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Vom Glück der Erde

| 5. Juli 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 194, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

1973 gegründet, feiert die Reitschule Hoffmann in Fernitz, südlich von Graz, heuer das 50-jährige Jubiläum. Gründer Ludwig Hoffmann hat damit eine reiterliche Institution geschaffen, auf deren Schulpferden zahlreiche Reiterkarrieren begonnen haben. Insbesondere der Dressursport in der Steiermark hat davon profitiert. Dieser Text ist auch für Nichtreiter geeignet.

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Es gibt tatsächlich den Begriff Hippologie, die Lehre vom Pferd. Dass Pferde eine Wissenschaft sind, war zu befürchten – das ist zumindest die Erkenntnis eines Nichtreiters nach dem Besuch einer Reitschule. Aber mit reiner Theorie macht man im Reitsport keine großen Sprünge. Wenn man allerdings das Glück hat, von einem ausgewiesenen Pferdefachmann in die Materie eingeführt zu werden, bekommt man zumindest eine Ahnung von der Praxis. Und Ludwig Hoffmann ist immer gut für griffige Sprüche und aphoristische Lehrsätze, wie zum Beispiel: Was ist Theorie? Wenn‘s klappen soll und es klappt doch nie. Was ist Praxis? Frag nicht so dumm – wenn‘s klappt und keiner weiß warum. Der 73-jährige ist ein gestrenger Mann der alten Schule, was nicht nur Anfängern zugutekommt und der Erfolg gibt ihm wohl recht. Unter seiner Führung gelang es fünf Reitern an einer Europameisterschaft teilzunehmen, mehr als zehn Reiter wurden österreichische Staatsmeister in verschiedenen Klassen und 40 Reiter wurden steirische Landesmeister. Er selbst bestritt unzählige Dressur- und Springturniere und wurde dreimal steirischer Landesmeister. Bei allen Erfolgen ist er aber nie zufrieden. Auf die Frage, ab wann man sagen darf, dass man reiten könne, lautet seine Antwort: »Nie. Aber man kann es bis zu einem gewissen Grad erlernen.«

Foto: Heimo Binder

Futtermittelpreise verdoppelt
Ludwig Hoffmann ist als ehrenamtlicher Multifunktionär nicht nur Präsident des Steirischen Pferdesportverbands und der Steirischen Ländlichen, sowie des RC Auhof-Fernitz, sondern auch Vizepräsident des Österreichischen Pferdesportverbands, dessen Präsidentin die Dressurolympiasiegerin von 1980, Elisabeth »Sissy« Max-Theurer, ist. Weiters ist er staatlich geprüfter Reitlehrer, Dressur- und Springrichter und gerichtlich beeideter Sachverständiger in allen Pferdeangelegenheiten. Insgesamt sind es zwölf Ämter: »Ich mache das gern, das ist es mir einfach wert. Nur als internationaler Richter möchte ich nicht tätig werden, dafür fehlt die Zeit.« Beleg dafür ist der Umstand, dass er seit mindestens 30 Jahren nicht auf Urlaub war. Kein Wunder, eine Reitschule hat das ganze Jahr über geöffnet und die 18 Schulpferde wollen täglich versorgt und bewegt sein, so wie auch die 35 von Privaten eingestellten Pferde, die für 630 Euro im Monat Anspruch auf Vollpension haben. »Davon bleiben gerade einmal 50 bis 60 Euro im Monat übrig«, erläutert Hoffmann. Unter anderem deshalb, weil die Preise für Futtermittel seit Beginn des Ukrainekriegs sich verdoppelt haben. Immerhin, so lernen wir, braucht ein Pferd pro Tag 15 bis 20 Kilogramm Stroh zum Einstreuen und 10 bis 15 Kilogramm Heu sowie drei bis sechs Kilo Kraftfutter zum Fressen. Und natürlich einen Pfleger, der sich darum kümmert. Mit dem Schul- und Einstellbetrieb wird ein Umsatz von 360.000 Euro erwirtschaftet. Der Ausfall des Schulbetriebs während der Pandemie war ein veritables Problem, konnte aber einigermaßen gemeistert werden, wie Hoffmanns Frau Claudia erklärt. Sie ist als Übungsleiterin eine der Mitarbeiterinnen, die den Betrieb am Laufen halten. Dazu gehören noch zwei Pferdepfleger, Reitinstruktorin Paula Seidl sowie Reitlehrerin und Turnierrichterin Marita Stuckel, mit der Hoffmann seinerzeit den Betrieb aufgebaut hat.

