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Gut geplant ist halb gebaut

| 10. November 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 197, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Bei der Zwanzigjahrfeier des Unternehmens vor wenigen Wochen waren unter den rund 500 Besuchern fast 80 aus dem eigenen Haus. Soviel Mitarbeiter zählt das 2003 von Thomas Lorenz gegründete Ingenieurbüro mittlerweile bereits. Damit gehört es österreichweit zu den größeren Betrieben in der Branche. »Wir machen anspruchsvolle Architektur möglich«, lautet das Motto auf der Website des Unternehmens. Wie, das lesen Sie hier.

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Die Schlüsselworte des Ziviltechnikerunternehmens müssten in erster Linie »Planung« und »Berechnung« lauten. Als Ziviltechniker werden Dienstleistungen angeboten und keineswegs ausführende Arbeiten am Bau selbst. Hierbei herrscht gemäß Ziviltechnikerkammergesetz eine strenge »Gewaltentrennung« gegenüber der Bauausführung. »Das Motto der Website heften wir uns an die Fahnen«, so Thomas Lorenz. »Wenn wir einen Entwurf bekommen, sorgen wir für dessen Umsetzbarkeit. Wenn er technisch noch nicht ganz ausgereift ist, bringen wir das in eine technische Ordnung. Ferner schauen wir auch darauf, dass es von der Wirtschaftlichkeit her ins Budget passt. Bereits ab dem ersten Wettbewerbsentwurf machen wir eine Kostenermittlung.« Damit wird verhindert, dass sich ein Projekt im Nachhinein als viel zu teuer herausstellt – was ja nicht ganz so selten der Fall sein soll. »Das passiert bei uns nicht, weil wir sehr früh in die Kosten eingreifen, so dass man noch reagieren kann. Ein Beispiel für so eine Kostenschraube ist etwa die Fassade eines Gebäudes, die man anpassen kann, wenn sie sich als zu teuer erweist«, so der Fachmann. Bei der Landespolizeidirektion in Straßgang etwa war Lorenz nicht zuletzt wegen des strengen Kostenmanagements, aber auch weil ausführende Firmen günstiger angeboten haben, letztendlich sogar »unter Budget«. »Was für uns selbst schließlich aber gar nicht so toll war, denn unser Honorar bemisst sich ja an den Baukosten«, erläutert er augenzwinkernd. Gemeint sind damit jene Firmen, die aufgrund der Bauausschreibung des Ziviltechnikers zum Zug kamen. Die zu erbringenden Leistungen werden im sogenannten Leistungsverzeichnis definiert, dann wird ausgepreist und in der Folge an den Billigsten vergeben: »Wir führen also nicht aus, sondern wir bereiten die Dokumente für die Angebotslegung der Firmen vor, liefern Ausführungspläne für den Bau und überwachen die Bauumsetzung im Idealfall auch noch.«

Planen statt bauen
Nichtbranchenkenner dächten oft noch an den alten Zivilingenieur von vor 20 Jahren, der neben der Planung auch noch ausführen, also auch bauen durfte. Diese Zeiten sind vorbei, auch in der Kammer der Ziviltechniker, dort wird zwischen Architekten und Ingenieurkonsulenten getrennt.

Lorenz erklärt: »Unsere Aufgabe ist es, das Projekt einerseits technisch, andererseits von der Kostenseite her zu ermöglichen. Dafür ist es wichtig, die richtigen Experten zu finden, das heißt ein entsprechendes Planerteam zusammenzustellen. Angefangen beim Architekten, über den Brandschutz und die Bauphysik, bis hin zum Tragwerksplaner und so weiter, die dann alle »im Konzert« mitarbeiten. Das ist dann die sogenannte Generalplanung.« Dazu gehören etwa auch die Organisation von Besprechungen, die Protokollführungen oder die Erreichung des Kostenziels. Als Generalkonsulent hingegen besorgt der Ziviltechniker über die Generalplanung hinaus auch die Bauüberwachung bis zum Schluss. Sozusagen »alles aus einer Hand« bis zur Fertigstellung. Das ist zum Beispiel der Fall bei einem Projekt für die Knapp AG. Das machen vor allem private Bauherren gern. Hingegen hat der öffentliche Auftraggeber die Devise der Gewaltentrennung zu befolgen, wonach Planung und Überwachung getrennt sein müssen. Ein Beispiel war der Med-Campus in Graz, wo Lorenz nur die Bauüberwachung innehatte, denn die Bundesimmobilien-Gesellschaft unterliegt als Auftraggeber dem Vergabegesetz und trennt diese Aufgaben daher immer.

