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Ein Blick nach vorn, einer zurück

| 10. Oktober 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 196, Fazitgespräch

Foto: Marija Kanizaj

Seit 1999 war Wilfried Eichlseder an der Montan-Universität Leoben damit beschäftigt, Studienbereiche auf- und auszubauen. Nach zwölf Jahren als Rektor übergibt er nun seinem Nachfolger eine Universität, die er auf Basis ihrer traditionellen Bestimmung von Grund auf neu ausgerichtet hat.

Das Gespräch führten Johannes Roth und Johannes Tandl.
Fotos von Marija Kanizaj.

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Es ist Ende August. Die Gänge und Säle der Montanuni sind noch leer. Das Büro des Rektors ist penibel aufgeräumt. Wilfried Eichlseder tritt morgen seinen Urlaub an, danach übergibt er es offiziell seinem Nachfolger Peter Moser. Eichlseder ist entspannt, er trägt Anzug, aber ohne Krawatte – ein Novum für ihn, verrät er uns, und ungewohnt, eigentlich ganz befreiend.

Neben einem alten Gemälde und einem überdimensionierten Stich von Leoben zieren eine Reihe ausgezeichneter Fotografien aus aller Welt die Wände. Der Rektor hat sie selbst gemacht, Fotografie ist seine Leidenschaft. Unabhängig von ihrem Motiv erzählen die Bilder viel über ihren Autor: Tageszeit und Standort, Licht und Farben sind ebenso sorgfältig gewählt wie Brennweite und Belichtungsdauer.

Man spürt, Eichlseder überlässt ungern etwas dem Zufall. Die Perfektion, mit der die Bilder ausgeführt sind, ist nur zu erlangen, wenn ihr eine tiefe Begeisterung zugrunde liegt. Insofern sind die Fotos eine schöne Metapher für sein Rektorat.

***

Herr Professor, das Interview, das wir jetzt führen, das macht man sonst eher am Anfang eines Rektorats. Bei Ihnen steht es am Ende, es ist also eine Bilanz: Was hat sich verändert in der Zeit, in der Sie Rektor waren?
Inhaltlich war es der große Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Und zwar in Forschung und Lehre. Wir kommen aus dem Bergbau und aus der Metallurgie. Das waren zwei Fächer, 100 Jahre lang. Das hat sich dann weiterentwickelt in Richtung Werkstoffe. In den vergangenen zwölf Jahren haben wir aus der Wertschöpfungskette gesprochen einen Wertschöpfungskreislauf gemacht. Diese »Circular Economy« ist heute in aller Munde. Entlang der Stoffkette wurde auch in unserem Studienangebot der Kreislauf geschlossen – das Recycling zum Beispiel ist als eigenes Studium dazugekommen, das den Stoffkreislauf von Rohstoff, Stoff und Wertstoff ergänzt. In unserem Kreislauf sind aber auch Elemente wie Energie enthalten. Also haben wir auch ein Energietechnikstudium eingeführt. Die liegt uns ja ohnehin – traditionell von der Rohstoffseite her. Ob das jetzt Erde ist oder Kohle, wie es früher einmal war, oder, wie es jetzt ist, Wasserstoff. Ein weiteres zentrales Element ist der Transport – sei es der von Energie oder Gütern. Deswegen haben wir die Logistik unserem Studienangebot beigefügt. Auch Daten müssen transportiert werden. Darum ist ein weiteres zentrales Element die Data Science – auch im Sinne der Digitalisierung. Industrial Data Science, um genau zu sein. Also: Dieser Stoffkreislauf, der angetrieben werden muss durch Einsatz von Energie, durch Transportlogistik und durch Datentransport, der steht an unserer Universität im Zentrum.

Die ursprüngliche Bergbauhochschule hat sich also zu einer Art 360-Grad-Technischen Universität entwickelt.
Zu einer »TU für Ressourcen«, würde ich sagen. Ressourcen sind das, was uns angestammt ist, also die Rohstoffe fossiler und mineralischer Art. Natürlich auch die Ressourcen in Form von Energie. Ich habe die Forschung beschrieben, die sich aber auch in den Studien abbildet. Wir haben in den letzten zwölf Jahren einige neue Studien eingeführt. Wir haben eine Strategie entwickelt und verabschiedet, die wir »Strategie 2030 Plus« nennen. Da ist festgelegt, wohin die Reise geht. Um ein Beispiel zu nennen, der Erdölbereich. Erdöl und Erdgas wird zum Teil ergänzt, durch »Geoenergie«, also alles, was wir aus der Erdkruste herausholen. Wir sprechen auch nicht mehr nur von Erdöl, sondern wir haben mit »Natural Resources«. Das spiegelt sich natürlich auch in den Professuren wider.