Zwei Hallen und zwei Freiplätze
Begonnen hat alles Anfang der Neunzehnsiebzigerjahre im angrenzenden Bauernhof ohne Telefon und Wasser mit einem Plumpsklo. »Im Winter war es eiskalt, im Sommer hat es gestunken.« Hoffmann fühlte sich in seinem Job in der ersten steirischen Reitschule Helmbrecht dermaßen ausgenutzt, dass er sich unbedingt selbstständig machen wollte. Er startete seine eigene Reitschule mit einem Kapital von 2.800 Schilling und ohne Pferde. Da er für die Bank nicht kreditwürdig war, half die Großmutter von Marita Stuckel mit 50.000 Schilling aus, womit zwei Pferde angeschafft werden konnten. Die erste Reithalle war die Wagenhütte des Bauernhofs, die er mit von der Karlau angeforderten Sträflingen in der Folge umgebaut hat. Bereits 1975 baute er die heutige kleine Reithalle im Ausmaß von 20 mal 40 Metern. Im Laufe der Zeit konnte Hoffmann Flächen im Gesamtausmaß von drei Hektar erwerben beziehungsweise pachten. Seinerzeit wurde noch mit acht bis zehn Pferden ausgeritten, zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am Nachmittag. Das geht heutzutage nicht mehr, die Gegend ist zu bevölkert, auch die Bauern rundum wollen nicht mehr jeden Tag soviel Pferde akzeptieren. Das funktioniert für den privaten Bereich mit zwei oder drei Pferden noch immer gut, aber nicht mehr für den Schulbetrieb. Hoffmann: »Ich sah es kommen, dass sich das Geschäft so entwickelt. Die Leute wollen Dressurreiten und Springen, daher habe ich im Jahr 1991 für zehn Millionen Schilling die große Halle gebaut.« Dafür musste er Grundstücke von elf Bauern erwerben »Das war damals die größte Reithalle in der Steiermark.« Die Ausmaße sind beeindruckend: Das Viereck, in dem geritten wird, mißt 20 mal 60 Meter, die Halle selbst 70 mal 30 Meter. Direkt daneben breitet sich der große Springplatz aus, mit einem Ausmaß von 35 mal 70 Metern. Und zwischen den beiden Hallen befindet sich der Dressurplatz. Ein eigenes Kapitel sind die Böden. Sie bestehen aus einer Mischung aus Sand und Vlies, damit die Pferde nicht ins Rutschen kommen. »Der Boden in der Halle hat 30.000 Euro gekostet, der Boden im Freien 50.000 Euro, ohne den Unterbodenaufbau«, so Hoffmann, »und allein heuer musste schon um 10.000 Euro aufgebessert werden.« In den Hallen kommen zweimal pro Tag Beregnungsanlagen zum Einsatz, damit es nicht zu sehr staubt. »Zum Glück haben wir einen eigenen Brunnen.«

Foto: Heimo Binder

Klein-Laxenburg bei Graz
Gerne erzählt Ludwig Hoffmann eine Anekdote mit dem seinerzeitigen Bundesreferenten für Dressurreiten und Piber-Chef Hofrat Heinrich Lehrner, als er 1976 als frischgebackener Dressurreferent – der er bis heute ist – bei diesem mit dem Ansinnen vorsprach, eine Meisterschaft in Fernitz auszurichten. »Dafür ist ein würdiger Rahmen notwendig, so wie Schloss Schwarzenegg bei Wildon«, bekam er als abschlägige Antwort. Aus einer »Gstättn« einen würdigen Rahmen zu machen, war fortan sein Ziel. Er pflanzte Bäume und Hecken, legte Rasen an und setzt bis heute jährlich fast tausend rote Pelargonien. Im wahren Wortsinn eigenhändig. Für die Rasenflächen benötigt Ludwig Hoffmann mit dem »Hoftrack« vier Stunden. Das ist ein Allzweckfahrzeug zum Rasenmähen, Mistausführen, Stroh und Heu abladen und zum Planen der Reitbahnen. Wie lang er zum Heckenschneiden braucht ist unbekannt, bekannt ist aber die Länge: drei Kilometer! Und alles wird mit der Krawatte erledigt. O-Ton: »Ohne Krawatte springt der Track gar nicht an.« Als der Hofrat die Anlage Anfang der Neunzehnachtzigerjahre besuchte, tat er den Ausspruch, über den Hoffmann sich heute noch freut: »Das schaut ja aus wie Klein-Laxenburg.« Inzwischen sind es mehr als 20 Staatsmeisterschaften geworden, die hier abgehalten wurden.

