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Starker Stoff

| 26. April 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 152, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Bei Stako in Seiersberg wird Berufskleidung hergestellt, die bei manchen auch in rein modischer Hinsicht Akzeptanz findet. Warum der Familienbetrieb aus Puntigam weg musste, warum dann ein Tauchturm gebaut wurde und warum der Unternehmenseigner Gerald Kozmuth ein echter Entdecker ist, das – und noch mehr – erfahren Sie in dieser Geschichte.

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Mein Freund Andi hat immer die lässigsten Hosen an. So eine Art strapazfähige Freizeithosen, aus eher festem Stoff, jedenfalls Robustheit ausstrahlend und von jener einfachen Raffinesse, vielmehr umgekehrt von raffinierter Einfachheit, die, frei nach Friedrich Schiller, das Resultat von Reife sein könnte. Allerdings trägt er sie meist in Schwarz – er ist Architekt –, obwohl sie auch dann nicht zu einem Sakko passen würden. Aber, so verrät er eines Tages, es gäbe sie auch in anderen, sogar grellen Farben oder bunt mit andersfärbigen aufgesetzten Taschen oder Knieverstärkungen. Und sie würden nur die Hälfte unserer Jeans kosten. Und wo? Na, in diesem Geschäft mit dem Wasserturm, in Seiersberg. Ein Trinkwasserturm? Nein, zum Tauchen. Ach, beim Stako!

Stickmaschinen als Retter
In der Stickerei von Stako überwiegt die gespenstische Atmosphäre kalter Robotik. Sechs Stickmaschinen rattern vor sich hin und sticken die unterschiedlichsten Motive auf ebenso unterschiedliche Materialien. Sie tun das mit einer Präzision, die man sich für die künftigen autonom gesteuerten Autos nur wünschen kann. Fehlerlos, millimetergenau. Diese Maschinen sind es auch, die den Betrieb wie ein zweites Standbein stützen und austarieren und durch die Stürme und Untiefen, durch die extremen Einbrüche der Textilbranche in Europa gebracht haben. Stako stellt Berufs- und Arbeitskleidung her und ist noch ein echter Produktionsbetrieb, während die Riesen des Mitbewerbs in der Regel mit Handelsware aus Billiglohnländern wie Fernost agieren und eigentlich nur Händler sind. Diese problematische Entwicklung lässt sich auch bei den Stoffen erkennen, die Stako-Eigentümer Gerald Kozmuth im Ausland einkaufen muss: »Weil bei uns in Österreich ja kaum noch Stoffe produziert werden.« Dass Produktionsbetriebe auch für den Endkunden von Vorteil sind, belegt dieses Unternehmen mit einem Umsatz von 1,2 Millionen Euro eindrucksvoll. Aufgrund seiner vergleichsweise geringen Größe mit elf Mitarbeitern und weil er Produktion und Kosten selbst in der Hand hat, ist der Familienbetrieb nicht nur wendig und flexibel, sondern kann auch für gute Qualität und Verarbeitung sorgen und den Kostenvorteil an den Kunden weitergeben. Während die Branchenriesen bei ihren containerweisen Einkäufen in China vor allem die damit verbundenen Risiken an ihre Kunden in Form von wesentlich höher kalkulierten Preisen weitergeben.

