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Männlich oder weiblich, alles egal? Natürlich nicht.

| 28. Mai 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 103

Mir hat das Siegerlied des Songcontests in Kopenhagen gut gefallen. Und das war mir im ersten Moment durchaus etwas peinlich. Peinlich nämlich deswegen, weil mein Musikgeschmack, so universell ich zumindest glaube, dass er ist, in aller Regel Stücke, die bei diesem internationalen Liederwettbewerb vorgetragen werden, eher ablehnt. (Die wenigen Ausnahmen wie Udo Jürgens oder Abba lassen wir hier beinahe unbedacht.) Nicht peinlich ist es mir, dass »Rise Like a Phoenix« von einem schwulen Mann – Conchita Wurst alias Thomas Neuwirth, verkleidet als Frau noch dazu mit Bart, vorgetragen wurde. Warum auch? Travestie ist eine lange anerkannte Kunstform, und mit der Israelin Dana International hat  ja schon 1998 ein transsexueller Mensch den Songcontest gewonnen.

Dafür ist mir etwas anderes ein bisschen  peinlich: Dass nämlich so getan wird, in beinahe allen österreichischen und bundesdeutschen Medien so getan wird, als wäre dieser Erfolg ein »Symbol der Toleranz«, mit dem diesem Wert endlich auf dem europäischen Kontinent zum Durchbruch verholfen wird. Das ist so nicht ganz richtig. Zum einen, weil wir lange schon diesen Wert in Europa leben. Etwa hat mich meine Mutter (Jahrgang 1947), haben mich meine Großmutter (1913) und mein Großvater (1900) zu einem Menschen »erzogen«, dem Toleranz (neben zahlreichen anderen, oft im Übrigen christlichen Werten) als ein wesentliches Gut im Miteinander der Gesellschaft wichtig ist. Zum anderen ist es die Unklarheit, was mit dieser speziellen »Wurst-Toleranz« gemeint ist, die uns per ORF, Krone und Konsorten abverlangt wird.

Sibylle Hamann, dieser Tage übrigens mit dem Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet, hat es in der Tageszeitung »Die Presse« nur wenige Tage nach dem Sieg Conchita Wursts vermeintlich so auf den Punkt gebracht: »Männlich oder weiblich? Du musst dich nicht entscheiden. Man denkt und handelt nicht als Mann oder als Frau, sondern vor allem als Individuum. Das ist eine der großen Errungenschaften der Moderne.«

Ich halte das für Unfug. Für groben Unfug und Ausgeburt einer Gesellschaft, die an ihrem, von einer aufgeblasenen wie ungerechten Umverteilungsmaschinerie auf Pump finanzierten, Wohlstand immer mehr geistig verkümmert und immer abstrusere Konstellationen als – wie schreibt die Preisträgerin – »Errungenschaften« feiert. Ein unheimliches Netzwerk aus überbordenden Hirngespinsten, wie der sich beinahe ausschließlich selbstreferenzierenden »Genderwissenschaften« und die zahlreichen Anstrengungen, alle Unterschiede aller Menschen vom Erdboden verschwinden zu lassen, legt sich wie eine dicke Decke über jede Natürlichkeit unserer Gesellschaft.

Wenn sogar Gerhard Hirschmann sich bemüßigt fühlt, in der Kleinen Zeitung zu schreiben, wie »bedroht homosexuelle Menschen« auf dieser Welt sind (Richtig! In zahlreichen Ländern dieser Erde, meist dort, wo auch Christen verfolgt werden. Aber sicher nicht hier in Mitteleuropa), haben wir die Orientierung verloren. Es ist mir nicht egal, welchen Geschlechts mein noch ungeborenes Kind ist (oder einmal sein wird). Ich, meine Frau, meine ganze Familie, wir werden entweder eine rosafarbene oder eben eine blaue Erstausstattung anschaffen. Und ja, ich werde mein Kind, wenn es ein Bub ist, erziehen, wie ich denke, dass ein Bub erzogen gehört, und wenn ein Mädchen, dann eben dementsprechend. Und sollte mein Kind irgendwann unsicher sein, Orientierung suchen, dann wird es mir »nicht egal sein«, dann werde ich nicht sagen »Du brauchst Dich nicht entscheiden«. Nein, ich werde versuchen, ihm Leuchtturm zu sein und – bei einem Mädchen – jedenfalls dort hin zu wirken, dass es wird, was es sein soll. Frau! Und ja, es ist meine ganz klare Wunschvorstellung, dass mein Sohn mir einmal seine Frau vorstellt, mit der er Kinder in die Welt setzt.

Toleranz, Respekt, Mitgefühl, Nächstenliebe und zahlreiche andere Werte braucht mir – und mit mir dann doch der überwältigenden Mehrheit in diesem Land – niemand mehr via ORF-Werbemaschine einzutrichtern. Das ist alles längst gegessen. Und sollte, all meinen Wünschen zuwider, meine Tochter mir irgendwann einmal ihre Freundin vorstellen, die sie liebt, mit der sie zusammen sein will, oder mein Sohn seinen Freund, mit dem er sich auch für immer binden will, dann werde ich ganz selbstverständlich eines tun: Meine Kinder lieben, ihnen beistehen und ihre Partner mit aller Freude in meiner Familie willkommen heißen. Das ist selbstverständlich, das war es wahrscheinlich schon lange.

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Editorial, Fazit 103 (Juni 2014)

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