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Im Reich der Düfte

| 9. März 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 160, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Graz gilt als die am dichtesten besetzte Parfümerielandschaft Österreichs. Hier behauptet sich seit bald einem dreiviertel Jahrhundert die umsatzstärkste privat geführte Parfümerie der Steiermark, die »Feinparfumerie Dr. Ebner«. Gegen scheinbar übermächtige Gegner aus analoger und digitaler Welt setzt sie auf Bedienung und Dienstleistung. Der Erfolg gibt ihr Recht.

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Der Geruchssinn wird meist zum Schluss genannt. Völlig ungerechtfertigt – an die erste Stelle gehört er! Wo wären ohne ihn Seh-, Hör-, Tast- und Geschmackssinn? Nicht auf der Welt, fragen Sie Ihren Hund oder Patrick – »Das Parfum« – Süßkind. Warum lachen Frauen wie Männer, wenn sich Kevin –»Niemand nennt mich dämlich!« – Kline im Film »Ein Fisch namens Wanda« oscarreif am Geruch seiner Achselhöhlen ergötzt? So niedrig der Instinkt, so hoch ist die Kunst seiner Zivilisierung: Im Rahmen der schönen Düfte beschäftigt sich seit mittlerweile 74 Jahren die Grazer Parfümerie Dr. Ebner eben damit.

Steigende Umsätze
Vor sieben Jahren haben Ilona und Michael Eitel das legendäre Unternehmen von Michael Ebner übernommen und in einem noch immer wachsenden Markt trotz des ebenfalls wachsenden Mitbewerbs die Stellung als umsatzstärkste privat geführte Parfümerie der Steiermark gehalten. Was auch angesichts der Preisschlachten der großen Ketten von Marionnaud bis Douglas, der Ausweitung der Shoppingcenter mit jeweils bis zu zwei Mitbewerbern und insbesondere der Online-Konkurrenz kein leichtes Unterfangen ist. »Aber wir konnten den Umsatz jedes Jahr noch steigern, wenn es in den letzten beiden Jahren auch schwieriger geworden ist«, so Geschäftsführerin Ilona Eitel. In den letzten fünf Jahren betrug das Umsatzplus 20 Prozent und in der Kosmetik beachtliche 47 Prozent. Michael Eitel verrät, dass die Ein-Millionen-Grenze schon vor einigen Jahren geknackt wurde. Wenngleich von der Wirtschaft zugelassene Rabatttage wie Woman’s Day, Black Friday oder Cyber Monday »auf unsere Kosten gehen und die Marge drücken.« Der wichtigste Erfolgsfaktor sei heute der wachsende Bereich der Dienstleistung, also Service und Beratung. Davon umfasst sind auch die weiteren drei Säulen des Unternehmens: Das wäre zunächst die Säule »Duft«, obwohl Parfums am wenigsten beratungsintensiv und durch den Onlinehandel am meisten umkämpft sind. Außer John F. Kennedy spielt mit, aber davon später. »Dekorative Kosmetik« wird eine weitere Säule genannt – sie umfasst Make-up & Co, sohin Farbe wie Lippenstift, Rouge, Puder oder Wimperntusche. Eine Hauptsäule schließlich ist die Pflege, lassen die Profis wissen. Es geht um die Crème – die richtige, die passende, die, die meist alles Weitere in der Pflege bestimmt, das Tonic, den Primer, das Serum.

Womit wir beim Thema Luxus sind. Denn gerade bei der Pflege ist – auch – die Stärke des Portmonnaies ausschlaggebend. Ob der enormen Markenvielfalt ist die Preisspanne entsprechend groß. Die teuerste Crème (von »La Prairie«) wird um rund 800 Euro feilgeboten, die günstigste (von Hildegard Brauckmann) kostet 17 Euro. Michael Eitel bemerkt dazu, dass auch seine Töchter, 17 und 19 Jahre alt, gern bei Bipa & Co einkaufen, dort Handyfotos machen und sich mit Freundinnen austauschen. Seine Kundschaft ist 45plus und schätzt die Dienstleistung Bedienung im Fachgeschäft.

