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Im Haus der Steine

| 30. Mai 2016 | 1 Kommentar
Kategorie: Fazit 123, Fazitportrait

Foto: Marija Kanizaj

Das Familienunternehmen Leykauf mit seinem einzigartigen Geschäftslokal in der Grazer Bürgergasse, direkt beim Tummelplatz, handelt mit Steinen. Warum Edelsteine heiter stimmen, Schmuck keine ideale Wertanlage ist und Kinder alles wissen, davon handelt diese steinige Geschichte.

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Manche lassen auf ihrem Teller die Speise am längsten zurück, die sie am liebsten mögen – um sie zum Schluss besonders zu genießen. So kann es einem auch mit anderen Dingen gehen. Da wohnt man Jahrzehnte gleich ums Eck von einem im wahren Sinne bemerkenswerten Geschäft und geht gerade deshalb nicht hinein; weil man es sich eben aufbehalten will. Und muss sich vielleicht noch anhören, dass das wirklich kindlich, fast schon kindisch sei – was im Übrigen ein großer Unterschied ist; der erstere Begriff ist durchwegs positiv besetzt, der zweitere allerdings durchaus pejorativ.

Gerade Kinder sind es, die auf die Auslagen dieses Familienbetriebs in der Grazer Bürgergasse 13 gleich neben dem Akademischen Gymnasium besonders ansprechen. Aber nicht nur. Das Geschäft heißt Leykauf und führt Edelsteine, Mineralien und Schmuck. Doch eben nicht wie ein Juwelier, sondern gewissermaßen zur haptischen Bedürfnisbefriedigung, zum Angreifen.

In einem großen Behältnis befinden sich unzählige sogenannte Trommelsteine: abgerundete, glatt geschliffene Rosenquarze, Amethyste, Bergkristalle und viele andere. »Selbstvergessen stehen da oft die Kinder, mit einer Hand in den Steinen«, erzählt Unternehmensgründer Reinhard Leykauf (72), der noch immer regelmäßig bei seinem Sohn aushilft.

Einzigartig in Österreich
Das Warenangebot ist so mannigfach wie überwältigend. Vom Glasstein bis zum Brillanten, vom Mineral bis zum Fossil, von der Muschel und der Perle bis zum Geschmeide aus Gold und Silber; vom einfachen, bloßen Stein bis zu kunstvoll gefertigten Schmuck- und Gebrauchsgegenständen und Geschenkartikeln; vom winzigen Steindelphin um wenig Geld über Meteoritengestein bis zu 60 Kilo schweren Ammoniten – 200 Millionen alte, spiralförmige, versteinerte Vorfahren von Kopffüßern. »So wie wir sind, sind wir allein in Österreich. Wir führen alles, was aus Stein gefertigt werden kann«, sind sich Vater, Mutter und Sohn Leykauf sicher.
Reinhard Leykauf ist über sehr verschlungene Wege zum Geschäftsmann geworden. Als gelernter Goldschmied dient er bei den Juwelieren Schludermann sowie Bünthe & Trunk, bis er 1967 seinen Beruf an den Nagel hängt. Er wechselt in den kaufmännischen Bereich und geht bei der Firma Anker zunächst in den Innen-, dann in den Außendienst und verkauft zwölf Jahre lang Registrierkassen. Dabei lernt er Freud und Leid von unterschiedlichen Betrieben kennen. Schließlich steigt er in die Benzinbranche ein und macht die Tankstellenbetreuung für Agip, sucht Pächter und schult sie ein. »Dabei habe ich kaufmännisch sehr profitiert«, erläutert er den Weg zu seinem Lebenswerk. Dann kommt ihm zu Ohren, dass die Witwe der Firma Hochstätter, die ursprünglich am nahen Bischofplatz war, ihr Schmuck- und Steinhandelsgeschäft verkaufen will. So übernimmt er 1982 mit einem Gesamtinvestitionskapital von 500.000 Schilling das Geschäft in der Bürgergasse.

