Die Ängste der Journalisten ernst nehmen
Redaktion | 24. November 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 128, Kunst und Kultur
Über Journalisten und andere Menschen. Es ist leicht, sich überlegen zu fühlen. Wenn man gebildet und gut informiert ist, ist es leicht, die Sorgen und Ängste vieler Journalisten nicht ernst zu nehmen, sie als irrationale Ressentiments abzutun. Trotzdem ist es falsch. Wir müssen die Ängste der Journalisten ernst nehmen.
::: Text von Michael Bärnthaler
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Denn Angst haben sie jetzt, und vielleicht werden sie in Zukunft auf den kleinen gezeichneten Porträts nicht mehr so unglaublich tough und smart aussehen, weil sie wissen, dass die Welt, die sie doch interpretieren und verändern wollten, ihnen mehr und mehr entgleitet. Wir müssen diese Ängste sehr ernst nehmen, weil frustrierte Menschen bekanntlich zu irrationalen Reaktionen neigen. Was werden Journalisten tun, wenn ihnen niemand mehr zuhört? Wenn sie niemand mehr ernst nimmt?
Auch wenn sie uns nie ernst genommen haben, so müssen wir doch jetzt die nicht mehr ganz so toughen, nicht mehr ganz so smarten Journalisten ernst nehmen. Wir müssen ihnen zuhören, auf sie eingehen, ihnen die Angst nehmen: Denn die Welt dreht sich weiter, auch nach dem Brexit, auch mit Donald Trump als Präsident, auch wenn in einigen europäischen Ländern eine neue, etwas populistische Rechte bald Regierungsverantwortung übernehmen wird. Das müssen wir den Journalisten vermitteln: Dass die Welt sich weiterdreht, immer. Eine Zeitlang mit, doch irgendwann auch zwangsläufig ohne uns. Wir müssen gelassen bleiben und Gelassenheit lehren. Den Ängsten, ja der Hysterie macher Journalisten müssen wir mit Vernunft, Mäßigung und einem gewissen Stoizismus begegnen. Wir dürfen den Dialog nicht abbrechen, aber wir müssen darauf bestehen, dass es ein vernünftiger Dialog ist, in dem Hysterie und rhetorische Exzesse oder gar Versuche der Manipulation keinen Platz haben können.
Wir müssen die Ängste der Journalisten ernst nehmen! Denn schließlich sind sie unsere Mitbürger, mitunter sogar Freunde. Einige unserer besten Freunde sind vielleicht Journalisten, nicht wahr? Wir müssen das Gemeinsame über das Trennende stellen und Tendenzen der Hysterisierung – die ja auch nicht nur von Journalisten ausgehen – entschieden bekämpfen.
Wir müssen die Ängste unserer Mitmenschen ernst nehmen. Warum? Weil sie unsere Mitmenschen sind. Und kein Mensch ist ohne Angst.
Alles Kultur, Fazit 128 (Dezember 2016) – Foto: Enlarge (Montage)
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