef Ostermayer, denen vorgeworfen wurde, sie hätten auf Asfinag und ÖBB eingewirkt, große Volumina an Inseraten in reichweitenstarken Boulevardblättern zu schalten. Hier stellte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass auch ein Verfahren gegen den Vorarlberger Landeshauptmann eingestellt werden soll: Der Vorwurf, er habe demjenigen Gefälligkeiten in Aussicht gestellt, der in einer Zeitung des Wirtschaftsbundes inseriert, konnte nicht erhärtet werden.

Auch der Rechnungshof versucht sich als Korruptionsbekämpfer
Nicht nur die WKStA prüft Verdachtsmomente in der Politik. Auch der Rechnungshof spielt eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Korruption, denn er prüft auf mehreren Ebenen: Die Bandbreite reicht von der Vergabe öffentlicher Aufträge über die Parteienfinanzierung (Stichwort: Wahlkampfkostenüberschreitung und Parteispenden) bis zur Postenvergabe im öffentlichen Sektor. Vergangenes Jahr konnte RH-Präsidentin Margit Kraker einen großen Erfolg für sich verbuchen: Das novellierte Parteienfinanzierungsgesetz erhielt die nötige parlamentarische Zweidrittelmehrheit. Die Veröffentlichungspflichten der Parteien wurden mit dem Gesetzespaket erheblich erweitert. Die Eckpunkte: eigene Wahlwerbungsberichte; in den Finanzberichten sind auch die Schulden und Vermögen einer Partei auszuweisen. Bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten kann der RH direkt in die Parteifinanzen Einschau halten. Auch höhere Strafen für Verstöße gegen die Wahlkampfkostenobergrenze, verschärfte Spendenregelungen, die Einführung eines öffentlichen Parteienregisters sowie ein grundsätzliches Spendenannahmeverbot für parlamentarische Klubs und Parteiakademien gehören zum umfangreichen Paket. Ein zusätzlicher, wesentlicher Punkt: die Verpflichtung von Bund, Ländern und Gemeinden, alle ab 2023 in Auftrag gegebenen Studien, Gutachten und Umfragen grundsätzlich zu veröffentlichen.

Die EU-Affäre
Vertieft man sich in die Geschichte der Korruptionsfälle, muss man den Eindruck gewinnen, dass man als Spitzenpolitiker prinzipiell mit einem Fuß im Kriminal steht. Die Liste der verurteilten Staatsmänner und Minister weltweit ist Legion. Um nur einige zu nennen: Frankreichs Präsident Sarkozy, sein Vorgänger Jacques Chirac, Kroatiens Ex-Premier Ivo Sanader, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, Brasiliens Präsident Lula da Silva, Argentiniens Ex-Präsidentin Fernandez de Kirchner oder Imelda Marcos, um nur einige zu nennen. Immer wieder machen auch EU-Abgeordnete wie der Österreichische Ex-Minister Ernst Strasser im Zusammenhang mit Korruption von sich reden. Auch in der Gegenwart beschäftigt Korruption die EU: Mitte Dezember wurde bekannt, dass die EU-Vizepräsidentin Eva Kaili und fünf weitere Personen festgenommen worden waren, so auch ihr Lebenspartner Francesco Giorgi, der italienische Ex-EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri oder der Boss des internationalen Gewerkschaftsbundes, Luca Visentini. 1,5 Millionen Euro wurden sichergestellt. Der Verdacht: Katar und Marokko hätten sich ein Netzwerk korrupter Beamter und Abgeordneter aufgebaut, um auf politische Prozesse Einfluss auf die EU-Politik nehmen zu können.

