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Stimmgewalt

| 29. Juni 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 144, Kunst und Kultur

Foto: Peter Troissler

Der aufstrebende Sänger Paul Plut erschien zum 15. Jubiläum des Konzertveranstalters Platoo in der Herz-Jesu-Kirche. Er erzeugte eine ehrfürchtige Atmosphäre und machte leider einen Fehler.

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Es Es gibt noch Garantien im Leben. Oder zumindest Dinge, die nahezu garantiert sind. Zum Beispiel, dass Freunden der gepflegten Gitarrenmusik bei Konzerten, die von Platoo organisiert wurden, Gesangsabende mit herausragender Qualität geboten werden. Jan-Pieter Martens, ein Belgier und erfolgreicher Profifußballer bei Sturm Graz um die letzte Jahrtausendwende, hatte die Singer- und Songwriter-Plattform einst ins Leben gerufen. Eine Initiative, die seitdem versucht, heimische Künstler zu fördern, auch internationale Künstler nach Graz bringt und seit mittlerweile 15 Jahren wesentlich erfolgsversprechender ist als die musikalischen Selbstversuche des besagten Gründers. (Ich habe einem Album dieses sportlichen Idols meiner Kindheit mehrfach und sehr wohlwollend in unterschiedlichsten Lebensphasen und Altersstufen Chancen gegeben, doch so sehr ich es auch wollte – das einzige Urteil, zu dem ich kam, ist die pädagogisch wertvollste aller möglichen zerschmetternden Kritiken: »sehr bemüht«.)

15 Jahre gibt es Platoo also schon, das klingt nach Geburtstag und Jubiläum, und wie sollte ein Konzertveranstalter ein solches Fest anders feiern als mit einem musikalischen Stelldichein. Weil Jan-Pieter Martens mittlerweile im deutschen Profifußball – bei Schalke 04, um genau zu sein – als Teammanager arbeitet, gab er weder selbst seine größten Hits (?) zum Besten, noch konnte er mit Anwesenheit glänzen. Stattdessen luden die nunmehrigen Platoo-Masterminds Michael Pelitz und Peter Troissler zu einem Konzert des aufstrebenden Österreichers Paul Plut. Und zwar nicht etwa in einer der üblichen Locations wie Scherbenkeller (wäre auch zu klein gewesen), Postgarage (nicht so fancy exklusiv und besonders) oder Orpheum (auch gar normal), sondern in die Herz-Jesu-Kirche. Und das, was sich dort in den ehrwürdigen Mauern des neugotischen Backsteinbaus ereignete, war kein Konzert. Es war eine Offenbarung der positivsten Sorte, mehr eine Erscheinung als ein Auftritt, was auch an der überragenden Akustik in der Verantwortung von Martin Mayer lag.

Man muss wissen: Paul Plut ist – wie es der Standard schon vergangenen November richtig andeutete – in seiner Rolle als Solomusiker eine Mischung aus obersteirischem Leonard Cohen und Hipsterversion von Tom Waits. Und seine Stimme vermag es, einen schier unendlich hohen Raum so in Beschlag zu nehmen, dass man von seinem ersten Einsatz an jegliche jemals ins Leben getretenen Sorgen vergisst und in einen tranceähnlichen Zustand des Zuhörglücks verfällt. Schade nur, dass dieser noch recht junge Mann, der schon länger als Frontmann der Deutschpopband Viech weltberühmt in Graz-Lend ist, wohl die zufriedenen Gesichter des Publikums erkennend, seine ohnehin bereits wundervoll zum Nachdenken anregenden, mal melancholisch bis aggressiven, mal beruhigend monotonen Werke im letzten Drittel seiner Vorstellung gar zu oft kommentieren wollte. Als wollte er den mehr als 200 Menschen auf den Kirchenbänken klarmachen: »Hey, bin eh nur einer von euch, kein Halbgott, der hier im Dunklen von Herz-Jesu alle Scheinwerfer auf sich ziehen muss, um seinen Narzissmus zu befrieden.«

Darum sei vermerkt: Die Kunstfigur Paul Plut bringt das Leben wesentlich besser auf den Punkt als der 30-jährige Langzeitstudent mit seiner eh lieb gemeinten Konsum- und Regierungskritik. Was nichts daran ändert, dass diesem Mann eine große Zukunft nachgesagt wird. Aber was bedeutet schon »nachsagen«. Es dürfte sich bei dieser Vorhersage auch eher um etwas handeln, das nahezu garantiert ist.

::: Zur Webpage von Paul Plut

Alles Kultur, Fazit 144 (Juli 2018) – Foto: Peter Troissler

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