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Die ÖVP steht vor ihrer endgültig letzten Chance, diesem Land zu dienen

| 23. Oktober 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 117

»Das Schöne an der Aufgabe ist: Das Einzige, was man falsch machen kann, ist, zu wenig Mut zu haben.« Diese fast schon pathetische Wortspende soll laut Kleiner Zeitung Gernot Blümels erste »Reaktion voller Zuversicht« auf seine nach bester Manier oberster Sowjets erfolgte blitzartige Bestellung zum neuen Chef der Wiener Volkspartei gewesen sein. Und diese Reaktion lässt tief blicken.

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Zum Einen möchte man befürchten, dass der Glaube »nichts falsch machen zu können« schon viel zu lange zum fixen Repertoire neuer VP-Parteiobmänner zählt, zum Anderen bin zumindest ich davon überzeugt, dass es dann doch einen Punkt gibt, den Blümel falsch machen kann. Oder besser konnte, denn es war falsch, dieser weiteren größten Niederlage aller Zeiten der Volkspartei mit so einem Hudriwudrischnellpersonaltausch zu begegnen. Blümel mag ein fähiger Mann sein, wiewohl er dann eigentlich die Sinnlosigkeit, am Montag nach dem Desaster vom Wahlsonntag einfach per Präsidiumssitzung einen Kopf auszutauschen, erkennen hätte müssen. So hat sein Jobwechsel doch auch den Beigeschmack der Absicherung der persönlichen Karriere auf einem öffentlichen gut bezahlten Posten. Denn der letzte große Auftritt der Wiener ÖVP ist zumindest noch weitere fünf Jahre entfernt: der Nichteinzug ins Wiener Landesparlament.

Natürlich hätte der offenbar leider charismalose nun Exparteiobmann Manfred Juraczka sein Amt nicht sofort zurücklegen dürfen und zumindest einen Versuch der Neugründung seiner Partei in der Bundeshauptstadt einleiten müssen! Von mir aus sogar auch ohne Juraczka und unter Kuratel einer starken Bundespartei, die einen »Kommissär« hätte einsetzen können. Das mag vielleicht formalistisch klingen, ist es aber nicht. Es ist nämlich ein deutlicher Unterschied, ob man so tut, als wäre ein Parteichef aufgrund irgendeiner demokratischen Wahl in sein Amt gekommen oder ob man eben mit offenen Karten spielt. Das kann die große, alte Volkspartei aber offensichtlich nicht (mehr).

Und wenn ich an die ersten Ergüsse des Nachfolgers von Gernot Blümel als VP-Generalsekretär – der zuvor als Vorsitzender des Sozialversicherungsverbands tätige Peter McDonald – denke, wird meine Sorge um die Volkspartei auch nicht wirklich geringer. Dieser hat uns nämlich gestern im Ö1-Journal um Fünf ausrichten lassen, er möchte »heiße Eisen anfassen« und sogar »heilige Kühe schlachten«. Wo gibt es solcher Art Phrasenautomaten eigentlich zu kaufen, die fähige und durchaus intelligente junge Männer dazu verleiten, so warmluftige Sprechblasen zu produzieren? Und – das ist mir wichtig anzumerken – ich schätze die beiden neuen VP-Funktionäre im Grunde sehr. Es ist offenbar die untote Gesamtverfasstheit dieser Partei, die sie dazu nötigt, so zu agieren. Und gerade diesen beiden solche Vorwürfe zu machen, erscheint angesichts der Budgetrede eines Finanzministers einer Partei, die seit bald 30 (dreißig!) Jahren ständig in der Regierung sitzt, und die in ihrem Kern die (eigentlich unglaubliche) Aussage hat, »ab jetzt fangen wir an, das Richtige zu tun« fast schon als ungerecht. Diese Österreichische Volkspartei ist in Wien wie auf Bundesebene jedenfalls am Ende. Und wenn wir – ich bin ja, daraus habe ich nie ein Hehl gemacht, Mitglied der ÖVP – nicht endlich damit beginnen, einen wirklichen »Reformprozess« (Sie entschuldigen nun mein Phrastentum. Ja, auch ich habe das schon so oft hier geschrieben, dass ich es fast nicht mehr lesen kann.) einzuleiten, dann wird der Verwesungsprozess auch die noch da und dort agilen Landesparteiorganisationen erfassen und die Österreichische Volkspartei zu einem bloßen historischen Wikipediaeintrag werden lassen.

Dabei braucht dieses Land (dieser Kontinent) eine nichtlinke, um nicht zu sagen rechtsdemokratische, jedenfalls aber bürgerlichkonservative Kraft, die dem linkssozialistischen Zeitgeist konstruktiv und demokratisch entgegentritt. Dieses Land droht an den aktuellen Verwerfungen zu zerreißen. Die Flüchtlingsproblematik etwa, die ORF und viele linke Qualitätsmedien in den letzten zwei Wochen vor der Wiener Wahl einfach vollkommen ausgeblendet haben, hat sich ja nicht in Luft aufgelöst. Tag für Tag sind weitere Tausende Flüchtlinge auf ihrer Reise nach der Bundesrepublik durch Österreich gekommen (und zahlreiche auch geblieben). Es wäre verantwortungslos von der ÖVP, nicht endlich echte Bemühungen zur Reform zu starten. Und es würde den Rechtspopulisten zu weiteren Erfolgen verhelfen. Ihr Funktionäre auf allen Ebenen der Volkspartei, wollt Ihr das wirklich?

Spenden Sie jetzt für die Flüchtlinge in Österreich!
Informationen im Internet unter helfenwiewir.at

Editorial, Fazit 117 (November 2015)

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