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Nur wer sich versteht, kann ein Gefühl des Miteinanders entwickeln.

| 23. Dezember 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 109

Was haben wir alle gelacht! Aus der bayerischen CSU ist vor wenigen Wochen der Entwurf zu einem inhaltlichen Papier bekannt geworden, in dem es um eine »Deutschpflicht« auch zuhause für alle Einwohner, damit auch solche mit migrantischem Hintergrund, ging. Nun ist zwar erstens dieser »Entwurf« nach einem kurzen Wirbelsturm vor allem im Internet schon nach wenigen Tagen wieder verworfen worden, die Häme und der Spott über die bayerischen Christlichsozialen dauern aber noch an.

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Die billigsten Kalauer waren natürlich jene, die darauf abzielten, dass die deutsche Sprachvarietät »Bayerisch-Österreichisch«, die abgesehen von Vorarlberg auch in Österreich gesprochen wird, ja nicht einmal »richtiges Deutsch« wäre. Oder es wurde darauf hingewiesen, dass das zutiefst bayerische »Servus« ja eigentlich lateinischen Ursprungs ist. Auf Facebook wurde sich besorgt darüber gezeigt, ob der deutschstämmige Ehemann zu seiner aus dem Italienischen kommenden Ehefrau wohl auch noch in Zukunft »Amore« würde sagen dürfen. Und die weniger als halblustigen öffentlich-rechtlichen Satiresendungen im Fernsehen überschlugen sich gerade in unlustigen und unglaublich weit hergeholten Schenkelklopfern über alle der Hochsprache im Grunde unmächtigen Funktionäre der Christlich-Sozialen Union. Was haben wir alle gelacht!

Jetzt ist dieser Vorschlag – dessen genauen Wortlaut ich im Übrigen nirgendwo zitiert fand – also schon wieder vom Tisch, dennoch finde ich es interessant, darüber noch einmal nachzudenken. Detlef Esslinger hat etwa in der »Süddeutschen« kommentiert, dass der Vorschlag der CSU »plausibel« wäre und gleichzeitig »verrückt«.

Soweit konnte ich ihm sogar folgen, denn eines ist ganz sicher sehr klar: Nie und nimmer kann und darf in einer freien Gesellschaft ein Gesetz in Kraft treten, das mir vorschreibt, wie und in welcher Sprache ich mich zuhause zu unterhalten habe. Für mich – der ich Bayern schon ob seiner Landschaft sehr schätze, noch mehr die hohe Lebensqualität dort und die beeindruckenden Leistungen dieses Landes in den letzten Jahrzehnten – ist aber die CSU, die dort im Grunde seit dem Zweiten Weltkrieg die Regierung stellt, keine Partei, die »Ressentiments bedienen« will. Das unterstellt Esslinger den Christlichsozialen nämlich und verstieg sich darin, dass die CSU mit diesem Vorschlag »ihre Fratze« gezeigt hätte.

Ich halte das für recht abwegig und ich würde mir wünschen, dass wir, ob links oder rechts im demokratischen Spektrum, damit (wieder) anfangen, allen politischen Mitbewerbern einen »Vertrauensgrundsatz« zuzugestehen, derart nämlich, dass es allen diesen politischen Mitbewerbern darum geht, unsere Gesellschaft hin zum Positiven weiterzuentwickeln und dabei Schwachstellen abzubauen und Bewährtes zu erhalten (bzw. stärken). Und so kann man den Vorschlag, man möge »Deutsch« sprechen – vorbehaltlich man hat die Größe, die deutsche Sprache nicht auch noch mit in die Gesamtschuld des Dritten Reiches zu nehmen – auch derart verstehen, dass es darum geht, dass die »Umgangssprache« hierzulande eben Deutsch ist; und es nicht ausschließlich von Nachteil sein kann, auch zuhause deutsch zu sprechen. Ja natürlich ist es ein ganz, ganz großer Vorteil, wenn Menschen zweisprachig aufwachsen. Ja natürlich sollen Migranten auch die Sprache ihrer Eltern sprechen. Nur wird es ihrem Lebenslauf jedenfalls, ob in der Ausbildung oder dann später im Berufsleben, von Vorteil sein, wenn sie sich auch auf Deutsch unterhalten können. Und da geht es jetzt noch lange nicht um perfekte Orthographie oder Grammatik, die auch vielen Urbayern (wie Ursteirern) ganz sicher immer ein spanisches Dorf bleiben wird.

Es geht um die Verständigung untereinander. Es geht darum, dass Multikulturalität natürlich Bereicherung sein kann und oft ist, dass ein Mindestmaß an Homogenität aber eben Bedingung einer funktionierenden Gesellschaft darstellt. Und es geht auch um die – viel zu oft – isolierten Mütter von Migranten, die Jahrzehnte hier bei uns wohnen und nicht in der Lage sind, ohne ihre Kinder auch nur einkaufen zu gehen. Denen muss, nein, denen darf niemand vorschreiben, wie sie daheim zu sprechen haben. Einer solchen Mutter ist aber jedenfalls geholfen, wenn sie sich zumindest über das Wetter mit ihrer (schon länger ansässigen) Nachbarin austauschen kann. Erst dann werden die beiden die vielen Gemeinsamkeiten erkennen und schätzen lernen. Und gemeinsam lachen.

Editorial, Fazit 109 (Jänner 2015)

*

Anmerkung
Der Titel dieses Editorial ist – um sprachlich genau zu sein – nicht korrekt. Ausdrücken will er (also wollte ich), dass nur »Menschen, die einander verstehen auch ein Gefühl des Miteinander entwickeln können«. »Sich verstehen« meint aber »sich selbst« verstehen. (Was uns wahrscheinlich auch nicht immer gelingen kann.) Ich hoffe, Sie haben mich ausreichend verstanden und darf mich für den Fehler entschuldigen. Er ist mir zwar (ganz kurz!) vor Drucklegung noch aufgefallen, aber ich dachte, bei dem Thema passt so etwas sogar. CK

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