4711 und Nivea
Begonnen hat alles bescheiden. Als das Geschäft kurz nach Kriegsende 1945 von Wilhelm und Dr. Katharina Ebner am Eck Raubergasse/Kaiserfeldgasse aufgesperrt wurde, war die Ware äußerst knapp. Da Wilhelm wie schon seine Mutter gelernter Friseur war, gehörte auch ein Frisiersalon zum neu gegründeten Geschäft in den ehemaligen Räumen der Strickerei Zitterbart. Der ausführende Baumeister soll gerade ein Fahrrad für seine Tochter benötigt haben – danach richtete sich auch sein Honorar. Plagiate von 4711 und Nivea bestimmten das Warenangebot und es glich einer Sensation, als in den 1950er Jahren erstmals »Original 4711« und die »echte« Nivea in den Regalen standen. Geprägt von der kargen Nachkriegszeit, als Schönheitsprodukte der Ermunterung und Stärkung der Psyche dienten sowie Gepflegt- und Schönsein dem Selbstwert, brach in den Folgejahren mit der Erweiterung des Marktangebots durch Helena Rubinstein, Elisabeth Arden und Lancôme eine neue Ära der Schönheitspflege an: neue Ware, neue Bedürfnisse, neue Konsumenten. Letztere mussten erst gefunden werden. In einem Interview vor 15 Jahren mit dem Autor erinnerte sich die studierte Kunstgeschichtlerin Katharina Ebner, deren erste berufliche Erfahrungen aus dem Dorotheum und der Albertina herrührten, dass man sich den Aufwand, der damals betrieben wurde, nicht einmal mehr annähernd vorstellen könne: »Die Firmeninhaber der großen Kosmetikmarken kamen vielfach noch persönlich zu den Veranstaltungen. Wir veranstalteten Bälle, hielten Vorträge, arbeiteten mit Modehäusern, Theatern und Hotels zusammen – mit endloser Ideenfindigkeit. Für Handel und Industrie zählte nur eines: Konsumenten gewinnen, überzeugen, begeistern und behalten.«

Foto: Heimo Binder

Französische Parfumwoche
Damals bestand die Kunst des grundsätzlich nur auf dem lokalen Markt agierenden Parfumfachhandels darin, den Kunden über das Kölnisch Wasser hinaus für individuelle Düfte zu interessieren. Die Duftauswahl war im Gegensatz zu heute exklusiv, klein und überwiegend französisch. 1962 erfand Dr. Ebner die »Französische Parfumwoche«, die bald von der Branche übernommen wurde und noch heute ein Begriff ist. Erstmals lieferten Chanel, Dior und Guerlain kleine Einstiegsgrößen und zauberhafte Miniaturflakons in streng limitierten Stückzahlen. Das brachte Frequenz und Neukunden: Schnäppchen plus Verknappungsmarketing – das funktionierte. Auch der Sohn und spätere Nachfolger Michael Ebner beteiligte sich intensiv an den Veranstaltungen, die damals noch nicht Events hießen: Legendär der Pariser Stadtautobus, der als Dr.-Ebner-Parfumbus zur Grazer-Messe-Attraktion wurde. Das Vorkriegsmodell hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, sodass die Fahrt von Paris nach Graz drei Tage in Anspruch nahm. In den 1970er Jahren sammelte Ebner Erfahrung bei Guerlain in Paris und der damals größten Parfümerie von Österreich, Ruttner in Wien, die später an Douglas verkauft wurde, wo Ebner ebenfalls gearbeitet hat. Er rechne es dem vormaligen Eigentümer auch deshalb hoch an, dass er nicht an eine große Parfümeriekette verkauft hat, sondern nach langen Verhandlungen mit ihm und seiner Frau Ilona handelseins geworden ist, so Michael Eitel. Die beiden Filialen in Graz und Leoben waren da bereits Geschichte.

