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Die letzte Bastion

| 6. Oktober 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 166, Fazitthema

Illustration: PPA-Group/Adobe-Stock

Klassische Anlageformen sind seit dem Jahr 2008 vielfach entwertet. Betongold aber bildet immer noch eine Ausnahme. Die Folge: Wohnraum wird immer mehr zum Finanzprodukt mit stabilen Renditen. Das ist auch in Graz spürbar. Ein Text von Johannes Roth.

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Es geht um viel: viel Geld, viel Raum und viel Arbeit. Die Immobilien- und Bauwirtschaft erfüllt Wohnträume, schafft Eigentum oder ein Dach über dem Kopf. Sie ist einer der lukrativsten Wirtschaftszweige und steht gerade deswegen immer wieder in der Kritik. Nicht immer ganz zu Unrecht, denn wo gehobelt wird, fallen Späne: Irgendwo wird immer eine Villa weggerissen, eine Aussicht verstellt oder gegen vermeintliche Denkmalschutzauflagen verstoßen. Andererseits regt sich Unmut auch dort, wo gerade nicht gebaut wird: Der Tristesse brach liegender Gründe und dem morbiden Charme bröckelnder Fassaden, verfallender Villen und welker Wiesen mag eben nicht jeder gerne erliegen.

Milliardenmarkt Wohnraum
Tatsächlich ist die Schaffung und Erhaltung von Wohn- und Arbeitsraum ein Milliardenbusiness. Rund 70 Milliarden Euro setzten Baugewerbe, Bauindustrie und Bauwesen 2017 in Österreich um, 16.000 Arbeitnehmer sind alleine in der steirischen Bauwirtschaft beschäftigt. Die Bauwirtschaft ist ein echter Konjunkturmotor, nicht minder die Immobilienwirtschaft. Die hat zwar durch Corona einen Dämpfer erlitten – im ersten Halbjahr 2020 sank in Graz laut RE/MAX-Preisspiegel der Wert der Verbücherungen um 44 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 –, hat aber trotzdem mit 702 Millionen Euro immer noch eine Größenordnung, die sie zum Politikum macht: Wohnraum gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen der Menschen – ein Feld, das ideologischen Randgruppen reichlich Gelegenheit gibt, aufeinander zu prallen.

Denn einerseits werden riesige Areale verbaut, um ganze Bezirke neu entstehen zu lassen. Das beeinflusst die Mieten. Andererseits müssen auch in Villenvierteln Gebäude weichen, um verdichtetem Wohnbau Platz zu machen. »Smart City« und »Nachverdichtung« sind dazugehörige Termini technici: Wo bereits bebautes Land ist, sind Infrastrukturen vorhanden, die andernorts erst mühsam errichtet werden müssen. Wenn statt einem Einfamilienhaus mit Garten acht bis zehn Wohneinheiten geschaffen werden können, geht das aber meist zulasten des Stadtbildes. Unbebaute Areale hingegen müssen entwickelt werden. Und zwar so, dass es nachhaltig und leistbar ist: intelligente Nachhaltigkeitslösungen für städtebauliche Entwicklungen – neudeutsch »Smart City«.

Es stellt sich die Frage, ob wirklich in diesem Maß »nachverdichtet« bzw. neu gebaut werden muss. Nikolaus Lallitsch, Geschäftsführer der Raiffeisen Immobilien Steiermark, hat dazu eine klare Meinung: »Die aktuelle Diskussion um die sogenannte Nachverdichtung einerseits und die Leistbarkeit des Wohnens andererseits zeigt: In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es niemals genügend Baulandreserven. Tatsächlich kommen derzeit viel zu wenige Grundstücke auf den Markt, um den Bauträgern und Genossenschaften qualitätsvollen und dennoch leistbaren Wohnbau zu ermöglichen.« Alle würden sich moderate Mietpreise und bescheidene Kaufpreise wünschen, »aber leider gehen die Grundstückskosten derzeit durch die Decke«, so Lallitsch. In Zahlen gefasst sieht das so aus: Laut Landesstatistik kostete der durchschnittliche Quadratmeter von 2014 bis 2018 in der Steiermark 55,3 Euro, während er in der Stadt Graz  237,4 Euro kostete. Im Vergleich zur Erhebung ein Jahr zuvor (Basis 2013 bis 2017) bedeutete das für Graz eine Steigerung von 21,6 Prozent. Mit einer besseren Grundstücksausnutzung, also höheren Bebauungsdichten, könne man dem begegnen. »Da sind eh alle dafür, nur nicht vor der eigenen Haustüre. Gegen das Projekt in der Nachbarschaft werden sofort einmal Unterschriften gesammelt. Leider führt das dazu, dass viele Bauherren in das Umland abwandern.« Das wiederum führe zur größten ökologischen Sünde unserer Zeit: Grünlandverschwendung, Bodenversiegelung, Verhüttelung der Stadtumgebung. »Der Wiener Ausdruck ‚Speckgürtel‘ beschreibt hässlich genug, wie nimmersatt sich die Städte in ihre grüne Umgebung fressen«, sagt Lallitsch.

