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Graz jazzt. Wie schon lange nicht mehr

| 30. Oktober 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 167, Kunst und Kultur

Foto: Marija Kanizaj

Jazz ist eine der Säulen von Graz! So schallte es dereinst aus dem Munde von Wolfgang Bauer. Tatsächlich hatte Graz so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal zumindest innerhalb der österreichischen Szene, gab es doch in der steirischen Landeshauptstadt eine Fülle von Clubs und eine sehr lebendige Jazzszene. Text von Gerhard Kosel.

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Der Turbo war hier ganz klar die Jazzabteilung an der KUG und lockte eine Vielzahl von Studenten und auch viele Gastprofessoren nach Graz. Heute gibt es eine Vielzahl an Ausbildungsstätten in Sachen Jazz europaweit. Die hiesige Jazzabteilung schlägt sich wacker im Wettbewerb der Besten. Mit einem Namen allerdings ist die Grazer Jazzszene ganz intensiv verbunden: Karlheinz Miklin brachte die »Jazzakademie«, wie sie landläufig noch immer genannt wird, erst so richtig zum Strahlen. Als deren langjähriger Leiter erweiterte er mit einer Vokalklasse das reichhaltige Ausbildungsangebot und lockte mit Gastprofessuren und wirklichen Weltstars wie Mark Murphy, Sheila Jordan, Jay Clayton und Andy Bey auch eine Vielzahl von Studierenden nach Graz, was wir auch heute noch nachhaltig hören können.

Mit Projekten wie »Graz Meeting«, gemeinsam mit Gamsbart durchgeführt, mit mehreren Weltkongressen der International Association of Jazzschools, deren Chairman er auch war, wurde Graz in der Fachwelt auch international wahrgenommen

Mr. Bigband
Das Spiel in der Bigband ist für viele Studierende Training und das Zusammenspiel von rund 20 MusikerInnen immer wieder herausfordernd. Als Trainer und Dirigent hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Mann ganz besonders hervorgetan, den man getrost »Mr. Bigband« nennen darf: Sigi Feigl gründete nicht nur die wichtigsten Bigbands der Steiermark, von der Bigband Süd und der Jazzbigband Graz im Jahr 1999, mit der er nicht nur 96 »Monday Nights« veranstaltete, sondern eine Erfolgsgeschichte ermöglichte. Ganz nebenbei kam die Gründung des HGM-Jazzorchesters in Zagreb hinzu, eine weitere Facette im Curriculum des Bandleaders und Programmdirektors. Dass er in vielen Genres sattelfest ist, konnte man alljährlich bei der Grazer Opernredoute live erleben. Auch heute noch trägt er mit seinen Bigband-Themenabenden zu einer bunten und qualitätsvollen Programmschiene in der Komödie Graz bei. Im Jahr 2016 wurde von Sigi Feigl das Jazzorchester Steiermark gegründet und gleich mit dem ersten Programm startete er so richtig durch. Galt es doch, die Kompositionen von Karlheinz Miklin, dem wohl erfolgreichsten Jazzer der Grazer Szene, arrangiert von Michael Abene, auf die Bühne zu bringen und auch auf CD zu verewigen. Der nächste Meilenstein war das Projekt mit der Indie-Rockband »The Base«, die sich mit dem Jazzorchester Steiermark zu »The Big Base Band« temporär vereinte und auch international durchstarten konnte. Dieses Projekt verbindet dynamischen Bigbandsound mit zeitgemäßen und innovativen Kompositionen zahlreicher Arrangeure aus der Grazer Szene und wird demnächst wieder durchstarten. Sigi Feigl und Karlheinz Miklin waren ein Erfolgsduo, das den Jazz in Graz ein wichtiges Stück weitergebracht und den Ruf der Jazzabteilung an der KUG auch international nachhaltig festigte. Am 6. November 2020 gibt es mit »A Tribute to Karlheinz Miklin« einen ganzen Abend lang die Musik von Miklin zu hören, dargeboten vom Jazzorchester Steiermark sowie einigen ehemaligen Studenten dieser Abteilung.

Jazzen – Corona zum Trotz
Vermeintlich still ist es geworden in den vergangenen Monaten und so mancher pflegt seine Depression im stillen Kämmerlein. Aber da waren auch ein paar ermunternde und oftmals sogar sehr kräftige Lebenszeichen zu hören. Der Saxophonist Heinrich von Kalnein etwa veranstaltete donnerstags von seinem Balkon aus ganz wunderbare Livekonzerte, welche im Grätzel um den Geidorfplatz zu hören und in aller Munde waren. Und da sind wir mitten im Thema: Kaum eine Musik wie der Jazz lebt vom »Live-Moment«. Jedes Konzert ist einzigartig und kaum wiederholbar, das macht wohl den Kern dieser lebendigen und oftmals unberechenbaren Musik aus. Folgerichtig wurden auch die sommerlichen Generali Jazzkonzerte durchgeführt. Die Grazer Murinsel bot die Homebase und das Publikum nahm dieses Angebot dankbar an. Unter Einhaltung aller vorgeschriebenen Richtlinien gelang es, wunderbare Konzertabende durchzuführen, und auch die Murinsel konnte sich von ihrer besten Seite zeigen, nämlich als vielseitig nutzbares und durchaus einladendes architektonisches Kleinod in der Mitte von Graz.

Und schon kommt wieder ein Mann ins Spiel, den wir scheinbar ganz selbstverständlich in den vergangenen Jahrzehnten als umtriebigen Motor des Jazz erleben durften. Denn am 1. Oktober konnte Sigi Feigl das »Tube’s« am Grieskai 74 wieder als Music-Club eröffnen. Es gibt 40 coronataugliche zugewiesene Sitzplätze, eine überkomplett ausgestattete Bühne, Flügel inklusive. Die Klimaanlage arbeitet hervorragend und sämtliche Räumlichkeiten sind barrierefrei erreichbar, sogar die Sanitäreinheit ist behindertengerecht gebaut. Auch heute noch keine Selbstverständlichkeit!

Die Programmatik ist einfach: Jede Band spielt an drei aufeinanderfolgen Tagen von Donnerstag bis Samstag und kann sich dem Publikum von ihrer besten Seite präsentieren. Die ersten drei Wochenenden wurden vom Publikum gestürmt und die zahlreichen Rückmeldung sind äußerst ermutigend. Dies hat sich wie ein Lauffeuer auch in der Bundeshauptstadt herumgesprochen und so ist es nicht verwunderlich, dass das Programm bis Ende April 2021 bereits steht. Vom Luis Bonilla Quintet bis zu Harri Stojka und von Harry Sokal, Alex Deutsch und Raphael Wressnig, dem Trio de Janeiro, Marina & the KATs, es seien hier in der Kürze nur ein paar kommende Highlights aufgezählt. Der Jazz in Graz ist lebendiger den je!

Vom 3. bis 5. Dezember in Graz:
Das Harri Stojka Hot Swing Trio.
Das ganze Programm gibt
es unter tubes-music.at

Alles Kultur, Fazit 167 (November 2020), Foto: Marija Kanizaj

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