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Alles Blumen

| 13. Mai 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 202, Fazitbegegnung

Foto: Andreas Pankarter

Wer früher in der steirischen Landeshauptstadt am Wochenende oder an einem Feiertag Blumen gebraucht hat, wurde im Blumengeschäft am Hauptbahnhof fündig. Tempi passati, das ist lange her. Heute ist es der Kaiser-Josef-Platz, wo Blumensuchende am nordwestlichen Eck ihr Heil finden, direkt neben der Heilandskirche.

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Seit mehr als 30 Jahren hat dort Andrea Ferian ihren »Blumen am Platzl«-Kiosk sieben Tage in der Woche von 8 bis 19 Uhr geöffnet. Das 20-Quadratmeter-Geschäft gibt es schon länger als ein halbes Jahrhundert, zuvor war es einige Jahre in Händen ihrer legendären Großtante Ottilie Pammer, die als Hauptgeschäft den Blumenkiosk am nordöstlichen Eck führte, der aber im Zuge der Platzumgestaltung vor einigen Jahren weichen musste. Bei ihr konnte man manchmal sogar nächtens nach einem Opernbesuch Blumen kaufen. Auch diesen Kiosk führte Andrea Ferian eine Zeit lang. Sie gehört gewissermaßen zum alten Adel am Platz, zumal auch ihre Großmutter Mitzi Tomandl hier einen Blumenstand und ihre Eltern einen Würstelstand (Familie Eckl) hatten.

Die meisten (Schnitt-)Blumen stehen tagsüber vor dem Geschäft unter drei Markisen im Freien, die Topfpflanzen seit der erwähnten Umgestaltung auch daneben in einem Geviert um eine Rosskastanie, geschützt von drei riesigen Marktschirmen. Die Schnittblumen mögen zwar keinen Regen, weil sie dann leicht zu faulen beginnen, die noch größere Herausforderung ist aber die Sonne. »Weil sie wandert, müssen wir ständig mit den Blumen mitwandern«, so die gelernte Floristin. Eine tägliche körperliche Herausforderung, die nicht zu unterschätzen ist »und das Fitnessstudio erspart.« In der Girardigasse wäre ja eines, aber vor allem ist in dieser Gasse noch etwas, das insbesondere jene interessieren mag, denen immer schon verdächtig vorkam, dass Westernhelden unrealistischerweise nie aufs Klo gehen, außer in den Terence-Hill-Filmen. Dort ist jedenfalls, direkt hinter der Theaterkasse, eine verschlossenen Tür, für die die Marktteilnehmer einen Schlüssel haben. Damit wäre das auch geklärt, obwohl – seit dem Umbau des Platzes gibt es anstelle des Kiosks der Großtante auch eine öffentliche Toilette für Marktbesucher.

»Blumen am Platzl« ist zwar ein echter Einfrauenbetrieb, aber allein wären sieben Elfstundentage in der Woche nicht zu schaffen. Abhilfe schaffen vier bis fünf Teilzeitmitarbeiterinnen, die es der Chefin auch einmal ermöglichen, sich für einen Städtetrip nach London freizunehmen. Rund um den Valentinstag oder den Muttertag können es allerdings bis zu 100 Arbeitswochenstunden werden. Kein Wunder, dass Andrea Ferian ihr Geschäft auch als »mein Wohnzimmer« bezeichnet.

Als Tulpenliebhaberin führt sie diese Blume länger als die meisten anderen, nämlich von November bis Mai. Jede elfte ist übrigens gratis. Schon tauchen wir ein in das riesige Angebot des kleinen Blumenladens: Neben Rosen, Tulpen, Narzissen, Gerberer, Fresien oder Ranunkel feiern die lange verschmähten Nelken und Chrysanthemen ein Revival. Letztere sind vor allem bei Menschen aus dem ehemalige Ostblock beliebt, erzählt Ferian, außerdem legen sie bei uns immer mehr das Image als »Allerheiligenblumen« ab. Man findet Sonnenblumen, Santini- und Kermit-Chrysanthemen, Schneeball, Lysiantus, Anemonen, Hyazinthen, Azaleen, Levkojen, Gloxinien, Usumbaraveilchen, Milchstern, flammendes Käthchen, Orchideen, Bartnelken, Minimandarinen, Hortensien, Lilien, Hypericum (Johanniskraut), Statizen, Dipladenia, Margeriten, Passionsblumen, Zimmerjasmin, Enzian, Lavendel sowie unter den Marktschirmen noch Glockenblumen, Steinbrech, Gartenkräuter wie Rosmarin, Oregano, Salbei, Zitronenmelisse, Currykraut oder Pfefferminze. Aber auch Hauswurz, winterharte Chamaerops-Palmen, Olivenbäumchen und Walderdbeeren.

Ob Pflanzen eigentlich auch gestohlen werden? Hin und wieder: »Ich habe durch das Arbeitsfenster einmal eine meiner Pflanzen im Körberl auf einem Rad vorbeifahren sehen, einmal hat ein Adventkranz gefehlt oder einmal war da eine Wassertropfenspur in Richtung Straßenbahn, obwohl ich damals nichts verkauft habe.« Auch eingebrochen wurde nur einmal und einmal ist ein Auto in der Auslage gelandet. Es ist eine friedliche Stadt. Für diesen Beruf braucht man Leidenschaft. Das Wetter ist nicht immer schön, im Kiosk ist es immer kalt, ebenso wie das Wasser, im Sommer läuft die Klimaanlage, im Winter arbeitet sich ein kleiner rollbarer Radiator für ein bisschen Wärme ab. Die Floristin: »Man härtet nicht ab, wir sind es nur gewohnt, uns besser anzuziehen.« Seit Corona wird im August für sieben Wochen zugesperrt, Urlaub muss sein, auch für die Mitarbeiter. Wie die gesamte Ware kistenweise im hinteren Teil beziehungsweise Kühlraum des kleinen Kiosks jeden Tag einsortiert wird, bleibt ein Rätsel. Angeblich hilft Tetris.

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Andrea Ferian wurde am 29.8.1968 in Graz, geboren, sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach der Volksschule Brucknerstraße maturierte sie im WIKU, anschließend Lehre als Floristin bei Blumen-Hannes im Stadtpark. Schon ihre Eltern hatten einen Würstelstand (Familie Eckl) am Kaiser-Josef-Platz, ebenso ihre Großeltern mit ihrer Gärtnerei (Familie Tomandl). Seit 7. Februar 1991 betreibt sie den »Blumen am Platzl«-Kiosk am Kaiser-Josef-Platz.

Fazitbegegnung, Fazit 202 (Mai 2024) – Foto: Andreas Pankarter

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