Foto: Heimo Binder

Abenteuerlichste Kombinationen
Natürlich muss auch Gerald Kozmuth kalkulieren. In der Zuschneiderei sehen wir auch, wieso. Dort sind endlich die lässigen Hosen von Andi erkennbar, wenn auch nur in der geringen Stückzahl von Musterhosen. Klar, hier werden die Teile zugeschnitten, man sieht die Hosenbeine, die Aufsetztaschen und die sonstigen Bestandteile, die für eine Hose benötigt werden. Das alte Blauzeug, der Blaumann, das war gestern, hier herrschen jede Menge Farben und Schnitte vor, aus denen sich die abenteuerlichsten Kombinationen zusammenstellen lassen. Und wem partout keine Konfektionsgröße passt, dem wird sie von den hier beschäftigten drei Frauen auf den Leib geschnitten, denn Maßarbeit gehört bei Stako dazu. »Hier waren einmal vierzig Damen tätig«, erläutert Gerald Kozmuth. Sie haben die Schnitte zusammengenäht und die Hosen und Jacken und sonstigen Gewänder fertiggestellt. »Aber bei uns ist der Beruf der Näherin fast ausgestorben«, umreißt er die Lage am Arbeitsmarkt.. Genäht wird jetzt in Slowenien, was freilich auch mit Kostenkalkulation zu tun hat, denn dort fährt man rund ein Drittel günstiger. Dass das aber auch der Kunde zu spüren bekommt, merkt man an den tatsächlich moderaten Preisen. Die »lässige« mehrfarbige Hose kostet 32 Euro, einfarbig gerade einmal 27 Euro. Doch das ist nur eines von vielen Beispielen, denn bei mehr als 500 verschiedenen Modellen allein in Bereich der Arbeitsbekleidung steht man schnell vor der Qual der Wahl. Das Repertoire der Eigenproduktion reicht von Notarztjacken aus Mikrofaser bis zu Reinraumanzügen für Lackierereien. Vor allem die Flexibilität in Schnitt, Farbe, Länge oder Ausführung der Berufskleidung durch die eigene Näherei optimiert den Dienst am Kunden. »Wir erzeugen vom Overall über Ärztehosen bis zum Kochgewand alles im eigenen Haus. Das Besticken mit Logos auf Berufskleidung, Shirts oder Polos, Satteldecken, Bademäntel und Automatten ist ein zusätzliches Angebot an den Kunden«, so Gerald Kozmuth. Das von Unternehmen wie auch Vereinen und Privaten gut genutzt wird. Im Geschäftslokal gibt es natürlich auch jede Menge Handelsware, vom einfachen T-Shirt bis zu Winter-Outdoorjacken, aber ebenfalls zu sehr »konsumentenfreundlichen« Preisen. Der Laie wundert sich. Und der Fachmann Gerald Kozmuth ist der, der »den Karren zieht«, wie er sich ausdrückt. Und der aber noch ganz andere Sachen macht, doch davon später.

Foto: Heimo Binder

Zielgruppenorientierte Fertigung
Angefangen hat alles im Jahr 1963 mit der Auflösung der steirischen Arbeiter- und Handwerkervereinigung, wo Geralds Mutter Ingrid ihren Arbeitsplatz hatte. Sie gründete daraufhin ihr eigenes Unternehmen, die Stako-Berufskleidung. Gerald war 1958 als lediges Kind zur Welt gekommen und das Verhältnis zur Mutter war typisch für die damalige Zeit: Die Firma stand über dem Privaten und er musste schon als Kind nach der Schule im Betrieb mithelfen. Nach einer Tischlerlehre wollte er als 20-Jähriger eigentlich nach Australien auswandern, stieg aber doch in den Betrieb ein. »Es war nicht leicht als einziger Mann in einem reinen Frauenbetrieb.« Vierzig Frauen standen dem Junior sehr skeptisch gegenüber. Akzeptanz war nur durch Können zu erreichen und das musste sich der heute 61-Jährige hart erarbeiten. So holte er eine Lehre in der Weißnäherei nach, begann selbst in der Werkstatt zuzuschneiden, bediente selbst die Nähmaschinen und vermied es geflissentlich, sich als Juniorchef aufzuspielen. Als er 1994 den Betrieb übernahm, fiel ihm die Stickmaschine wieder ein, die er auf einer Messe gesehen hatte, und er investierte dementsprechend. Firmenlogos in Kleinstückzahlen, individuell auf Berufskleidung gestickt, wurde zum Renner. »Ohne diese Stickmaschine und mein Team hätten wir den harten Markt nicht überlebt.« Mit neuem Design und modernerer Schnittführung reagierte der Stako-Chef auf die geänderten Anforderungen an Berufskleidung. Das ermöglichte eine zielgruppenorientierte Fertigung für unterschiedliche Branchen. Da im Großkundenbereich der Konkurrenzdruck durch Billiglohnländer immer größer wurde, nahm er speziell die Zielgruppe der Kleinunternehmer ins Visier – den Koch, den Straßenarbeiter, den Arzt – und kreierte sehr ansprechende und originelle Modelle. Zu den Stako-Kunden zählen aber auch Unternehmen wie Energie Steiermark, das Land Steiermark mit Straßenbau und Katastrophenschutz oder Elin und Andritz in Weiz.

