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Mit neuem Schwung

| 10. November 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 197, Kunst und Kultur

Foto: Lorenz Seidler

Das (!) österreichische Filmfestival gibt es seit Kurzem mit neuer Festivalleitung. Ein schnelles und intensives Beschnupperungsgespräch mit dem nagelneuen Leitungsduo Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh.

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Ein schnelles und intensives Beschnupperungsgespräch mit dem nagelneuen Leitungsduo Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh.

Welche Neuerungen im Festivalbetrieb wird es geben?
Das Modell der Diagonale hat sich viele Jahre bewährt. Man muss also nichts radikal verändern, das Herzstück war und ist der österreichische Film. Aber wir werden durchaus Neuerungen durchführen: So beginnen wir am Donnerstag und enden am Dienstag, damit ergibt sich schon mal eine neue Gestaltungsdramaturgie. Inhaltlich haben wir natürlich Novitäten zu bieten: Etwa neue Spezialprogramme, 2024 unter anderem ein »Tribute« an eine österreichische Filmemacherin, die zu den Pionieren des Experimentalfilmes gehört. Zudem wird es ein historisches »Special« und eine zusätzliche Personale geben – da werden wir auch internationaler.

Was ist das spezifisch Österreichische bzw. das Nichtösterreichische am österreichischen Film?
Da ist man gefährlich schnell bei Stereotypisierungen. Es gibt jedoch bestimmte Traditionen, die immer wieder auftauchen, das Erbe des Katholizismus oder der typische österreichischen Humor, der oft etwas Triebgesteuertes hat. Regisseure wie Ulrich Seidl und Michael Haneke haben lange das Bild nach außen bestimmt. Diese »Brandings« sind unserer Meinung nach Ausläufer: Wir orten eine jüngere Generation, deren Themen auch »heller« sind und nicht mehr so stark nach innen gerichtet. Das wirklich Spezielle am heimischen Film ist wohl auch eine typisch hybride Form, die durch ein stabiles österreichisches Fördersystem gestützt wird. Das Verwischen von Fiktion und dokumentarischem Arbeiten, was in Richtung Filmessay geht, ist ein österreichisches Spezifikum.

Ist die Diagonale dazu da, Vorgaben zu machen oder ist sie eher Bestandsaufnahme?
Das Wort »Bestandsaufnahme« trifft es wohl eher, wobei stets der gesellschaftspolitische Hintergrund wichtig ist. Natürlich geht es uns darum, ungewöhnliche Positionen sichtbar zu machen, Nachwuchs und Talentierte zu internationalisieren und zu vernetzen. Unsere Hauptaufgabe ist es, Potenziale zu »sehen«, herzuzeigen und dafür einen zu Raum schaffen. Wir wollen ein Entdeckerfestival sein.

Wie geht man mit dem Publikumsschwund im Kulturbereich um?
Man ist permanent bemüht, neue Schichten anzusprechen. Wenn das Publikum wegbricht, muss man reagieren, wobei die Diagonale immer schon niederschwellig gearbeitet hat. Trotz alledem wollen wir proaktiv am Publikum von morgen arbeiten. Einige Maßnahmen im Rahmenprogramm sollen helfen, zum österreichischen Film hinzuführen – auch unterm Jahr.

Abschließend: Was erwarten Sie sich konkret von der derzeitigen Kulturpolitik?
Wir erhoffen uns, dass die neue Filmförderstruktur weiter ausgebaut wird. Eine wichtige Maßnahme war zum Beispiel »ÖFI+«, woraus neue Koproduktionsmöglichkeiten entstanden sind. Ein anderer Aspekt ist die Streuung des Förderwesens. Es geht nicht nur darum, in Langfilme zu investieren. Die im österreichischen Kulturministerium angesiedelte Förderstelle für »Innovativen Film« hat ein Alleinstellungsmerkmal im Förderwesen. Die Unterstützung von experimentellen, teils hybriden Formen ist ein wirkliches Asset. Etliche Ergebnisse sind als Erfolgsnachweis auf der Diagonale zu sehen und mitunter international erfolgreicher als Langfilme, daher wäre auch eine Erhöhung dieses Budgets anzustreben. Wir wollen zudem die kulturpolitischen Debatten um Arbeitsbedingungen in der Filmbranche, »Me too« und den »Gender pay gap« forcieren. Hier hat Österreich noch viel Nachholbedarf.

diagonale.at

 Alles Kultur, Fazit 197 (November 2023), Foto: Lorenz Seidler

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