Die Strategie 2030 erweitert also den Horizont der Universität. Die entwickelt sich ja seit ihrem Bestehen ständig und rasant weiter.
Richtig. Und zwar in eine Richtung, die der Zeit entspricht. Was wir in der Strategie 2030 Plus ganz oben hingeschrieben haben: Wir wollen zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen. Das ist zum Beispiel die Klimaproblematik, das ist die Ressourcenthematik. Die Klimaveränderungen sind ja eindeutig, wir müssen also eine Methode finden, Kohlendioxid einzusparen bzw. den Ausstoß zu reduzieren. Auf die Ressourcen, das ist uns durch den Krieg in der Ukraine ganz deutlich geworden, können wir aber nicht verzichten.

Foto: Marija Kanizaj

Da darf ich gleich einhaken, vor zwölf Jahren hat die Montanuni eine ökologische Frackingmethode erfunden. Ist das im ausreichenden Maß gewürdigt worden oder steht der politische Wille der Nutzung dieses Verfahrens entgegen?
In Österreich wurde die Methode politisch ausgebremst. Schade, denn in der Forschung sollten solche Themen weiterverfolgt werden. Die damalige Angst vor Schiefergasen und möglichen Folgen beim Abbau, wie Erdbeben, hielt die Politik davon ab, die Bedeutung dieses Verfahrens zu erkennen. Aber es bleibt präsent in Medien und Diskussionen, auch wenn es ruhiger geworden ist. Öl oder Gas werden wegen der Kohlendioxidemissionen konsequent zurückgedrängt. Sie sind aber trotz nach wie vor unverzichtbar.

Ist diese Emissionsangst denn nicht berechtigt?
Doch, die ist gerechtfertigt. Aber – und das wird in der Gesellschaft zu wenig wahrgenommen – wir müssen lernen, Methoden zu entwickeln, fossile Energieträger umweltgerecht anzuwenden. All die Aktivitäten, von denen man glaubt, wir können mit ihnen fossile Energieträger zurückdrängen, werden der Gesellschaft nicht helfen. Das Thema ist ja seit dem Club of Rome präsent, doch die Belastung der Umwelt wurde immer größer statt geringer. Es ist eben sehr schwer durchzusetzen, wenn man sagt, jetzt darfst du nicht mehr fliegen oder nicht mehr Auto fahren.

Was schließen Sie daraus?
Es ist, glaube ich, ein Trugschluss, wenn man meint, Verbote helfen. Wir brauchen Alternativen und dazu brauchen wir Technologie. Ich bin aber insofern zuversichtlich, als die Gesellschaft immer Lösungen gefunden hat. Aber man muss sie suchen lassen, forschen lassen. Unser Fracking etwa, das hätte man weiterentwickeln müssen, fördern müssen, um zu sehen, wie weit es umsetzbar ist, wie gut es funktioniert oder ob es überhaupt nicht funktioniert. Nun fehlen uns eben zehn Jahre – und zehn Jahre sind viel in der Welt, in der wir leben.

Schlägt sich die Bedeutung der Forschung dieser Universität in der Zuteilung der budgetären Mittel nieder? Sind Sie zufrieden?
Man wünscht sich immer mehr, klar. Aber in Summe sind wir eigentlich immer korrekt bedient worden. Nach oben sind die Grenzen offen und wenn Sie uns das Doppelte geben, dann fällt uns immer was ein. Aber es wäre nicht fair, zu sagen, wir seien schlecht bedient worden. Allerdings könnte die Teuerung zu einem Problem werden. Da ist eine Gefahr, dass man da massiv verliert, weil die Energiepreise gestiegen sind. Das kann zu einem ernsthaften Problem führen.