Unübersehbare Stadtbildveränderungen
Was Lallitsch als Folge niedriger Bebauungsdichte beschreibt, ist im Ergebnis auch der KPÖ ein Dorn im Auge – wobei die eher das Gemeindegebiet als die Stadtumgebung im Blick hat. Sie hat sich auf politischer Seite das Thema Wohnen an ihre Fahnen geheftet und besetzt es nach wie vor. Man tritt gegen die »Verbauung« von Graz an, moniert die Bodenversiegelung (plus 68 Hektar seit 2012), die Zunahme von neuen Gebäuden (»plus 370«) und Verkehrsflächen (plus 9,3 Hektar). Tatsächlich ist das Thema leicht verkäuflich – Wohnbauprojekte vor allem entlang der Einfallsstraßen in Webling, Eggenberg, Straßgang, St. Peter und Liebenau sind zu offensichtlich. Abgesehen davon sind in den letzten zwanzig Jahren einem Bericht der Kleinen Zeitung zufolge laut Peter Laukhard von der »SOKO Altstadt« ganze 179 – seiner Ansicht nach – schützenswerte Gebäude aus dem Stadtbild verschwunden. Und wenn ein Gebäude nach dem anderen geschleift wird, fragt man sich natürlich, wofür.

Ein Blick auf die Statistik offenbart dabei, dass der Bedarf längst nicht so dramatisch ist, wie häufig dargestellt: Gerade einmal 1.605 mehr Menschen als die Stadt verlassen hatten, kamen vergangenes Jahr nach Graz (Nettozuzug). Die Bevölkerungsdichte hat zwar zugenommen, zwischen 1991 und 2017 aber nur um 20 Prozent; die Wohnbevölkerung ist in knapp 30 Jahren um etwa 53.000 Personen gewachsen. Zieht man einen Leerstand von kolportierten 10.000 Wohnungen ins Kalkül, ist reichlich Wohnraum gegeben. Genau weiß übrigens niemand, wie viele Wohnungen tatsächlich leer stehen, denn eine Leerstandserhebung wäre zwar durchführbar, drübergetraut hat sich aber bislang kein Politiker wirklich. Das Gerücht vom Nettozuzug von 6.000 Menschen jährlich hält sich darum selbst unter Immofachleuten hartnäckig. Allein: Laut Landesstatistik ist es falsch. Trotzdem entstehen Jahr für Jahr tausende neue Wohnungen – in Reininghaus sollen es in den nächsten Jahren etwa 5.000 sein, dazu kommen zig Großprojekte in anderen Stadtteilen und auch die Stadt errichtet und saniert jährlich hunderte neue Gemeindewohnungen. Das ist per se nichts Schlechtes, denn wo Mieter und Käufer ausreichend Angebot vorfinden, halten sich auch die Preise im Rahmen und Wohnen bleibt halbwegs leistbar. »Halbwegs«, weil Bezieher niedriger Einkommen oft auf Wohnbeihilfen zurückgreifen müssen. »Das liegt allerdings auch an der Höhe der Nebenkosten und den Energiekosten«, sagt KPÖ-Chefin Elke Kahr, »die machen menschenwürdiges Wohnen für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen oft schwierig.«

Anlageform Immobilien
Vor allem die explodierenden Grundstückspreise machen das vertiefte Interesse von Investoren an Baugrundstücken und bebaubaren Flächen nachvollziehbar – die Finanzwirtschaft hat die Immobilienwirtschaft längst für sich entdeckt. Das Volumen der österreichischen Immobilienfonds beträgt 2020 insgesamt 9,4 Milliarden Euro an verwaltetem Vermögen; es wächst seit Jahren kontinuierlich – 2004 lag das Volumen aller österreichischen Immobilienfonds nur bei vergleichsweise bescheidenen 456 Millionen Euro. Sowohl private als auch institutionelle Anleger versprechen sich durch ein Investment in Immofonds einen schnellen Ausweg aus dem Zinstief. Bei hoher Inflation steigen die Fonds selbst tendenziell im Preis, die Mieteinnahmen sind in der Regel dem Verbraucherpreisindex angepasst. Die Risikostreuung ist gut, weil die Fonds ja in einer Vielzahl von Objekten investiert sind; und man kann mit relativ geringen Beträgen einsteigen und muss nicht gleich ein ganzes Zinshaus kaufen.

