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Pathologisches Mitleid

| 19. November 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 118, Kunst und Kultur

Foto: GwenofGwened

Der politische Roman ist für einen Leser mit Interesse an Politik und Literatur immer ein doppeltes Vergnügen. Anmerkungen zu Jean Raspails »Das Heerlager der Heiligen«. Text von Michael Bärnthaler.

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Es ist sicher nicht leicht, einen guten politischen Roman zu schreiben. Einige politische Romane jedoch werden zu Klassikern, die bald schon jeder kennt, auch diejenigen, die sie gar nicht gelesen haben. Diese Romane liefern Szenarien und Begriffe, mit denen wir unsere Realität interpretieren, unsere Ängste ausdrücken, unsere Regierungen kritisieren … Man denke nur, zum Beispiel, an George Orwells 1984. Ein herausragender politischer Roman entfaltet eine analytische und prognostische Kraft, die erhellend und mitreißend, mitunter jedoch – das liegt in der Natur der Sache – auch irreführend wirken kann.

Nun ist, inmitten der europäischen Flüchtlingskrise, ein politischer Roman, dem man analytische und prognostische Kraft sicher nicht abstreiten kann, von Martin Lichtmesz für den Antaios-Verlag neu ins Deutsche übertragen worden: Es handelt sich um Jean Rapails »Camp des Saints«, ein Klassiker rechter dystopischer Literatur. In dem Roman »Heerlager der Heiligen«, so der deutsche Titel, geht es um die – das ist wohl der zentrale, leicht paradoxe Begriff – friedliche Invasion des dekadenten Europas durch Flüchtlinge aus der Dritten Welt, für die unser Kontinent eine Art gelobtes Land darstellt. Nun, Sie verfolgen doch die Nachrichten, nicht …?

Die friedliche Invasion gelingt und stürzt den Kontinent ins Chaos, weil Europa dem Pathos der Schwäche und des Elends, welches – neben ihrer Zahl – die einzige Waffe der Refugees ist, nichts entgegenzusetzen hat, sondern nur mit, nun ja, pathologischem Mitleid auf diese existenzielle Herausforderung reagieren kann. Der europäische Selbstbehauptungswille – das ist der Wille der Europäer zur Erhaltung Europas als Europa – wurde durch linke Selbsthasspropaganda, übertriebene Schuldgefühle gegenüber den sprichwörtlichen Kindern in Afrika usw. usf. untergraben.
Das Ergebnis ist Chaos. Denn die Fremden kommen zwar als Flüchtlinge, die ein besseres Leben suchen, aber auch als Invasoren, die sich nehmen, was sie wollen, sofern niemand sie daran hindert … Und sie kommen tatsächlich als Fremde, die mit den Europäern und ihrer Kultur nichts anzufangen wissen. Kurz: Sie kommen als Barbaren. Es ist das Ende der europäischen Zivilisation. Es kommt zu einer, wenn man so will, Befreiung, von der manche Linke wohl träumen mögen, die jedoch – wie Konservative wissen – notwendig zusammenfällt mit Terror, sadomasochistischer Orgie und Chaos. Die Befreiung ist die Auflösung.

Nun ist ein Roman freilich – muss ich es wirklich sagen? – ein Roman. Nur ein Roman? Jedenfalls spitzt Raspail stark zu, polemisiert und beschreibt die Einwanderer aus der Dritten Welt auf teilweise bösartige Weise als abstoßend-primitive Aliens. Der Roman ist allerdings äußerst unterhaltsam und beleuchtet Aspekte sowohl europäischer Mentalität als auch globaler politischer Trends ohne falsche Beschönigung und aus dezidiert rechter Perspektive. Er wirft Fragen christlicher Ethik auf, die schwer zu beantworten sind. Fragen nach unserer Identität. Probleme der demographischen Entwicklung. Die außereuropäischen Massen … Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Die neue Übersetzung kommt zur rechten Zeit. Ich empfehle, Raspail zu lesen und zu schmunzeln. Denn witzig ist der Roman auch. Wie Raspail schreibt: »La vraie Droite n‘est pas sérieuse.« Die wahre Rechte weiß um die Ambivalenz der Dinge, die Offenheit des Seins und die Notwendigkeit der Entscheidung … Linke hingegen können nicht lachen.

Alles Kultur, Fazit 118 (Dezember 2015) – Foto: GwenofGwened

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