Foto: Marija Kanizaj

Inwiefern könnte das Ihre Universität treffen?
Ich kann es in Zahlen nicht ausdrücken, weil hier sehr viele Faktoren mitspielen. Da geht es zum Beispiel um die Drittmittel. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Drittmitteln, da wird viel von der Wirtschaft finanziert. Die Frage ist, wie stark die einbrechen könnten, weil auch die Firmen sparen müssen. Es wäre schlussendlich ein Riesenproblem für unseren Wirtschaftsraum, wenn wir nicht mehr weiterforschen können. Aber das ist Kaffeesudlesen. Apropos Drittmittel: Wir konnten sie in den letzten zwölf Jahren um etwa 50 Prozent steigern. Daran sieht man schon, wie wir uns weiterentwickelt haben. Auch im Sinne von Transfer des Know-hows hinein in die Wirtschaft, die das dann schlussendlich umsetzt und zum Wohlstand beiträgt.

Drittmittellukrierung und Budgetmittelzuteilung kann auch insofern ein Thema werden, als es eine neue Technische Universität in Linz geplant ist. Inwieweit konkurrieren die Montan-Universität Leoben und diese neue, auf Digitalisierung ausgerichtete Universität?
Wie haben das Ziel, dass diese neue Universität die Bestehenden nicht konkurrenziert. Das kann man jetzt von zwei Aspekten her sehen. Zum einen inhaltlich. Aber das kann man gestalten. Zum anderen geht’s um die Studierenden. Da ist eine neue Universität, die für Digitalisierung steht, natürlich ein Thema. Da werden sich alle technischen Universitäten anstrengen müssen.

In Ihre Rektoratsperiode fielen auch Projekte wie das »Zentrum am Berg« oder das neue Studienzentrum hier in Leoben. Ist Ihnen das immer leicht von der Hand gegangen?
Das Forschungszentrum in Eisenerz, das Zentrum am Berg, das ist wirklich etwas ganz Besonderes, ein Forschungszentrum für Tunnelbau, das ich vom Plan über den Spatenstich bis zur Eröffnung begleitet habe. Es ist einzigartig auf der Welt. Man hat dort die alten Stollen wiederbelebt und aufgedehnt, wir haben dort Eisenbahntunnel, wir haben Straßentunnel. Da fahren wir ein paar hundert Kilometer durch den Berg. Das Investment war gewaltig, zwei Ministerium haben Millionen investiert, das Land Steiermark hat mitbezahlt, wir selbst haben viel Geld hineingesteckt. Und dann haben wir ein Gebäude hier neu errichtet, das Studienzentrum, das wir vor einem Jahr eröffnet haben. Das ist Forschungsinfrastruktur für die Studierenden am neuesten Stand.

Wie haben sich die Hörerzahlen an der Montanuni in den letzten Jahren entwickelt?
Wir hatten bis 2016 einen Riesenanstieg. Dann kam ein Rückgang, der nicht unerheblich war. Erfreulicherweise hatten wir letztes Jahr eine leichte Trendumkehr, heuer ist sie noch deutlicher. Wir sind aber bei weitem nicht dort, wo wir vor sieben Jahren waren. Auch haben wir heuer weniger Ausländer. Zumindest bisher. Da wissen wir noch nicht, warum, wir hatten aber sehr viele Russen hier, das fällt natürlich aus.

Der Austausch mit Russland war ja ziemlich intensiv in den vergangenen Jahren. Inwieweit wirken sich die Sanktionen aus?
Es gibt keine Verbindung mehr zu Russland. Leider. Wir haben noch Russen hier, aber ihre Anzahl ist begrenzt. Sie dürfen nicht ausreisen, aus Angst davor, nicht mehr zurückkehren zu können, da sie dann eingezogen würden. Die Beziehungen zu den institutionellen Einrichtungen wurden abgebrochen. Wir hatten ja eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem UNESCO-Zentrum für Bergbau in St. Petersburg. Der Kontakt nach Russland hätte meiner Meinung nach eine Brücke nicht nur für den wissenschaftlichen Austausch nach diesem Krieg sein können. Leider wurde diese Möglichkeit konsequent beendet, wir mussten uns daran halten. Die politische Bewertung überlasse ich anderen; Fakt ist, dass wir viele wertvolle Kontakte zu russischen Wissenschaftlern verloren haben.

Wie hat sich denn die internationale Ausrichtung der Montanuminstitute in Leoben entwickelt?
Sehr positiv, das ist eindeutig. Wir haben eine internationale Universität hier, eine europäische, »Eureca-Pro« genannt. Da sind neun Universitäten aus dem EU-Raum vertreten, Griechenland, Polen, Deutschland, Rumänien, Spanien, Belgien und Österreich. Wir haben den Lead.