Auch in Graz wird Neubau fleißig über Fonds finanziert: Ein bekanntes, auf Anlegerwohnungen spezialisiertes Grazer Unternehmen etwa sammelt seit 2016 jährlich bis zu 10 Millionen Euro von verschiedenen Kapitalgebern ein. Die Renditen, die der jüngste Kapitalmarktprospekt beispielhaft vorrechnet, bewegen sich – bei einer angenommenen Projektlaufzeit von vier Jahren – zwischen Totalverlust und 28-Prozent-Rendite. Dass solche Renditen trotz des Risikos jede Menge Anleger locken, liegt auf der Hand. Investieren kann man übrigens auch online – das Grazer Unternehmen Home Rocket stellt potenziellen Anlegern eine Plattform zur Verfügung, über die bislang mehr als 76 Millionen Euro eingesammelt wurden. Die Investments in die unterschiedlichsten Bauprojekte beginnen ab 250 Euro, die Top-Investoren zahlen bis zu 50.000 Euro ein.

Sinkende Renditen und mangelnde Qualitäten
Die Renditen sind hingegen bei Weitem nicht so hoch, wie von manchen in Aussicht gestellt, erklärt der Geschäftsführer der RE/MAX-Niederlassung in der Grazer Grabenstraße, Alois Marchel: »Es gibt im Bereich der Anlegerwohnungen Renditeberechnungen, die von einer fiktiven Wertsteigerung der Immobilie und von einer Indexanpassung des Mietzinses ausgehen. Diese Renditeberechnung ist, sagen wir einmal, nicht optimal. Sie ist nicht realistisch. Man muss seriös immer von den Kosten und dem Mietzins ausgehen, der jetzt gerade erzielbar ist. Wir reden also von einer Rendite, die man zwischen 3,1 und 3,3 Prozent annehmen kann.« Als Anlageform sei dies aber immer noch gut, bestätigt Marchel. Graz sei vor allem deshalb beliebt, weil die Anschaffungskosten sich hier im Vergleich zu Wien im Rahmen halten würden, während ungefähr gleich hohe Mieterträge generiert werden können.

Wohnraum als Spekulationsobjekt hat allerdings auch seine Schattenseiten. Stadtplanungschef Bernhard Inninger weist immer wieder auf sie hin: »Wird ein Gebäude von der Projektidee bis zur Fertigstellung nicht als Ort des Wohnens oder als Stadtbaustein, sondern lediglich als Finanzprodukt verstanden, leidet die Qualität – für die künftigen BewohnerInnen, für das Umfeld. Und: Wer in einer Stadt als Bauherr wertgeschätzt werden möchte, wird seinen Gewinn nicht rücksichtslos maximieren. Genau das geschieht jedoch bei anonymen Investitionsentscheidungen aus der Ferne.« Dass die KPÖ das fast ebenso sieht, ist systemimmanent: »Wir sind ja für die Schaffung von neuem, leistbarem Wohnraum – aber wir wehren uns dagegen, dass Wohnungen gebaut werden, nur um sie dann leer stehen zu lassen und darauf zu hoffen, dass sie ohnehin im Wert steigen werden.«