Die Aufgaben
Schlagwortartig umfassen die Leistungen der Thomas Lorenz ZT GmbH folgende Aufgaben: Als Gerneralkonsulent wird alles aus einer Hand geboten, mit der Projektsteuerung wird für die organisatorische, technische und wirtschaftliche Koordination gesorgt, die Generalplanung stellt einen zentralen Ansprechpartner zur Verfügung, die Hochbauplanung bietet eine modellbasierte dreidimensionale Planung inklusive virtuellem Spaziergang durch das Projekt, die Tragwerksplanung garantiert die notwendige Statik und die örtliche Bauaufsicht die Gewissheit, dass das Projekt wie geplant umgesetzt wird. Lorenz: »Von der Ursubstanz her sind wir zum Großteil Tragwerksplaner. Um das Tragwerk herum haben sich im Laufe der Zeit dann die anderen Leistungsbereiche entwickelt. So auch die Bauüberwachung, wie schon vor 20 Jahren beim Flughafentower in Wien.«

Das war das erste große Projekt, mit dem das Unternehmen gleich zu Beginn seiner Gründung großes Renommee errungen hat. Lorenz: »Der Flughafentower war sicher ein Schlüsselprojekt, das uns großgemacht hat, ein öffentlich sehr wirksames Gebäude.« Seither hat sich das Unternehmen enorm entwickelt. Im Vorjahr steigerte sich der Gesamtumsatz des Unternehmens auf zehn Millionen Euro, davon rund 1,5 Millionen für Fremdleistungen. Es erzielte somit eine interne Betriebsleistung von rund 8,5 Millionen Euro. Lorenz: »Das ist bei 80 Mitarbeitern in der Branche ein sehr guter Wert.« Übrigens mit einem vierzigprozentigen Frauenanteil, was nicht zuletzt der Lehrtätigkeit von Thomas Lorenz an der TU und an der FH-Joanneum in Graz geschuldet ist: »Das ist sehr hilfreich bei der Personalakquisition«. Für rund 100 Projekte wurden im vergangenen Jahr rund 115.000 Stunden geleistet. »Vom Volumen her machen wir fast die Hälfte mit der Tragwerksplanung, ein Viertel mit der Bauüberwachung, das restliche Viertel mit Generalplanung inklusive einer kleinen Hochbauabteilung«, so Lorenz.

Minderheitsgesellschafter
Der Gesellschafterkreis wurde 2023 von acht auf elf Personen erweitert. Thomas Lorenz ist seit September nur mehr Minderheitsgesellschafter. Neben ihm fungieren Roland Reichl und und Jürgen Kraker seit 2015 als Co-Geschäftsführer in der Raiffeisenstraße, wo sich das Unternehmen seit über zehn Jahren im »Haus der Ingenieure« befindet. Da das Haus mittlerweile zu klein geworden ist, wird eine Innenstadtfiliale in der Kaiserfeldgasse, in der ehemaligen Raiffeisen-Landesbank eröffnet. Auch in Wien gibt es eine kleine Niederlassung, weil auch dort Aufträge bestehen. Es sind inzwischen viele Aufträge auf der Referenzliste des Unternehmens. Etwa Bauvorhaben der Knapp AG, der Merkur-Campus Graz, AT&S in Leoben, die Tabakfabrik in Linz, die Radiologie im LKH Graz, zwei Koralmbahnbahnhöfe, das Styria Media Center, diverse Infrastrukturprojekte, aber auch eine Standseilbahn in Aserbaidschan, ein Wohnpark in Estland oder der OIC-Tower in Saudi-Arabien, der allerdings nicht realisiert wurde oder aktuell die Neuerrichtung des Graz Center of Physics (Haus der Physik) am Gelände der ehemaligen Uni-Vorklinik, die eben abgerissen wird.