Das ist tatsächlich eine europäische Universität?
Es ist keine echte Universität, es ist ein Verband, der für die Studierenden funktioniert wie eine Universität. Wir haben gemeinsame Lehrveranstaltungen und die Studierenden, die wandern von einer Uni zur nächsten. Es ist eigentlich der Urgedanke der EU und auch des Bolognasystems.

Sie haben Bologna angesprochen, das führt uns zu der Frage, wie zufrieden Sie mit dem Bildungssystem sind. Es ist bekannt, dass die Mint-Fächer sich immer schwerer tun, Begeisterung hervorzurufen
In den letzten 50 Jahren hat die Technik an Image verloren, was bedauerlich ist, denn wir benötigen sie dringend, insbesondere in Bezug auf Umweltprobleme. In den Neunzehnsechzigerjahren galt die Technik als Wegbereiter für Fortschritt. Doch in den Siebzigerjahren begannen die ersten Zweifel durch die Ölkrisen. Das Waldsterben dann in den Achtzigerjahren verstärkte diese Bedenken weiter. Dies führte zu einem schlechteren Image der Technik, obwohl wir alle stark von ihr abhängig sind. Daher wurde die Technik in Schulen vernachlässigt, und das Bildungssystem kann jetzt mit den raschen gesellschaftlichen Veränderungen nicht mithalten. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten so schnell gewandelt, dass kein Schulsystem Schritt halten konnte.

Grundsätzlich hat man den Eindruck, dass Schüler für Bildung immer weniger zu begeistern sind. Es wird auch immer beklagt, dass früher eine Mathematikmatura aussagekräftiger war als heutzutage.
Es ist jedenfalls anders geworden. Und ja, es war früher anspruchsvoller. Es geht ja vermehrt darum, den Text bei einer Mathematikmatura erst einmal zu verstehen. Zur mathematischen Herausforderung kommt auch noch die linguistische. Wir haben sehr viele Mitbürger, die vielleicht nicht Deutsch als Muttersprache haben. Für die stelle ich mir das gar nicht so einfach vor. Mathematik hat aber mit den Formeln eine eigene Sprache. Da ist egal, ob der Mathematiker Russisch oder Deutsch spricht. Ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige Weg ist, alles so stark auf die Sprache auszurichten. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Entwicklung im Schulsystem träge ist, während sich Gesellschaft und Technik rasant weiterentwickeln.

Ihre Studierenden machen überwiegend in energieintensiven Industrien Karriere. Welche Rolle spielt diese Klimakrise in Lehre und Forschung? Wird das in ausreichendem Maß berücksichtigt?
Ganz massiv. Bei vielen unserer Studiengänge wie dem Energietechnikstudium setzen wir stark auf Energieeffizienz als zentralen Inhalt. Alle unsere Fachrichtungen sind gemäß der Strategie 2030 auf Klima- und Energiefragen sowie Kohlendioxidreduzierung ausgerichtet. Ein Beispiel dafür – und zwar eines, das schon sehr lange von uns betrieben wird – ist kohlendioxidfreie Erzeugung von Stahl, die Wasserstoffmetallurgie. Ein anderes sehr schönes Beispiel ist ein neuer Werkstoff, der hier entwickelt wurde: ein Turbinentreibstoff – für den hat es sogar den Honda-Preis gegeben. Oder unsere Geologen – die forschen intensiv zum Auffinden von Wasserstoffen in elementarer oder molekularer Form. Also, alle Fachbereiche bemühen sich um den Klimaschutz, alle sind aufgerufen, das in ihre Studien und Forschungsprojekte einzubauen.

Wasserstoff ist ein zentrales Element in der Forschung der Montanuniversität?
Ja. Die Methode zur Gewinnung, auf die wir uns stützen, ist die sogenannte Methanpyrolyse. Das heißt, die Erzeugung von Wasserstoff in großen Mengen aus Erdgas oder Biogas. Denn wir werden Verfahren brauchen, mit denen man sehr viel Wasserstoff herstellen kann. Ein anderes Verfahren wäre die Elektrolyse, an der arbeiten wir ein auch, aber nicht so intensiv wie zum Beispiel Graz das gerade macht. Aber die Pyrolyse – das sind wir! Es gibt nur wenige, die daran arbeiten, aber wir machen das im großen Stil.

