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Klein und fein

| 10. Januar 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 199, Serie »Erfolg braucht Führung«

Carola Payer im Gespräch über den Mut zum kleinen Angebot mit den Restaurantbetreibern Mark Kozissnik und Adele Funder.

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Das »Leaf« in St. Radegund bei Graz ist ein Wirtshaus der besonderen Art. Nimmt man Platz auf einen der 15 Sitzplätze, erwartet einen keine klassische Wirtshauskarte, sondern ein Degustationsmenü, wo man zwischen drei und sechs Gängen wählen kann. Alle vier bis fünf Wochen wird die Speisekarte angepasst. Die Gerichte richten sich nach dem Gemüse, welches gerade saisonal aktuell ist. Kooperationspartner für die Grundlage der saisonalen Köstlichkeiten ist ein Landwirt in der Nähe. Die aktuelle Speisekarte wird auf der Homepage kommuniziert. Laufkundschaft ist in der Gegend weniger zu erwarten und die Größe des Lokals beschränkt es, möglichst viel Umsatz in den typischen Stoßzeiten der Gastronomie zu generieren. Betriebswirtschaftliche Interessen können hier nicht die Motivation sein. Ein mutiges Unterfangen, dass Idealismus erfordert.

Freude an und Mut zu Klein und Fein
Mark Kozissnik und Adele Funder zu den Beweggründen, dieses doch sehr spezielle und riskante Konzept für ein Restaurant zu verwirklichen: »Wir sind gemeinsam eher sehr naiv hineingeschlittert. Wir sind quasi in das Lokal hineingestolpert. Irgendwie war die Größe für uns auch ein geringeres Risiko.« Mark Kozissnik und Adele Funder haben das Konzept »Klein aber Fein« schon in einem 4-Hauben-Haus kennengelernt, in dem sie tätig waren. Neben dem Menü für Hausgäste gab es einen kleinen À-la-carte-Bereich, wo viel experimentiert wurde und man sich verwirklichen konnte.

Adele Funder: »Es war klein und fein und richtig intim. Man baut eine intensive Beziehung zu den Gästen auf. Die Gäste kommen ganz bewusst, um gutes Essen zu genießen.« Diese von ihnen als extrem tolle Zeit empfundene Erfahrung fließt in Ihr beherztes Genusswirtshauskonzept ein. Dennoch war es sehr mutig, sich für eine Location in einer sehr ländlichen und abgeschiedenen Gegend zu entscheiden. Metropolen eignen sich besser, eine Quantität von Feinspitzen ins eigene Lokal zu locken. Adele Funder: »Die Abgeschiedenheit konnten wir durch Mundpropaganda schon kompensieren. Wer reserviert, dem ist ein Tisch garantiert.« Die Freude und der Spaß, gemeinsam dieses Lokal zu betreiben, ist auch nach der Gründung noch erhalten. Mark Kozissnik und Adele Funder: »Wir leben und sind Das Leaf.«

Haubengerichte zu leistbaren Preisen
Adele Funder betont, dass trotz der Intention, Haubengerichte zu kredenzen, die Zielgruppe nicht auf höhere Einkommensschichten oder Elitekunden fokussiert ist: »Wir wollen Menschen ansprechen, die Essen gerne genießen.« Mark Kozissnik: »Mir war es wichtig, Haubengerichte für jedermann anzubieten. Hohe Qualität zu einem leistbaren Preis. Das Feedback unserer Kunden gibt uns Recht, dass der Weg, den wir beschreiten, richtig ist. Das Menü fängt leicht an und wird dann etwas deftiger, nicht zu sehr, denn es soll ja den Magen nicht überfordern. Alles muss rund und ausgeglichen sein. Die Produkte sind aus der unmittelbaren Region. Vom Fisch bis hin zum Fleisch, alle Öle, die wir verwenden, und das Gemüse aus der Nachbarschaft. Die Getränke kommen nur aus Österreich. Viele Lieferanten kommen auf uns zu, weil man uns in der Gastroszene immer mehr kennt. Bezüglich der Größe der Speisen haben wir einiges ausprobiert und getestet. Jetzt glaube ich, wissen wir, wieviel am Teller sein muss, egal wie viel Gänge das Menü hat. Das Gespür habe ich jetzt, damit der Gast zufrieden, und nicht voll angegessen oder hungrig das Leaf verlassen muss.«

Rollen und Partnerschaften im Kleinstbetrieb
Mark Kozissnik ist der Küchenchef im Leaf, seine Partnerin hat das Service über. Grundsätzlich packen beide überall an. Adele Funder plant aus dem aktuellen saisonalen Gemüse ein grobes Menü. Bei der Kooperation mit dem bäuerlichen Lieferanten herrscht eine sehr gute Handschlagqualität. Adele Funder: »Wir beziehen ein fantastisches und gesundes, naturbelassenes Gemüse von diesem Bauern.« Auf Basis des Grobmenüs leitet der Küchenchef dann die Feinheiten und dessen Umsetzung in der Küche ab und zaubert feine Gerichte. Eine Gemüseart dient als Grundlage und wird dann in verschiedenen Aspekten innovativ und geschmackstechnisch perfekt für die Kunden aufbereitet. Adele Funder: »Die Qualität der Produkte hat höchste Priorität. Wir haben eher kleine Lieferanten. Da stimmt und passt dann die Kooperation und es ist einfach großartig, mit diesen Menschen zu arbeiten.« Die beiden Gastwirte nutzen die Nähe zum Kunden und die Größe des Lokals auch, um Feedback zu bekommen, wie das Menü angekommen ist. Ein großer Vorteil von Kleinstunternehmen. Sie brauchen kein Marktforschungsinstitut, die Weiterempfehlung und die Auslastung des Gastraumes sind eine schnelle Rückmeldung.

Kleinstbetriebe als »New Work«-Konzept
Das Leaf entspricht allen Kriterien, die in der heutigen Zeitqualität zum Erfolg führen: Nähe und Direktkontakt zum Kunden, persönliches Verhältnis zu Kooperationspartnern, Vertrauenswürdigkeit, hohe Individualisierung sowie Schnelligkeit und Flexibilität im Produktprogramm und der Umsetzung. Weiters entsprechen diese Konzepte auch einer flexibleren Arbeitsform, die den jungen Generationen liegt. Auch das vakante Personalproblem in der Gastronomie wird umschifft, indem aufgrund der Größe alle Rollen von den Eigentümern übernommen werden können. Das schafft zwar auch ein Risiko bei Krankheit oder Ausfall, was die zwei Unternehmer bis dato aber nicht betroffen hat. Adele Funder: »Wir müssten dann halt ein paar Tage schließen.« Die Betreiber des Leafs mit einer hohen Intention Regionalität, Saisonalität und Qualität auf den Teller zu bringen, empfehlen jedenfalls auch anderen jungen Menschen, die ihre Träume erfüllen wollen: »Mutig sein, Risiko minimieren, probieren, lernen. Und: Nachhaltigkeit ist die Zukunft!«

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 199 (Jänner 2024), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 66)

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