Künstlich niedrige Leerstandquoten
Jedenfalls muss eine Wohnung, die man einem Anleger verkaufen will, vermietbar sein. Das gilt für große institutionelle Anleger ebenso wie für den Einzelanleger. Um die Leerstandsquote niedrig zu halten – bei weniger als ein Prozent – greifen manche Bauträger mitunter schon einmal zum einen oder anderen Kunstgriff. Eine beliebte Variante sind zum Beispiel Mietfreistellungen: Eine gewisse Zeit lebt der Mieter kostenlos in der Erstbezugswohnung, nach Erfüllen des Mietvertrages zieht er einfach aus und in die nächste – neue – Wohnung. Der Anleger muss sich dann einen neuen Mieter suchen. Eine andere Variante: Mietgarantien für zehn Jahre – allerdings zu einem dreiprozentigen Aufschlag auf den Kaufpreis. Mit Zahlung dieses Aufschlages erwirbt sich der Anleger eben die Garantie darauf, dass seine Wohnung zu einem bestimmten Preis vermietet ist. Steigt während der Garantiezeit der Mietzins, verbleibt die Differenz beim Verkäufer, der Anleger, der damit auch auf eine Reihe von Rechten verzichtet (etwa sich den Mieter aussuchen zu können), sieht davon nichts. »Beides war eine Zeit lang durchaus gängige Praxis«, bestätigt ein Immo-Insider, heute sei man davon jedoch ganz klar abgerückt.

Lebensqualität im Leitbild
Einerseits wollen immer mehr Investoren bauen, andererseits sehen die bereits hier lebenden Bewohner ihre Lebensqualität gefährdet. Ganz besondere Assets sind die Jahrhunderte alte Architektur – und der Grünraum, für den Graz bekannt ist. Beides ist in hohem Maße schützenswert – Bautätigkeit steht diesem Schutzbedürfnis entgegen, was die Fülle an Vorschriften für neue Projekte mitbegründet. Stadtplanungschef Bernhard Inninger: »Eine Stadt ist niemals fertig. Politik und Verwaltung steuern das Baugeschehen aktiv. In einem Rechtsstaat ist es nicht möglich, das Bauen zu verbieten – freilich kann man Regeln dafür schaffen. In diesem Sinn betreiben alle betreffenden Magistratsabteilungen Qualitätssicherung. Für Mehrparteienhäuser in gewachsenen Einfamilienhausgebieten gelten z.B. seit 2019 neue Vorschriften: keine Laubengänge und offenen Stiegenhäuser, nur wenige Parkplätze im Garten etc. – das wurde mit dem sog. »Räumlichen Leitbild« vom Gemeinderat rechtsverbindlich verordnet.« Der Eindruck der »Verbauung« und »Versiegelung« der Stadt ist so gesehen nicht unberechtigt – andererseits achtet die Stadtplanung penibel darauf, dass die Summe aller Grünflächen nicht weniger wird. Inninger: »Geringe Versiegelung ist gut für das Kleinklima, den Wasserhaushalt, das Kanalnetz; nicht zuletzt verringern sich Überflutungen bei Starkregen. Daher geht die Stadt bei eigenen Bauvorhaben mit gutem Beispiel voran und es gibt auch zunehmend ambitioniertere Vorschriften für die private Bautätigkeit, etwa die Begrünung von Dächern oder die Pflanzung von Bäumen betreffend. Ergänzt wird das durch Förderungen unter anderem für Dach- und Wandbegrünungen oder Baumpflanzungen.«

Smart Cities legen genau darauf wert: wenig Verkehr, viel Grünraum, insgesamt nachhaltiges Bauen. Mit Reininghaus und der Waagner-Biro-Straße entstehen in Graz gerade zwei solche Leuchtturmprojekte der Stadtentwicklung. Immobilienexperte Nikolaus Lallitsch ist voll des Lobes: »Sie verwandeln ehemalige Industriestätten in lebenswerte Stadtteile der Zukunft. Die Smart City Waagner-Biro-Straße hat einen Lagevorteil in Graz-Mitte, dadurch kann der Anspruch nach einem Stadtteil der kurzen Wege und der sanften Mobilität bestens umgesetzt werden. Sie bietet besonders hohe Lebensqualität und funktioniert als eigener Stadtteil, ohne ein Satelliten-Viertel zu sein. Sie ist von wenigen kreativen Köpfen erdacht worden. Das hat die Umsetzung kompromissloser Qualität erleichtert.«

Glücksdorf statt Stadt
Urbanität bleibe jedenfalls ein Megatrend, sagt Lallitsch, die Nachfrage bleibe hoch, das Angebot könne damit nicht Schritt halten. »Viele zieht es zur Ausbildung und zur Arbeit in die Städte. Es gibt aber auch eine gegenläufige Strömung: Glücksdorf statt Stadt. Drei Viertel der Steirerinnen und Steirer ziehen das Landleben der Stadt vor, wissen wir aus einer ganz aktuellen Gallup-Studie. Die Menschen sind mit ihrer Wohnsituation grundsätzlich zufrieden, aber ein Viertel aller 20- bis 65-Jährigen möchte in absehbarer Zeit die momentane Wohnsituation verändern. Das bedeutet: Eine Million österreichischer Haushalte steht zur Disposition.« Damit zerstreue sich auch die Hoffnung nach fallenden Wohnungspreisen.