Auftragsvergaben als Gefahr für Integrität
Eine viel beachtete Gefahr für die Integrität des Staates ist natürlich die Vergabe öffentlicher Aufträge. Einer der führenden Vergaberechtsexperten ist der steirische Jurist Martin Schiefer. Ob er meint, dass hinsichtlich Korruptionsprävention genug getan wird? „Wir waren beim Whistleblowing relativ lange im Verzug, hier haben wir immer noch einige unbestimmte Begriffe, aber die Schritte gehen in die richtige Richtung“, meint Schiefer. Hinweisgeberschutz sei ein maßgeblicher Beitrag, um Korruption besser aufzudecken. Was die Vergabe betrifft: Hier seien mit dem Bundesvergabegesetz 2018 längst fällige Klarstellungen vorgenommen worden, unter anderem hinsichtlich des Begriffes Interessenkonflikt. „Da geht es darum, dass man nicht nur wirtschaftliche Interessen im Auge hat, sondern auch private. Und man muss auch potenzielle Konflikte beachten. Das Gesetz ist sehr auf Compliance ausgerichtet.“ Unbestritten sei aber, so Schiefer, dass, wenn jemand kriminelle Energie habe, er jedes System aushebeln könne. Transparenz sei der Schlüssel zu fairen Vergaben. So sei heute verpflichtend, dass derjenige, der den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag erhalte, auch bekanntgegeben werde.

Ein aktueller Fall, bei dem die Vergabe öffentlicher Aufträge problematisch gesehen wird, ist das sogenannte Beinschab-Tool. Schiefer dazu: „Präzise Regeln und Begriffsbestimmungen sind auch im Korruptionsstrafrecht notwendig. Wenn man sich den §168b StgB genauer anschaut, nämlich die Beeinflussung bei einem Vergabeverfahren, da sieht man, dass das eigentlich ganz klar exekutierbar und auslegbar ist.“ Die Grenzen, bis zu denen in Österreich Aufträge ohne Ausschreibung vergeben werden können, sind scharf gezogen: Aufträge bis zu 100.000 Euro dürfen dank einer speziellen Schwellenwerteverordnung (sie gilt noch bis Juli 2023) des Justizministeriums ohne Ausschreibung und Bekanntmachung vergeben werden, obwohl eine gesetzliche Richtlinie eigentlich nur 50.000 Euro vorsieht. Eher ein Vorteil als ein Nachteil, meint Schiefer: „Kleine Gemeinden haben keine eigene Beschaffungsabteilung. Jede Beschaffung ist eine ziemliche Herausforderung. Darum sind Direktvergaben nicht selten durch interne Compliance-Richtlinien geregelt.“ Das Vergaberecht sieht Martin Schiefer im Gegensatz zu denen, die darin einen komplizierten bürokratischen Hemmschuh bei Auftragsvergaben sehen, ausgesprochen positiv: „Nachhaltigkeit, Compliance und Innovation haben im Vergaberecht einen hohen Stellenwert, was eine ungeheure Chance darstellt. Es ist wie beim Tennis: Das Racket, der Platz, der Wind und das Licht sind meistens nicht schuld daran, wenn man eine Partie verliert. Das ist im Vergaberecht auch so. Es hat alle Elemente, um sozial, ökologisch, nachhaltig zu beschaffen. Wir können diese Regeln verwenden, um die Welt besser zu machen. Oder wir können darüber lamentieren, dass das halt alles ein wenig umfangreich ist. Aber wenn wir die Regeln beherrschen, dann kann man wirklich die Gesellschaft gestalten.“

Insgesamt zeigen die Dimensionen von Korruption und Untreue, dass diese Phänomene eine erhebliche Bedrohung für die Integrität und Stabilität von Institutionen und Gesellschaften darstellen und trotz der Unzulänglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden ein entschlossenes Handeln erfordern, um sie zu bekämpfen.
Die Faktoren für die de facto nicht vorhandene Erfolgsquote der WKStA sind meist unzureichende Beweise. An den Ressourcen, Gesetzen und Richtlinien zur Bekämpfung von Korruption kann es nicht liegen. Trotzdem muss sichergestellt sein, dass die Bekämpfung von Korruption eine Priorität der Justiz bleibt.                               
                                                                                                                   
Fazitthema Fazit 191 (April 2023), Foto: Unsplash/Markus Spiske

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