Das heißt?
Wir haben zu diesem Thema 20 Dissertationen zur Förderung ausgeschrieben. Inzwischen arbeiten schon 100 Leute am Thema Wasserstoff. Und wir werden dazu eine eigene Versuchshalle haben. In Leoben-Leitendorf haben wir dafür ein altes Firmengelände aufgekauft, sie ist noch in Bau, aber es ist schon relativ viel da.

Foto: Marija Kanizaj

Ist Wasserstoff die Energieform der Zukunft?
Ja, ich glaube schon. Wasserstoff ermöglicht die Speicherung und den Transport von Energie, was beim Strom nur schwer umsetzbar ist. Batterien dienen zwar als Speicher, sind jedoch begrenzt. Der Stromtransport über große Distanzen ist äußerst ineffizient. Norddeutschland hat enorme Offshore-Windparks und viel Strom, doch dieser wird auch in Bayern und Baden-Württemberg benötigt. Der Stromtransport dorthin gestaltet sich schwierig und zeitaufwendig, da der Bau neuer Hochspannungsleitungen Jahrzehnte dauert. Wasserstoff hingegen ist gut transportierbar. Es besteht die Möglichkeit, Strom aus PV-Anlagen in Afrika, wie der Sahara, zu erzeugen, Wasserstoff zu produzieren und zu transportieren. Bei der Pyrolyse ist auch der Kohlenstoff von Interesse, z.B. als Dünger in der Landwirtschaft oder in fester Form als Graphen, ein vielseitiges Material mit großer Oberfläche, das als Speichermedium dienen kann. Unsere Werkstoffexperten arbeiten intensiv an diesen Lösungen, die es uns ermöglichen, uns im Bereich Klima und Energie weiterzuentwickeln.

Sie sind jetzt 67 Jahre, wenn ich das sagen darf. Was gehen Sie noch an?
Die Pension.

Und da ist dann noch diese neue Universität in Linz …
Da bin ich im Gründungskomitee. Abgesehen davon: Sicher, man hat Pläne, im Moment habe ich den Plan, dass ich mal schaue. Ich bin gespannt, was ich am 2. Oktober machen werde, noch bin ich ja Professor. Konkret versuche ich jetzt herauszufinden, wie es ist, wenn man weniger arbeitet. Das meine ich ernst. Ich habe in meinem Berufsleben – 43 oder 44 Jahre – nicht gesehen, wie schön die Berge sind, wenn die Sonne scheint. Darauf freue ich mich jetzt sehr, wirklich. Sicher wird sich da und dort etwas ergeben, eben wie das IDSA, das »Institute of Digital Sciences Austria«, das Sie angesprochen haben. Und da und dort bin ich noch in Gremien. Ich versuche allerdings, das zu reduzieren.

Sie versuchen also, in der Pension Freizeit zu lernen.
Ich versuche, Freizeit zu lernen. Ich möchte endlich einmal, wenn das Wetter schön ist, wochentags spontan in die Südsteiermark fahren. Einfach anrufen und fragen, ob da ein Hotel frei ist. Bei mir ist ja bislang alles durchgeplant. Jetzt fahre ich zum Beispiel nach Irland und selbst da hab ich einen Plan, der hat 20 Seiten. Da ist jede Fahrt festgehalten, jedes Motiv, die Uhrzeit, wenn ich es fotografieren will. Und der Plan, wann der Mond auf- und niedergeht und die Sonne.

Herr Eichlseder, vielen Dank für das Gespräch.

*

Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder wurde 1956 in Steyr geboren. Nach der Matura studierte er Maschinenbau an der Technischen Universität Graz. 1981 begann er seine Karriere in der Forschungsabteilung von Steyr Daimler Puch. Er blieb dem Unternehmen bis zu seiner Berufung als Professor für Allgemeinen Maschinenbau an der Montanuniversität Leoben im Jahr 1999 treu. An der Montanuni baute er zunächst den Forschungsschwerpunkt Betriebsfestigkeit und Tribologie auf. Von 2011 bis Oktober 2023 war Eichlseder Rektor der Montanuni, seit Jänner 2023 ist er Mitglied im Gründungskonvent der TU Linz. Der begeisterte Hobbyfotograf ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Fazitgespräch, Fazit 196 (Oktober 2023), Fotos: Marija Kanizaj

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