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Den Tourismus stärken zu wollen, ist sinnvoll und keine abgehobene Arroganz

| 29. Mai 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 163

»Einkommazwei Millionen in Kurzarbeit. 600.000 arbeitslos. Pleitewelle vor der Tür. Kulturbranche am Verrecken. Sollen Sie doch Lust auf Urlaub haben.« So lautet ein Tweet von Falter-Chefredakteur Florian Klenk, in dem er auf eine Kampagne der österreichischen Bundesregierung bzw. der Österreich-Werbung – mit offenbar recht kritischem, ja beinahe besorgtem Unterton – hinwies. Ministerin Elisabeth Köstinger hat nämlich auf diese Aktion aufmerksam gemacht und den Spruch »auf Dich wartet ein guter Sommer« veröffentlicht.

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Das war mit Klenk vielen Kurz-kritischen Großdenkern (wieder einmal) zuviel und so gab es sogar ein kitzekleines Shit-Stürmchen ob der »Abgehobenheit« österreichischer Tourismusverantwortlicher, jetzt an Urlaub zu denken. An dem Werbespruch wurde ein »Peak Überprivilegiertheit« festgemacht, der nur von jemanden stammen könnte, dem »die Not von Millionen Menschen egal« sei und der daher gar nicht begreife, »wie unfassbar zynisch« er sei. Das ist grundfalsch und es wäre wohl gar nicht der Erörterung hier wert, würde diese Verkennung der Realität nicht gut auf ein, breiteste Gesellschaftsschichten erfassendes, vollkommenes Unverständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge hinweisen.

Florian Klenk denkt, er würde sich um 1,8 Millionen Menschen Sorgen machen und sieht diese durch den Versuch, Österreichs Tourismus anzukurbeln, offenbar in ihrer Würde verletzt. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Klenks Mitleid mit von der Krise getroffenen Menschen mag dem kurzsichtigen Auge als nett erscheinen, hilft denen aber in keiner Weise. Den Beschäftigten in Tourismus, in Gastronomie und in weiteren verbundenen Wirtschaftszweigen kann das Engagement der Regierung dafür recht unmittelbar helfen. Gerade das sind – auch – Branchen, die durch Kurzarbeit und viele (hoffentlich nur kurz- und mittelfristige) Kündigungen sehr hart getroffen sind. Also ist es gerade jetzt besonders wichtig, verstärkt daran zu erinnern, dass ein Urlaub auch heuer möglich ist. Demjenigen möglich ist, der es sich finanziell leisten kann. Und der damit dafür sorgt, die Beschäftigten in Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben aus der Krise zu holen.

Und zur breiten Inkompetenz in Wirtschaftsfragen gesellt sich, auch das lässt sich an dieser kleinen Erregung ablesen, eine seit Jahren grassierende Versozialistisierung unserer intellektuellen Eliten. Und im Sozialismus ist es halt wichtig, dass es immer und immer wieder neue »Opfer« gibt. Die sich ja nicht selbst helfen können, sondern die – in aller Regel mit dem Geld, dass auf Bäumen wächst, sprich mit dem anderer Leute – gefälligst entschädigt gehören. Damit kein Mißverständnis entsteht: Natürlich soll in dieser Krisensituation der Staat einspringen, Kurzarbeit ist dabei eine der Maßnahmen (die offensichtlich auch greift), andere Formen der Unterstützung sind es jedenfalls auch. Hier geht es darum, dass genau diese Unterstützung aber finanziert werden muss. Und dass etwa eine möglichst starke Sommerurlaubssaison 2020 genau eine Form dieser Finanzierung darstellen kann. (Und wird!) Und es keine böse, abgehobene oder zynische Aktion böser, abgehobener oder zynischer Menschen ist, die auf diesen Aspekt hinweisen und diesen Teil der Wirtschaft befeuern wollen. Tourismus, auch wenn der Eindruck entstehen könnte, ist bei Weitem nicht der wichtigste Faktor österreichischer Wirtschaftskraft (gesamt rund 15 Prozent), wir sind – nicht zuletzt dank hoher Forschungs- und Entwicklungsquote – natürlich vor allem ein Industrieland.

Trotzdem, das kann der Chefredakteur einer Wiener Stadtzeitung schon einmal übersehen, weite Teile unseres Bundesgebietes wären in ihrer infrastrukturellen Ausgestaltung ohne Tourismus schlicht nicht erhaltbar. Denn durch die intensive Personalquote eben in Hotellerie wie Gastronomie werden ganze Landstriche erst mit ausreichenden Arbeitsplätzen versehen. Der Linke in mir, der ich ja auch bin, kann das Sprüchlein der österreichischen Wirtschaftskammer »Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut« (war, denke ich, zuletzt in den Nullerjahren als Claim im Einsatz) ja auch kaum mehr hören. Er hat aber ein Gutes: er stimmt im Grunde. Und sogesehen können wir ohne jeden Zynismus festhalten: Geht’s dem österreichischen Tourismus bald wieder besser, geht’s uns allen bald wieder besser. Fahren Sie auf Sommerurlaub! Wo immer Sie hin können; es darf ruhig auch die Steiermark sein.

Editorial, Fazit 162/163 (Juni 2020)

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