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Musik aus dem Hintergrund

| 10. November 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 197, Fazitbegegnung

Foto: Andreas Pankarter

Gerd Schuller ist aus der Grazer Musikszene nicht wegzudenken. Dabei reicht sein Horizont vielleicht hintergründig, aber weiter als jener von vielen mit bekannteren Namen. Er ist nicht einfach weltberühmt in Österreich, er ist einfach erfolgreich. Das liegt nicht nur daran, dass er bereits 70 Jahre auf der Welt ist, sondern auch daran, dass er von 1985 bis 2020 an der Kunstuni Graz Keyboard, Poparrangement und Filmmusikkomposition unterrichtete, wovon unzählige Studentengenerationen profitierten. Oder daran, dass er als gefragter Studiomusiker – um nur ein Beispiel von sehr vielen zu nennen – beim »Großvater« von STS das Klavier bediente.

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Insbesondere aber liegt es daran, dass er komponieren kann. Was mit Werbespots etwa für Kastner & Öhler und Hornig-Kaffee begann, setzte sich fort mit Signations für N-TV, Premiere, ORF oder Radio Steiermark sodann mit Filmmusik und gipfelte schließlich in den Kennmelodien und Filmmusiken für »Schloßhotel Orth«, eine der erfolgreichsten und längsten Serien mit 155 Folgen im deutschsprachigen Fernsehen oder für »Kommissar Rex«, eine international gefragte Serie mit 85 Folgen. Es ist schon ein Glück, bei derartigen »Dauerbrennern« mit an Bord zu sein: Man muss gar keinen Welthit für die Charts kreiert haben, um beim AKM-Ranking ganz oben mitzumischen – soviel zum Thema Tantiemen. Auch Beziehungen spielen bei solchen Aufträgen keine Rolle: Der Komponist Gerd Schuller hat in beiden Fällen jeweils einen Wettbewerb gewonnen – soviel zum Thema Talent. Über seine Kompositionen führt er genau Buch, so weiß er heute, dass es rund 600 sind.

Angefangen hat es für den Sohn eines Kapellmeisters schon in seiner Schulzeit am Gymnasium in Villach. In der Nikolaikirche war damals die sogenannte Jazzmesse modern, Schuller spielte die Hammondorgel: »Dafür gab es 50 Schilling.« Mit vier Jahren beschloss er Musiker zu werden, mit fünf spielte er Akkordeon, mit acht Trompete und erst mit 14 entdeckte er das Klavier für sich.

Nach der Matura übersiedelte er nach Graz, um an der Universität für Musik und darstellende Kunst bei Harald Neuwirth an der Jazzabteilung Jazzklavier zu studieren. Angesichts seines Repertoirs von Rock bis Jazz, vom Musical bis zur Volksmusik ist klar – der Mann ist ein Allrounder. Wenn er in seinem neu ausgebauten Musikstudio in Wetzelsdorf in die Tasten greift, zaubert er sowohl am analogen Bösendorfer-Flügel wie auch an der Hammondorgel aus den Neunzehnsiebzigerjahren und natürlich am digitalen Midi-Keyboard, dessen Tastatur sich zwischen Bildschirmen und unzähligen Knöpfen und Schaltern des Mischpults versteckt, Musikgebäude und Klangwelten hervor, die – die mich an den, vor mehr als zehn Jahren formulierten, vierten meiner acht Wünsche für das nächste Leben gemahnen: »Musikalität (singen können und sich getrauen)«. Und den ich nunmehr ergänzen möchte um den Zusatz »und komponieren können«.

Noch besser als die Rolle des Stars (z.B. Sammy Davis Jr.) ist jene des Komponisten (Udo Jürgens, »Illusionen«, Sammys Abschiedslied bei seinen Shows), denn immer wieder arbeiten muss nur ersterer. Hier offenbart sich einer der Mehrwerte der Fazit-»Begegnung« als unverbindlicher Ratgeber, diesfalls punkto Berufswahl, Talent allerdings vorausgesetzt. Diese Erkenntnis hatten auch Gerd Schullers drei Söhne. Gunther (40) ist Keyboarder bei den »Old School Basterds«, Gerald (38) spielt in mehreren Formationen und unterrichtet Schlagzeug in Wien, Julian (30) ist Musikproduzent in Los Angeles und heimste heuer einen Award beim Houston-Filmfestival für musikalisches Sounddesign ein. Tochter Lisarah (21) spielt zwar auch Schlagzeug, studiert aber Slawistik (Russisch) in Graz. Gerd Schullers Ehefrau Karin ist Bühnenbildnerin und für die CD-Covergestaltungen sowie für Werbung, Facebook & Co zuständig.

Zurzeit arbeiten der Komponist und Julian über die Arbeitsgemeinschaft »Atmosymphonik“ am Sounddesign für einen Film über Sri Lanka (»Walking On Fire«) von Produzent Edi Oleschak, einem Steirer in Hollywood. Und weil Musik seine Passion ist, denkt der Kulturpreisträger der Stadt Villach, sowie Träger des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Steiermark nicht an Ruhestand, sondern tourt unter anderem mit seinen Söhnen Gerald und Gunther als »Schuller & Söhne« durch die Lande und hat eben das Musiktheater »Erzherzog Johann« mit dem Librettisten Joachim Vötter fertiggestellt: »Ein Musical, eigentlich eher eine Operette.«

Gerd Schuller wurde am 16.März 1953 in Villach als Sohn deines Kapellmeisters aus Bad Bleiburg geboren. Nach der Matura studierte er Klavier in der Jazzabteilung an der heutigen Grazer Kunstuni, wo er später selbst einen Lehrauftrag hatte. Der erfolgreiche Komponist (»Kommissar Rex«) spielte bei Wilfried, Boris Bukowski, Carl Peyer oder STS Klavier/Keyboard und in eigenen Bands (Attack, Keytrio, B3) und bespielt zurzeit unter anderem mit zwei seiner Söhne als »Schuller & Söhne« die Bühnen.

Aktuelle Auftritte: am 28.11.2023 Rhythm & Sound (4 Pianisten, Drums, Bass) im Congress Center Leoben. Sowie am 5. und 6.12.2023 Akkustiktrio featuring Tony Bulluk im »Tubes« in Graz.

Fazitbegegnung, Fazit 197 (November 2023) – Foto: Andreas Pankarter

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