Enteignet
Dass der Betrieb seit 2003 in Seiersberg steht, ist eine eigene Geschichte. Davor war Stako-Berufskleidung in Puntigam in der Pratogasse ansässig. Doch dann kam die Koralmbahn im wahren Sinne des Wortes in die Quere und gegen das Eisenbahnenteignungsgesetz ist kein Kraut gewachsen – Stako musste weichen. Auf dem 5.000-Quadratmeter-Grundstück von Hydro-Eibinger fand Kozmuth aber adäquaten Ersatz und konnte sich einen alten Wunsch erfüllen: sein Hobby zum Beruf zu machen. Der leidenschaftliche Taucher investierte knapp 6 Millionen Euro in den Neubau des Firmensitzes inklusive eines elf Meter tiefen Tauchturms und eines Hallenbads in dritten Stock. Außerdem befindet sich auch ein Ärztezentrum mit mehreren Fachärzten im neuen Bau, worüber sich die Seiersberger freuen können. Die mit dem Tauchturm verbundene Tauchschule und der Tauchshop im Parterre werden mittlerweile von Sohn Christian Kozmuth betrieben. Geralds Ehefrau Astrid Kozmuth managt das Y.O.B.-Bewegungszentrum (Yoga, Pilates, Fitness) mit dem Hallenbad sowie den Tauchturm.

Foto: Heimo Binder

Entdecker der »Linz«
Was macht Gerald Kozmuth noch? Er und Astrid sind begeisterte Motorradfahrer und machen sogenannte »Holy Tours« mit Gleichgesinnten durch halb Europa und haben auf zwölf Charity-Konvoifahrten bereits 50.000 Euro für das SOS-Kinderdorf in Stübing aufgetrieben. Beeindruckend ist auch Gerald Kozmuths Eintrag in die Marinegeschichte. Das Wracktauchen vor der kroatischen Küste wurde ihm irgendwann zu langweilig und er suchte nach aufwändigen Recherchen in Triest, London und Wien vor der albanischen Küste nach dem Dampfer »Linz«, der gegen Ende des Ersten Weltkrieges als Truppentransporter eingesetzt war und am 19. März 1918 von einem italienischen Unterseeboot versenkt wurde. Am 12. Dezember 2000 gelang dem Stako-Chef das Kunststück: Er fand tatsächlich die »Linz«, in 45 Metern Tiefe. Von besonderer Tragik war der Umstand, dass sich außer den knapp 700 offiziell gemeldeten Passagieren, von denen wiederum über 400 italienische Kriegsgefangene waren, unzählige »blinde Passagiere« an Bord befanden. Man geht davon aus, dass es bis zu 3.000 waren, von denen nur 291 gerettet werden konnten. Das wären etwa doppelt so viele Opfer wie beim Untergang der »Titanic«. In Zusammenarbeit mit dem ORF entstand darüber auch eine 45-minütige Dokumentation. Was noch ungewöhnlich an diesem Gerald Kozmuth ist: Er ist nicht ständig erreichbar – sein Handy ist seit sechs Jahren außer Betrieb.

STAKO Berufskleidung
8054 Seiersberg-Pirka, Premstätterstraße 1
Telefon +43 316 2415150
berufskleidung.at

Fazitportrait, Fazit 152 (Mai 2019) – Fotos: Heimo Binder

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