Bernstein gegen »Zahnen«
Seine Ausbildung zum Goldschmied und die genaue Kenntnis der Bedürfnisse und Wünsche dieses Berufsstandes und der Kunden kommen ihm dabei zugute: Rund ein Drittel des Umsatzes macht Leykauf heute im Großhandel, vor allem mit Goldschmieden und Juwelieren. Bei den Privatkunden stellt er einen Trend zu hochwertiger Ware fest. Am Beispiel der beliebten Steinketten, von denen Leykauf mehrere tausend auf Lager hat, kann man ermessen, wie groß die Auswahl ist. Von einstelligen Eurobeträgen bis zu vierstelligen ist alles dabei: Man wird um vier Euro fündig oder erhält um zehn bis zwanzig eine Bernsteinkette für Kinder, die beim »Zahnen« helfen soll, oder eine farbenreiche Turmalinkette um 7.000. Wer in der Mohsschen Härteskala auf »10« setzt (Diamant), kann auch schnell mehr ausgeben. Ein Fünftel bis ein Viertel des Geschäfts macht Gold- und Silberschmuck aus.

Es ist nicht nur der Handel mit rohen und geschliffenen Steinen, der »den Leykauf« zu etwas Besonderem macht. Ganz groß geschrieben wird auch der Service. Der reicht von der individuellen Schmuckanfertigung und Schleifarbeiten über Wappengravuren und Knüpfarbeiten – etwa für Perlenketten – bis zu Reparaturen: Wie schnell fehlt einmal ein Stein aus einem alten Erbstück? Bevor die Hoffnung stirbt, kann sich der Weg in die Bürgergasse lohnen. In 50 Schubladen lagern unzählige geschliffene Einzelsteine und kleine Briefchen mit tausenden kleinen Brillanten und zigtausenden Steinen insgesamt. Aber auch Steinbestimmungen und die Erstellung von Gutachten zählen zu den Angeboten des außergewöhnlichen Familienunternehmens. »In dieser Form sind wir wirklich einzigartig«, sind sich die Leykaufs sicher. Das wissen auch die Kunden zu schätzen, und es nimmt nicht Wunder, dass der Großteil von ihnen wiederkommt: »Die meisten Kunden von uns sind Stammkunden.«

Gemmologe und Sachverständiger
Eingekauft werden die rohen oder bearbeiteten, natürlichen und synthetischen Steine vorwiegend bei Steinhändlern und Schleifereien in Brasilien, Hongkong, Indien, aber auch Italien und Deutschland; dort wiederum in Idar-Oberstein, der Schleifmetropole Europas. Wo sich auch Sohn Dietmar Leykauf (46), der das Unternehmen im Jahr 2003 übernommen hat, nach der Handels- akademie zum Gemmologen (Gemmologie ist die Edelsteinkunde) ausbilden ließ. Heute kommt kein Edelstein mehr »unerkannt« an ihm vorbei. Vorsicht übrigens bei der Wortwahl: Wer sich nicht als gemmologischer Ignorant outen will, vermeide das Wort »Halb- edelstein«. Es gibt Edelsteine und es gibt Gestein. Punkt. Auch Steine sollte man nicht beleidigen, vor allem wenn man an ihre Kraft denkt. An diese glaubt jedenfalls ein erklecklicher Teil der Leykauf-Kundschaft. Stichwort Esoterik: Danach stehen Steine ja in Verbindung mit dem Kosmos, haben Einfluss auf Strahlungen und beeinflussen selbst Mensch, Tier und Pflanze. Edelsteine und Kristalle faszinieren seit jeher und sind von unzähligen Geschichten umrankt. Hildegard von Bingen und Konrad von Magdeburg haben sich bereits im Mittelalter mit den heilenden Kräften der Steine als Wissenschaft befasst. Die moderne Steinheilkunde bestätigt die den Steinen nachgesagte Wirkung mit Hilfe der modernen Methoden aus Physik und Chemie zumindest teilweise.