Vom Lehrling zur Chefin
Ilona Eitel kennt das Unternehmen bereits seit fast dreißig Jahren. Als Siebzehnjährige begann sie im Jahr 1991 bei Dr. Ebner nämlich ihre Lehre als Parfümerie-Fachverkäuferin und Kosmetikerin. Für fünf Jahre war sie schließlich weg, aber auch in St. Pölten und Ilz vorwiegend in den Bereichen Administration, Buchhaltung und Lagerbewirtschaftung tätig. »Dann hat sich Herr Ebner bei mir gemeldet, und ab dem Jahr 2000 wurde ich sozusagen seine rechte Hand als Assistentin.« Und seit 31. März 2013 gehört ihr der Laden. Von dem sie offensichtlich genau weiß, wie er funktioniert. »Und ab 1. April 2020 ohne Bank«, feixt Michael Eitel. Denn dann ist auch der Kredit abbezahlt. Michaels Zugang zur Branche war überdies zwar quer, aber auch gut gemanagt. Als Schulabbrecher in der achten Klasse war er nach Stationen als Schilehrer und in der Gastronomie 25 Jahre lang als Vertragsbediensteter beim Bundesheer tätig. Die dort erworbenen Kenntnisse aus der Buchhaltung kann er heute im Backofficebereich genauso gut brauchen wie sein ausgeprägtes Interesse für Werbung und Marketing. Sein Coup ist, dass er sich vom Bundesheer karenzieren lassen konnte und erst seit drei Jahren voll ins Geschäft eingestiegen ist.

Foto: Heimo Binder

Ausgebuchter Kosmetiksalon
Die erwähnte Konzentration auf die Dienstleistungssäule findet ihren Ausdruck in einer eigenen Schminkschule, in buchbaren Beratungsstunden und vor allem in mittlerweile drei Kabinen für die Kosmetikbehandlungen. »Falten sind was Wunderschönes«, meint Ilona Eitel, »aber gepflegte Falten sind schöner.« Was Frauen wirklich wünschen, sei Ausstrahlung. Neben zahlreichen Behandlungen von 5 bis 190 Euro kommen hier im Wesentlichen zwei Geräte für je sechzig Minuten zu je 85 Euro zum Einsatz. Eine Art »Minisandstrahlgerät« mit Ultraschall zur Abtragung verhornter Hautzellen (Mikrodermabrasion) und ein Sauerstoffdruckimpulsapplikator zur Einbringung von kosmetischen Wirkstoffen in die Haut. Daher ist die Parfümerie schon längst zugleich ein stets ausgebuchter Kosmetiksalon. Michael Eitel: »Wir könnten noch zwei Kosmetikerinnen brauchen, haben aber zu wenig Platz für mehr Behandlungsstühle.« Und John F. Kennedy? Er setzt heute noch quasi seine Duftmarke. Als Student auf Europareise lernte er 1937 einen so wohlriechenden Herren kennen, dass er ihn darauf anspricht. Es war der Pariser Parfumeur Albert Fouquet, der ihm daraufhin eine Probe seines für sich selbst kreierten Parfums schenkt, das in der Folge bei Kennedys Freunden in den USA für großes Aufsehen sorgte. In seinem Dankesschreiben äußerte Kennedy dann die innige Bitte, ihm acht Fläschchen und ein weiteres für seinen Bruder Bob zu senden. Der Name »Eight & Bob« war geboren. Und es riecht wirklich gut. Ohne Beratung. Aber wohl stark präsidial beeinflusst.

Feinparfumerie Dr. Ebner Gmbh.
8010 Graz, Kaiserfeldgasse 20
Telefon +43 316 815581
kosmetik-ebner.at

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