Was für ganz Österreich gilt, muss jedoch nicht für Graz gelten: Riesenentwicklungsprojekte wie die Smart Cities in Reininghaus oder der Waagner-Biro-Straße lösen am Grazer Immobilienmarkt eine leichte Unruhe aus. Man fürchtet, durch ein Überangebot an Mietwohnungen die eigenen Projekte nicht mehr gewinnbringend bewirtschaften zu können. Sie sehen sowohl den Mietenmarkt als auch den Käufermarkt in Gefahr; der Bedarf sei bei weitem nicht so groß wie das Angebot. Ihre Skepsis gegenüber Reininghaus etwa formuliert eine Immobilienmaklerin so: »Im ersten Halbjahr hat es kaum Zuzug nach Graz gegeben, der Wohnraum, der mit den neuen Stadtteilen geschaffen wird, ist einfach überdimensioniert. Dazu kommt ein Verkehrskonzept, das aufgehen kann – oder auch nicht. Nur mit einer Verlängerung der Straßenbahnen und dem Propagieren von kurzen Wegen wird das zu erwartende Verkehrsaufkommen kaum in den Griff zu kriegen sein.« Außerdem: »Die ersten Wohnungen sind in Reininghaus bereits übergeben – diese Mieter leben jetzt einmal nicht nur in einem Stadtteil, der verkehrstechnisch derzeit nur mangelhaft erschlossen ist; bis die Straßenbahn dort vorfährt, dauert es ja noch. Es wird Jahre dauern, bis der Stadtteil fertiggebaut ist – wer immer dort jetzt wohnt, wohnt noch sieben Jahre lang mitten in einer Baustelle. Das muss man mögen – in diesem Umfeld kann man nicht unbedingt leicht vermieten.«

Weitreichendes Verkehrskonzept
In puncto Verkehrskonzept widerspricht Barbara Urban, die in Graz für die Mobilitätskonzeption verantwortlich ist, deutlich: Sorgen der Anrainer wegen freier Parkplätze seien weitgehend unbegründet, es gebe 5.000 unterirdische Stellplätze in Reininghaus. Das Verkehrskonzept basiere auf der Mobilitätsstrategie der Stadt, die eben darauf abziele, den neu entstehenden Autoverkehr in engen Grenzen zu halten. Straßenbahnverlängerung und kurze Wege für Radfahrer und Fußgänger einerseits, aber auch eine gute Durchmischung: Arbeit, Freizeit und Nahversorgung sind im neuen Stadtteil möglich. Andererseits, so Urban: »10.000 Bewohnerinnen und Bewohner, 5.000 Arbeitsstellen – das ist nicht nichts! Natürlich wird sich das Verkehrsaufkommen erhöhen. Wir haben aber darauf geachtet, dass es sich in Grenzen hält und so gut wie möglich verteilt.«

Es bleibt also spannend am Grazer Immobilienmarkt: Ein Ende des Baubooms ist derweil nicht in Sicht; weitere Areale wie Reininghaus oder die Waagner-Biro-Straße warten auf ihre Entwicklung durch die Stadt oder private Anbieter. Die nächsten Herausforderungen warten bereits – die längst fälligen Umgestaltung des Griesplatzes und der angeschlossenen Wohngebiete sowie der Bebauung von Arealen wie der Ackernwiese in Puntigam sind städtebaulich und hinsichtlich der Verkehrsplanung spannende Projekte, die bis jetzt noch ungelöste Probleme aufwerfen. Wenngleich coronabedingt ein leichter Rückgang des Bau- und Immobilienbooms zu verzeichnen ist, so ist das Interesse der Anleger an Immobilienfonds ungebrochen. Gerade in unsicheren Zeiten ist Betongold wertvoller denn je. Das sorgt zwar für hohe Grundstückspreise, aber auch für stabile Mieten. Kurz gesagt. Eigentum zu schaffen wird schwieriger werden; Wohnen an sich bleibt jedoch weiter leistbar.

Fazitthema Fazit 166 (Oktober 2020), Illustration: PPA-Group/Adobe-Stock

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