Über den Wert von Schmuck und Diamanten
Ein Blick in die Leykauf-Auslagen stimmt auf nicht erklärbare Weise heiter. Das Geschäft deshalb nur als originell zu bezeichnen, greift zu kurz, es spricht offenbar etwas Unterbewusstes an. Das muss aber keineswegs mit Esoterik erklärt werden, sind doch die meisten von uns wahrscheinlich lieber Exoteriker. Das muss auch nichts Schlechtes sein, wenn man den kargen wie widersprüchlichen Ausführungen von Wikipedia über Exoterik folgt. – Aber vorzugsweise nicht mit Google, sondern mit ixquick.de, was nunmehr nicht bloß die üblichen Abschweifungen im Fazitporträt einleiten, sondern ein handfester guter Tipp für den Schutz Ihrer Privatsphäre sein soll (nach eigenen Angaben »die diskreteste Suchmaschine der Welt«). Und abgesehen davon, dass der eine oder andere Psychoanalytiker meint, dass »Leute, die den Ausdruck unterbewusst benutzen, niemals auch nur das Geringste von Freud verstanden« hätten – dazu am Ende mehr* – scheint sich die heitere Stimmung tatsächlich eher aus vernachlässigten Stammhirn- arealen unschuldig-kindlichen Ursprungs herzuleiten. Die riesigen Geoden aus Amethyst, die verquarzten Fossile, die Mineralien, die Edelsteine – alle sind bunt oder durchsichtig, schön und verlockend. Zudem sind Echtheit und Qualität gesichert, nicht zuletzt deshalb, weil Dietmar Leykauf nicht nur Gemmologe, sondern seit einigen Jahren auch gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Edelsteine und Schmuck ist. Als solcher weiß er auch, dass Schmuck im Vergleich zu Diamanten oder Gold keine ideale Wertanlage ist: »Viele sind enttäuscht, wenn ich ihnen mitteilen muss, dass ihr ererbter Schmuck aus den Siebzigerjahren in der Regel nicht mehr wert geworden ist.« Sondern, wie bei (Bruch-)Gold, nach Gewicht bemessen wird. Es hilft, zu wissen, dass ein Gramm 14-karätiges Gold (585er Punze), so wie es in unseren Breiten für Schmuck üblich ist, zurzeit 17 Euro kostet. Bei Schmuck sind die Kosten für Arbeit oder Gestaltung und Design wichtige Preisgestaltungsfaktoren. Daher lohne es sich oft, nicht mehr tragbaren, weil aus der Mode gekommenen Schmuck einfach umarbeiten zu lassen, was ebenfalls in das Serviceangebot von Leykauf fällt. Auch bei kleinen Diamanten ist zu berücksichtigen, dass der Preis für die Arbeit, vor allem das Schleifen, in Relation zum eigentlichen Wert sehr hoch ist. Bei Einzeldiamanten ab einem halben Karat sieht die Sache schon wieder anders aus, meint der Fachmann: »Da beginnt eigentlich erst die Wertanlage. Auch der Kostenanteil der Arbeit verringert sich bei Steinen ab fünf Millimeter Größe entsprechend. Wichtig ist bei solchen Diamanten außerdem noch die Zertifizierung durch ein international anerkanntes Institut.« Dann doch irgendwie beruhigend.

R. Leykauf GmbH
8010 Graz, Bürgergasse 13
Telefon 0316 822236
leykauf-edelsteine.at

Fazitportrait, Fazit 123 (Juni 2016) – Foto: Marija Kanizaj

Kommentare

Eine Antwort zu “Im Haus der Steine”

  1. Christa Klepej
    3. Juni 2016 @ 12:20

    Ein sehr interessantes Fazit-Portrait mit schönen Fotos.

    Danke und

    freundliche Grüße, Christa Klepej

Antworten