»Bim«, eine Bauwerksdatenmodellierung
Ein wesentliches Rolle im Unternehmen spielt das sogenannte »Bim« (Building Information Modeling), eine digitale Arbeitsmethode zur Optimierung von Planungs-, Bau- und Nutzungsprozessen, die zu einem technologischen Quantensprung im gesamten Bauwesen führen könnte – zumindest wenn es jeder oder möglichst viele anwendeten, was wiederum zurzeit nicht sehr realistisch erscheint. Doch im Hause Lorenz wird seit Jahren damit gearbeitet und die Begeisterung ist groß. Lorenz: »Bei uns ist aus dem 2D-Zeichenbüro die digitale Modellbauwerkstatt geworden.«

Ab Projektbeginn wird ein digitales 3D-Modell des Gebäudes am Computer erschaffen. Es enthält nicht nur die Geometrie, sondern etwa auch Informationen zu Qualität, Kosten und Terminen je Bauteil. Bei Veränderungen wie zum Beispiel dem Verschieben eines Raumes, sind alle sofort am selben Stand. Denn alle arbeiten am selben zentral gespeicherten Modell. Das ermöglicht den Teammitgliedern eine transparente Kommunikation in Echtzeit und eine schnelle und flexible Projektabwicklung. Potentielle Komplikationen können im Voraus erkannt und behoben werden, was zu keinen Änderungen während der Bauphase und zu Zeit- und Kostenersparnissen führt. Das digitale Modell dient auch als umfassende Dokumentation des Bauprojekts. Es bildet die Kostenentwicklung und den Projektfortschritt ab sowie alle Entscheidungen und Änderungen, die während des Projekts passieren. So kann nach der Fertigstellung neben dem umgesetzten Bauprojekt auch ein virtuelles Zwillingsgebäude übergeben werden, dass eins zu eins der realen Vorlage entspricht. Thomas Lorenz: »Das Modell enthält also nicht nur alle geometrischen Daten, sondern auch alle Informationen, die auch wichtig sind: Art des Materials, Mengen und Kosten – es werden sämtliche baurelevanten Informationen dort hineingepackt. So dass man im gesamten Planungs- und Bauprozess mit dem Modell arbeiten und es vielfältig verwenden kann. Man kann zum Beispiel herauslesen, wieviel Kubikmeter Beton welcher Sorte in dem Bauwerk verankert sind. Ein anderes Beispiel ist die Möglichkeit der Dokumentation des Baufortschritts am Modell. Der Polier hat keinen Bautagesberichtzettel mehr in der Hand, sondern geht direkt in das Modell, klickt etwa eine Wand an und gibt die Information ein, dass die Wand heute betoniert wurde. Damit ist der Bauablauf digital erfasst und man kann ihn jederzeit wie einen Film ablaufen lassen und erkennen, ob ob man »im Soll« ist oder ob es eine Verzögerung wegen Regens oder sonstige Behinderungen gab. Die Erkenntnis von Bauherrn, dass sie mit diesem Modell im Betrieb, also in der Bewirtschaftung des Gebäudes auch unendliche Möglichkeiten haben, steckt aber noch in den Kinderschuhen.«

Virtuelle Zwillingswelt
Zumindest für den Laien faszinierend ist etwa die Möglichkeit einer virtuellen Begehung eines noch nicht existenten Gebäudes – des Zwillings – mit einer VR-Brille, bei der man zum Beispiel später unkorrigierbare Umstände wie zu kleine Räume oder schlecht platzierte Fenster und Türen rechtzeitig erkennen kann. Wenn das Gebäude dann tatsächlich real existiert, kann über den Mehrwert, den die digitale Reichweite und Tiefe von »Bim« generiert, nur gestaunt werden: Sollte zum Beispiel nach einigen Jahren irgendein Teil wegen Beschädigung oder Abnutzung ausgetauscht werden müssen – und sei es nur eine Halterung oder eine Glühbirne – so informiert eine Datenbank über jedes Detail wie Abmessung, Seriennummer, Alter, Preis oder Herkunft und wo es nachbestellt werden kann – sogar die Bestellung kann automatisiert werden.

Nach der ersten dreidimensionalen Schalung für ein Warmwalzwerk 2011 in den Vereinigten Staaten war ein Auftrag für die Knapp AG ziemlich sicher die erste volldigitalisierte Baustelle Österreichs. Was 2019 auch preigekrönt wurde. »Die Umstellung auf »Bim« war zwar teuer, aber wir haben unsere Arbeitsweise verbessert und gestrafft und ich glaube, dass wir das wegen der gestiegenen Produktivität schon längst wieder herinnen haben.«, so Thomas Lorenz.

Thomas Lorenz ZT GmbH
8010 Graz, Raiffeisenstraße 30
Telefon +43 316 819248
tlorenz.at

Fazitportrait, Fazit 197 (November 2023) – Fotos: Heimo Binder

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