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Tandl macht Schluss (Fazit 140)

| 22. Februar 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 140, Schlusspunkt

Österreich braucht Zuwanderung Der Regierungseintritt brachte eine Zäsur für die FPÖ mit sich. Denn bis vor wenigen Wochen war es nur schwer vorstellbar, dass die Partei irgendwann auf ihr unreflektiertes »Ausländer raus!«-Getue verzichten wird. Doch angesichts der Hochkonjunktur und der Jammerei vieler Unternehmer, die ihre offenen Stellen nicht adäquat besetzen können, haben selbst die Freiheitlichen begriffen, dass Österreich auf die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern angewiesen ist.

Die demografischen Probleme sind inzwischen so eklatant, dass Betriebe in Abwanderungsregionen nur mehr das Allernötigste investieren. Sie können selbst konjunkturell sinnvoll erscheinende Betriebserweiterungen nicht vornehmen, weil sie keine geeigneten Arbeitskräfte finden. Und auch in den Ballungsräumen hat sich die Arbeitskräftenachfrage längst von der Arbeitslosigkeit entkoppelt. Magna sucht in Graz für die Produktion des »Plug-in-Hybrid-BMW 530e« sowie des elektrischen »Jaguar I-Pace« seit zwei Jahren über 3.000 neue Arbeitskräfte. Angesichts von immer noch gut 40.000 Arbeitslosen in der Steiermark sollte es eigentlich kein Problem sein, genügend Leute für die überdurchschnittlich bezahlten Industriejobs zu finden. Doch weit gefehlt: AMS und Magna starteten die größte bundesweite Ausbildungsaktion aller Zeiten, um mit Hilfe einer sogenannten »Implacement-Stiftung« die neuen Mitarbeiter für die Anforderungen zu qualifizieren. Dennoch konnten aus dem Heer der 40.000 bis Jahresende nur 1.400 Arbeitslose für die Aufnahme in die Stiftung gefunden werden. Daher musste Magna seine Fühler weit bis nach Slowenien, Kroatien und Ungarn ausstrecken. Ohne die von der EU garantierte Personenfreizügigkeit des Binnenmarktes wäre es für Betriebe mittlerweile undenkbar, Großaufträge, die einen mittelfristigen Beschäftigungsausbau erfordern, in Österreich zu erfüllen. Doch auch der Arbeitsmarkt der südosteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten trocknet rasch aus. Davon abgesehen bringt der Braindrain für diese Länder große Probleme mit sich.

Das Beispiel von Magna zeigt als eines von vielen, dass der Fachkräftebedarf die Zahl der qualifizierungsfähigen Arbeitslosen weit übersteigt. Daher erweiterte die neue ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition als eine ihrer ersten Maßnahmen die Mangelberufsliste für Zuwanderer aus Drittstaaten von 11 auf 27 Berufe. Dennoch war die Aufregung groß. So unterstellte etwa SPÖ-Parteichef Christian Kern der Regierung, sie wolle 150.000 zusätzliche Ukrainer, Russen oder Türken ins Land holen. Dabei ist die Regierung bei der Fachkräfteverordnung für 2018 nur den Vorgaben der Vorgängerregierung gefolgt. Die Mangelberufsliste wurde noch von SP-Sozialminister Alois Stöger erstellt. Aber nachdem im Vorjahr nur 292 Drittstaatenangehörige als Fachkräfte ins Land gekommen sind, wird es auch heuer nicht möglich sein, genügend Menschen von einem Arbeitsplatz und einem Leben in Österreich zu überzeugen. Außerdem drängt sich die Frage auf, warum die SPÖ wegen dieses Themas so einen Wirbel macht. Ist die Partei womöglich über Nacht ausländerfeindlich geworden? Oder will sie nur einen Teil des oppositionellen Populismus übernehmen, der die FPÖ so erfolgreich gemacht hat und der ihr nun als Regierungspartei verwehrt ist? Trotz der Tausenden anerkannten und arbeitsfähigen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die 2015 ins Land gekommen sind, ist Österreich auch in Zukunft auf die Zuwanderer angewiesen – auf Menschen, die bei uns arbeiten wollen und auch dazu in der Lage sind. Das Durchschnittsalter der arbeitenden Österreicher steigt. Die Babyboomer gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Und dann könnte das demografische Problem zu einer demografischen Katastrophe auswachsen. Bis 2040 werden 100 Erwerbstätige über 80 Pensionisten schultern müssen. Obwohl die künftigen Erwerbsquoten wegen der Auswirkungen der Digitalisierung kaum kalkulierbar sind, ist dennoch klar, dass wir es besser als in der Vergangenheit schaffen müssen, qualifizierte Einwanderer aus Drittstaaten zu uns zu holen. Die Armutsmigranten, die schon hier sind, tragen bestenfalls über ihre hoffentlich gut integrierten Kinder zur Lösung bei.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 140 (März 2018)

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