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Reform …

| 26. Juni 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 84, Fazitthema

Es ist ziemlich klar, was eine gelungene Reform ausmacht: ein guter Plan, eine kontinuierliche Umsetzung und abschließende Freude über die Verbesserung. In der Steiermark regiert nun seit 2010 eine Regierung, die sich selbst zur Reformpartnerschaft ernannt hat und damit wohl einen der größten PR-Coups der jüngsten Landesgeschichte landete. Doch hält das verliehene Prädikat nach den bisherigen Selbstbelobigungen auch einer Überprüfung stand?::: Den ganzen Text als PDF lesenDOWNLOAD

Die partnerschaftliche Koalition aus SPÖ und ÖVP ist selbst alles andere als eine Reform: Wie über Nacht präsentierten sich die alten Kontrahenten als neue Freunde – keiner wollte so recht glauben, dass nach fünf Jahren erbittertem Wahlkampf plötzlich Friede zwischen den beiden Großparteien herrschen sollte. Das war keine Reform, das war schon eine Revolte.

Plötzlich und gewaltsam erzwungen durch ein Wahlergebnis, das keine Sieger kannte – auch wenn sich viele so gefühlt haben. Die offizielle Begründung für diesen Wandel von der Kampf- und Krampfkoalition zur Reformpartnerschaft war selbstverständlich eine andere. Der »Wählerauftrag« müsse anerkannt werden und das Land brauche »Reformen« – da war es, das Schlagwort, unter dem nun alles, was in der Steiermark beschlossen wird, an Größe gewinnt. Das Klein-Klein ist vorbei. Ab jetzt ist alles Reform. Dass eine solche selbst auf den ganz großen Bühnen der EU und Deutschlands nicht ohne Probleme vonstattengeht, dürfte da ein schwacher Trost sein.
Das zentrale Moment der steirischen »Reformen« sind die Einsparungen in allen Ressorts um jeweils 25 Prozent – das war zumindest das Ziel. In den meisten Bereichen wurde auch ausgelotet, wie weit man gehen kann, ohne dass die Betroffenen auf die Barrikaden gehen. Aber auch das ist keine Reform, sondern vielmehr eine Kehrtwendung im politischen Selbstverständnis: Statt landesväterlicher Verteilermentalität wird heute die hausmütterliche Sparsamkeit proklamiert. Das mag ein richtiger Weg sein – eine Reform ist es noch lange nicht. Die Neuverschuldung ist immer noch immens, alle Konzentration ist darauf gerichtet, dass sie nicht noch weiter anwächst. Von ausgeglichenen Haushalten oder gar einer Konsolidierung, also Rückzahlung der Schulden, ganz zu schweigen. Aber diese negative Nachricht ist absurderweise das erste Indiz für eine tatsächliche Reform. Denn diese dauert lang, greift langsam und ihr Erfolg ist meist erst spät zu beurteilen.

Weil diese Einsparungen eben nicht nur Einmaleffekte sein sollen, spielt es eine große Rolle, welche Strukturveränderungen auf Einnahmen- und Ausgabenseite vorgenommen werden. Zwei große Posten sind da im Moment in Arbeit:

Gemeindezusammenlegungen
Durch die Zusammenlegung von Kleinst- und Kleingemeinden erhofft sich die Regierung ebenso Einsparungen wie durch die Zusammenlegung von Bezirken. Beides sind mutige Schritte, weil sie den Unmut der Betroffenen kanalisieren und nicht überall auf Verständnis stoßen. Aber Beliebtheit war noch nie ein Kriterium für Reformer. Doch auch die Hoffnung, dass man durch die Fusionen Geld sparen kann, könnte ein Trugschluss sein. Vor kurzem musste eine ÖVP-Delegation in Sachsen erfahren, dass die dortigen Gemeindefusionen zwar erfolgreich waren, aber auf die Frage, wie viel denn dadurch gespart wurde, bekamen sie die etwas verdutzte Antwort des sächsischen Innenministers: »Inwiefern eingespart? Es hat eine Menge gekostet!«

Spitalsreform
Eine in Österreich längst überfällige Gesundheitsreform kann die Steiermark nicht allein bewerkstelligen, aber zumindest das vergleichsweise kleine Reförmchen der steirischen Spitäler ist ein wichtiger Anfang. Die zuständige Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) hat sich vom landespolitischen Dogma, keinen Spitalsstandort in Frage zu stellen, verabschiedet und Standorte wie Hörgas oder Mariazell aufgelassen. Außerdem wurden Abteilungen benachbarter Spitäler zusammengefasst, ohne die Bundesnormen des Versorgungsniveaus zu gefährden. Bis 2020 sollen so insgesamt 94 Millionen Euro und danach jährlich 22 Millionen Euro eingespart werden. Dazu kommen weitere sechs Millionen Euro jährlich durch eine Neuberechnung des Bundesanteils für das im LKH Graz untergebrachte Universitätsklinikum.

Sollten sich dadurch tatsächlich die geplanten Einsparungen und auch für Patienten die erwünschten Effekte ergeben – nämlich eindeutige Verfügbarkeiten von Ärzten an zentralen Standorten – dann wäre das ein großer Erfolg mit einer kleinen Reform. Denn ohne einen bundesweiten Plan wird sich weiter jedes Land um sich selbst kümmern müssen.
Eine gute Reform kann sich schon zeitlich noch gar nicht erkennen lassen – die Beispiele vergangener Reformen zeigen, wie lang es braucht, bis eine Reform umgesetzt ist und die Fehler korrigiert sind. Selbst dann wird es immer Kritiker geben, die berechtigte Einwände vorbringen können. Das deutsche Bundesverfassungsgericht gab zuletzt einer Klage gegen die Bemessung der Hartz-IV-Grundlage statt und die Korrekturen an der Eurozone können wir bei allwöchentlichen Krisengipfeln verfolgen. Die Frage, die man zu jeder Reform stellen muss, ist aber einfach: Was ist besser geworden? Und das lässt sich sowohl für die deutsche Arbeitsmarktreform als auch die Währungsreform sehr deutlich erkennen. Dank ersterer hat Deutschland trotz Krise mehr Erwerbstätige und dementsprechend die geringste Arbeitslosigkeit in Europa, die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen ist seit 2006 (ein Jahr nach der Hartz-Reform) nicht mehr gesunken, sondern um zwei Prozent gestiegen.
Und dank des Euro – bei all den aktuellen Problemen – wurde nicht nur der Zahlungsverkehr von Einzelpersonen in Europa erleichtert. Auch die Wirtschaft hat vom Euro profitiert, weil die Transaktionskosten in die wichtigsten Exportländer gesunken sind. Zudem konnten Länder wie Italien ihre Produkte nicht mehr durch Abwertung billiger machen, sondern mussten sich an den österreichischen und deutschen Qualitätsstandards messen lassen oder wirklich billiger sein.

 

Titelgeschichte Fazit 84 (Juli 2012)

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