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Die unheilvolle Allianz zwischen Industrie und linker Pädagogik

| 27. November 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 108

Für den Präsidenten der österreichischen Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, ist der Punkt, wo man mit »Reformen« in der Bildung noch etwas hätte bewirken können, »bereits seit Jahrzehnten überschritten«. Eine »Revolution« müsse her und so wurde dieser Tage ein neues Schulkonzept der IV vorgestellt.

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Das Revolutionärste an diesem Konzept dürfte wohl der Begriff »Bildungspflicht« statt »Unterrichtspflicht« sein. Ansonsten handelt es sich grosso modo um den zigsten Aufguss lange bekannter in ihrem Wesen sozialistischer Gesamt- bzw. Ganztagsschulmodelle. Jetzt mag es dem Zeitgeist einer Gesellschaft, die gerade in Thüringen einen Ministerpräsidenten wählen will, der der Nachfolgepartei der im Unrechtsstaat DDR regierenden SED angehört, entsprechen, zu glauben, unser Bildungssystem könnte an einem solchen sozialistischen Wesen eher genesen – ich bin nicht dieser Meinung.

Die neue Bildungspflicht soll Kinder bereits ab vier Jahren von ihren Eltern weg in eine vergesellschaftlichte »Erziehungs- und Ausbildungsphase« bringen, in der sie dann von 8.30 bis 15.30 (optional von 7 bis 19 Uhr) bis zum Alter von 14 Jahren gemeinsam ausgebildet werden. Um nur ja nicht diskriminierenden Ungerechtigkeiten, wie etwa Eltern, die nachmittags gar ihre Kinder bei Hausaufgaben unterstützen, ausgesetzt zu sein. Ich bin jetzt kein Bildungsexperte und nicht einmal grundsätzlich gegen eine Gesamtschule, nur sollte es weiterhin eine echte Wahlmöglichkeit für Eltern geben.

Altvizekanzler und neuerdings Bildungsexperte Hannes Androsch hat jüngst auf die »Problematik« hingewiesen, dass muslimische Kinder nach dem vormittäglichen Schulbesuch auf die Koranschule gehen würden (und damit »außerhalb staatlicher Kontrolle seien«, war dabei mitzudenken). Dazu fällt mir ein, dass wir Religionsfreiheit in unserem Land haben und es interessant ist, dass der bloße Besuch einer Koranschule als Problem dargestellt wird. Wenn es so sein sollte, dann ist das aber kein Problem unseres Schulsystems, sondern es wäre ein Fall für den Verfassungsschutz. Außerdem ist es mir herzlich egal, was andere Eltern für ihre Kinder in deren freien Zeit vorsehen; ich sehe mich außerstande, deswegen meine Kinder nicht am Nachmittag zuhause spielen zu lassen. Wo ich sie natürlich auch erziehen werde, wie ich der Überzeugung bin, dass es für sie gut ist. Das gestehe ich meinen Mitbürgern zu, das verlange ich aber auch als mein Recht als Vater.

Was die Gesamtschule weiters betrifft, ist es von der IV kurzsichtig, nicht auf die Evaluierung bisheriger Gesamtschulmodelle zu warten. (Sollte das Ergebnis so wunderbar sein, wie Gesamtschulprotagonisten es sich ausmalen, meinetwegen.) Und es ist beinahe unredlich von der guten IV, einen Vergleich mit Finnland heranzuziehen – ja, da schneiden wir schlechter ab und ja, die haben quasi Null (0) Migrationsanteil an ihren Schulen – oder vollkommen auf die bundesdeutschen Länder vor allem im Süden zu vergessen, die ohne Gesamtschulen die eindeutig besten Ergebnisse am Bildunssektor erzielen. Was auch für die Schweiz gilt.

Insgesamt will ich hoffen, dass es die IV wenigstens gut meint, aber damit – wie das in aller Regel so ist – das Gegenteil von gut bewirken könnte. Wahrlich schlimm wäre es, wenn dahinter ein anderes Kalkül stecken würde, nämlich unter dem Deckmantel sozialer Gerechtigkeit der noch immer breiten Mittelschicht die »Mitschulung« bildungsferner Gesellschaftsgruppen aufzubürden, mit dem Hintergedanken, dann könnten alle zumindest so gut schreiben und lesen, dass sie die (Kaffee- und sonstigen) Maschinen der Industrie zu bedienen im Stande sind.

Denn wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, was Industrielle mit den sozialistischen Vor- und Querdenkern – die genau wissen, wie die »ideale Schule für alle« aussieht – verbindet: Sie stecken ihre Kinder vorwiegend in Internate in der Schweiz (Industriellenvariante) oder – falls sie überhaupt welche haben – in gute Privatschulen hierzulande (Linksdenkervariante), um den Kindern nicht zumuten zu müssen, »mit Krethi und Plethi« die Schulbank zu drücken.

Aber ob ein IV-Präsident, der im Antritts- interview auf Ö1 davon radebrechte, dass »die zehnte Million, die jemand im Jahr verdient, ruhig mit 100 Prozent versteuert werden solle« so abgebrüht sein kann, vermag ich mir wenig vorzustellen. Eher ist es Naivität, denn für eine Million, die zur Gänze hergegeben werden muss, wird nicht einmal ein Dämlack jemals einen Finger rühren.

Editorial, Fazit 108 (Dezember 2014)

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::: Weiterführende Links
::: Bildungskonzept der IV
::: Interview mit Elternvertreter Theodor Saverschel

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