Anzeige
FazitOnline

Zur Lage (33)

| 24. November 2010 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 68, Zur Lage

Noch immer über die »Politikverdrossenheit«, zahlreiche Gründe, sich über den ORF aufzuregen und kurz über eine Staatssekretärin.

In der letzten Lage habe ich ein bisschen von »Politikverdrossenheit« geplaudert und angekündigt, diesmal über die Performance österreichischer Parteien im Allgemeinen zu schreiben …

Wissen Sie, »Performance« geht ja noch, solange niemand wo »performt«. »Performen« tun nur die ganzen hoffnungs- wie namenlosen Gestalten in Castingshows. »Castingshow«, das ist ja erst etwas. Was gäbe ich drum, der eine Leser zu sein, der dieses Wort noch nie vernehmen hat müssen. Warum hat sich dieser Elmar Oberhauser nicht über das Wort »Castingshow« alteriert und über die Abhaltung einer solchen in einem vorgeblich öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Warum nicht?

Über irgendwelche Einflussnahmen irgendwelcher Parteien betreffend die Redakteure im ORF hat er sich alteriert. Wo doch jedes halbwegs gebildete Kind weiß, dass selbst in den Redaktionen der konservativsten deutschsprachigen Medien jede linksorientierte Partei immer für eine Zweidrittelmehrheit unter den Redaktionsmitgliedern gut sein wird. Und dann regt der sich auf, weil Laura Rudas irgendwas von ihm wollen hat. Laura Rudas! Der man vieles, aber eines ganz sicher nicht unterstellen kann, nämlich über freie Kapazitäten zu verfügen, irgendwo »ideologische Einflussnahme« anrichten zu wollen.

Für Laura Rudas ist Politik mit einem Event zu vergleichen. Wo junge Menschen »abhängen« und »sich gut fühlen«. Die kann doch gar nichts so Böses im Sinn gehabt haben, dass der Elmar Oberhauser sich echauffieren hätte müssen.

Über das Programm, das dieser ORF jeden Tag verbricht, über das hätte er sich aufregen müssen. Über diese sich allen Ernstes Nachrichtensendung schimpfende »Zeit im Bild« etwa. Wo beinahe jeden Tag in einem »Beitrag« getarnt ein neuer »Hollywood-Blockbuster« beworben wird. Dass etwa Armin Wolf, »Anchorman« des ORF – um es sarrazinisch zu sagen: Der Sender, der Armin Wolf als Anchorman hat, müsste sich abgeschafft haben –, dass dieser Armin Wolf jedenfalls alle Politiker der ÖVP nicht mag, jeden einzelnen Politiker des BZÖ im besten Fall als Kasperle versteht und jeden Vertreter der FPÖ als Reinkarnation des Bösen ansieht, das wissen wir doch längst. Das macht uns gar nichts. Außerdem ist er zu allen anderen Politikern ja auch unfreundlich, weil er unfreundliches Unterbrechen mit investigativem Journalismus verwechselt. Und da er der Anchorman ist, glauben seine Jünger, es ihm gleichtun zu müssen. Es überrascht uns auch nicht, wenn der ORF etwa noch großflächig von Streiks und Demonstrationen gegen die Regierung in Frankreich berichten wird, wenn sich keine fünf Hanseln mehr dort zusammengefunden haben.

Es ist das Programm bzw. dessen Nichtvorhandensein im ORF, das nicht zu ertragen ist. Ich will unterhalten werden; und ein bisschen wenigstens gebildet. So was kann funktionieren, so was geht. Das beweisen die bundesdeutschen Öffentlich-Rechtlichen Tag für Tag. Man sehe ARTE, 3SAT, ARDextra, ARDdoku, ARDfestival, ZDFneo und wie sie alle heißen. Und darüber schimpft Oberhauser nicht. Warum nicht?
Jetzt hab ich mich aber wirklich in Rage geschrieben. Vielleicht noch ein paar Gedanken zum Zustand der österreichischen Parteien. Da sind wir uns ja alle einig, dass (jedenfalls) die Großparteien ein ganz starkes Problem mit ihrem Nachwuchs, mit ihrer Personalrekrutierung insgesamt haben. (Bei der FPÖ handelt es sich ja größtenteils – nicht ausschließlich – um Flachkappen, die nachkommen, und bei den Grünen eher um der Individualität verpflichtete Superstars; also auch Flachkappen. Die beiden lassen wir vorerst außen vor.) Bleiben SPÖ und ÖVP. Und bei der ÖVP bietet sich die aktuelle Bestellung einer neuen Staatssekretärin beispielhaft an.

Da wurden seitens der Partei, bevor eine Name kolportiert wurde, Kriterien aufgestellt: Tirol, Frau und ÖAAB. Tirol, weil Tirol kein VP-Regierungsmitglied hat, Frau, weil die erfolgreiche Wiener Spitzenkandidatin jetzt in Wien gebraucht wird (Wozu, fragt sich der Laie? Ergebnis über die fünf Jahre bringen?) und eben eine Frau war. Und ÖAAB, da weiß ich jetzt momentan gar nicht genau, wird halt grad der Bund sein, der dran ist. »Uhh« hat’s geheißen; »Pah« haben viele gemeint. Diese ÖVP! Da kann ja nichts werden. Dabei, und das ist auch ein Gesichtspunkt, dabei sind das eigentlich durchaus demokratische Überlegungen; einer möglichst breiten wie vielfältigen Vertretungsstruktur geschuldet. Man stelle sich vor, die ÖVP-Regierungsmitglieder kämen alle aus Spitz an der Donau. Ja, das würde gut ankommen.

Und dann wird es Verena Remler aus Osttirol. Eine junge Akademikerin aus der Semi-Privatwirtschaft. Und die Reaktion? »No Name« wurde sie genannt. Kennt ja keiner, die Frau. Also passt das auch nicht. Hätte offenbar vorher Kanzler machen müssen, die gute Dame. Wir sehen – ganz fertig bringen wir das diesmal sowieso nicht, der ORF hat mir zu viel Platz gekostet –, es ist recht schwierig. Nicht dass ich jetzt die Unfähigkeit der (insbesondere) ÖVP, gute neue Leute, gute junge Leute für sich zu attraktivieren, irgendwie schönreden will; nur einfach ist es eben auch nicht. Aber wir denken da noch weiter drüber nach. Einen schönen Advent darf ich wünschen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #33, Fazit 68 (Dezember 2010)

Kommentare

Antworten