Die Fragen des Laien
Was Sie schon immer über Pferde wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten – hier die Hoffmann‘schen Antworten. Warum lieben junge Mädchen Pferde so sehr? »Mädchen tun gern hegen und pflegen, dahinter steckt der Wunsch nach einem Partner. Jedenfalls haben sich schon viele Väter bei mir bedankt: Es war nicht billig Herr Hoffmann, aber die Tochter hat die blödeste Zeit zwischen 14 und 17 toll überbrückt.« Wie lenkt man ein Pferd? »Durch Biegen und Stellen.« Soll heißen, der Reiter gibt mit der Innenseite der Wade links oder rechts den Impuls zum Biegen in die Rippen des Pferdes, zugleich muss das Gesicht des Pferdes in die Richtung gebracht, also gestellt werden. Klingt einfach? Siehe Theorie und Praxis oben. »Der Hals ist die Balancestange des Pferdes«, sagt er noch. Wenn man den Hals des Pferdes zur Seite zieht, dann bringt man es aus dem Gleichgewicht. In alten Westernfilmen sieht man, wie die Reiter ein Pferd zum Sturz bringen: Sie ziehen den Hals zu Seite, dann stürzt das Pferd über die Schulter. Wie wird man ein Meistermacher? »Fast jedes Jahr habe ich einen, der wie Phoenix aus der Asche kommt und Meister wird.« Offenbar ist es ein Geheimnis, jedenfalls aber bedeutet das, wie oben angeführt, 40 Landesmeistertitel in verschiedenen Disziplinen: Dressur, Springen und Vielseitigkeit. Letztere beinhaltet Geländeritt mit Naturhindernissen, Dressur und Springen. Und die Staatsmeistertitel. Und die Teilnahme an Europameisterschaften. Und reiten auch die Pferde gern? »Man muss wissen, dass das Pferd ein Zehenspitzen- und Fingerspitzengeher ist. Das heißt, das Pferd hat Hände und Füsse und es hat die gleichen Gelenke wie der Mensch. Damit versteht man einiges besser.

Foto: Heimo Binder

Auf allen Vieren liegt das Gewicht wie beim Menschen auf den Händen, also auf der Vorhand. Unsere Aufgabe ist es, im Laufe des Trainings dafür zu sorgen, dass das Pferd die Vorderbeine etwas entlastet. Das heißt, das Pferd muss hinten im Kniegelenk und Hüftgelenk vermehrt beugen lernen , sodass es vorne nicht mehr das ganze Gewicht hat. Denn die Vorderbeine sind wie die Hände beim Pferd schwächer als die Hinterfüße. Wir versuchen durch die Ausbildung das Pferd auch zu schonen. Schließlich wird es durch das Reiten auch belastet. Schonen bedeutet zu versuchen, dass das Pferd immer mehr Gewicht auf die Hinterbeine übernimmt. In der Natur geht das Pferd kreuzhohl mit erhobenem Kopf. Wir als Reiter wollen sitzen können und schauen darauf, dass der Rücken sich aufwölbt und das Pferd mit den Hinterbeinen weit unter dem Bauch vorsteigen kann und dass es in die Knie geht, damit das Gewicht wegkommt. Deswegen muss das Pferd den Kopf nach unten halten.« Warum man immer von links aufsteigt ist klar – weil der links getragene Säbel sonst im Weg wäre. Ab warum scheuen Pferde eigentlich so leicht? » Zum einen sind Pferde Fluchttiere, zum anderen hat ein Pferd einen anderen Blickwinkel, weil es die Augen seitlich hat. Es kann dem linken Auge nicht vermitteln, was es mit dem rechten bereits gesehen hat und umgekehrt. Daher schreckt es sich, wenn man von der, für das Pferd ungewohnten Seite an einem Störfaktor vorbeireitet, den es schon längst kennt und akzeptiert hat. Die rechte Gehirnhälfte kann der linken nicht sagen: Das hast Du schon gesehen.« Fazit vom Fazit: Wieder was gelernt.

Reitschule Hoffmann GmbH
8272 Fernitz bei Graz
Johannes-Kepler-Straße 42
Telefon +43 664 4422805
auhof-fernitz.at

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