Anzeige
FazitOnline

Reine Geldsache

| 6. Oktober 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 166, Fazitgespräch

Foto: Erwin Scheriau

Finanzlandesrat und Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang über die finanzielle Schieflage des Tankers Steiermark, die Gegenmaßnahmen, die Rolle des Bundes sowie die Vorteile von Direktwahl, von Regiobussen und Radverkehr. Und über den Tierschutz.

Das Gespräch führten Volker Schögler und Johannes Tandl.
Fotos von Erwin Scheriau.

::: Hier im Printlayout online lesen

Anton Lang ist nicht nur für das Finanzressort zuständig, er ist auch stellvertretender Landeshauptmann und nun von den Delegierten frisch gewählter Landesparteivorsitzender der SPÖ Steiermark. Als solcher sieht er sich mit einem historischen Tiefstand bei der letzten Landtagswahl konfrontiert und zugleich verfinstert sich der Budgethimmel wegen hauptsächlich coronabedingter Einnahmensausfälle immer mehr.

Im Fazitgespräch erläutert der höchste Finanzchef des Landes, warum er trotzdem auf weitere Schulden setzt und wie brisant sich die Lage für die Gemeinden entwickelt.

***

Herr Landeshauptmannstellvertreter, aus den VP-Ressorts hört man teilweise Klagen über Ihren restriktiven Budgetkurs. Sehen Sie Spielräume für die Ressortwünsche bei den Budgetgesprächen? Das Geld wurde ja ohnehin abgeschafft.
Wir haben mit dem Rechnungsabschluss 2019 bewiesen, dass wir es mit der neuen Budgetpolitik sehr ernst nehmen, das heißt Schulden abbauen und keine neuen mehr aufnehmen. Das hat die ersten drei Monate 2020 auch gut ausgesehen – und dann ist Corona gekommen. Vor zwei, drei Monaten habe ich noch gesagt, dass uns bis Jahresende zirka 400 bis 500 Millionen fehlen. Mittlerweile musste ich mich schon korrigieren, es werden uns zwischen 500 und 600 Millionen Euro fehlen. Denn zu den Ausfällen der Ertragsanteile des Bundes von bis zu 300 Millionen kommen schon heuer die Maßnahmen, die von der Bundesregierung beschlossen wurden, dazu, also das Vorziehen der Lohnsteuersenkung und die Senkung der Mehrwertsteuer. Das bedeutet bei uns allein im nächsten Jahr ein zusätzliches Minus von 120 bis 130 Millionen bei den Ertragsanteilen.

Von einem ausgeglichen Budget mussten Sie sich wegen Corona verabschieden. Wie wird gegengesteuert?
Wir haben drei Maßnahmenpakete beschlossen, bei denen wir rund 140 Millionen in die Hand nehmen. Wir wollen bei den Globalbudgets der Ressorts das Niveau des Jahres 2020 halten, das wir ja noch in guten Zeiten budgetiert haben. Das Doppelbudget wurde ja beschlossen, als wir noch von einem Wachstum ausgegangen sind. Wir wollen die 2020er Zahlen dennoch übernehmen.

Ohne den Sparstift anzusetzen?
So ist es, wir wollen dieses Geld in die Wirtschaft pumpen und in das Leben in der Steiermark, um hier unterstützend zu wirken. Zusätzlich ist es im Gesundheits- und Pflegebereich zu außerordentlichen Zusatzkosten gekommen.

Wird dafür in den einzelnen Ressorts gekürzt?
Nein, es wird nicht gekürzt, wir nehmen zusätzlich Schulden auf.

Bei Konflikten hört man bei Ihrem Koalitionspartner manchmal, dass Landeshauptmann Schützenhöfer mit Ihnen Tacheles reden soll. Wie funktioniert die Konfliktbewältigung innerhalb der Koalition?
Es gibt keine Konflikte, es gibt sehr konstruktive gute Gespräche. Meine Aufgabe als Finanzlandesrat ist es natürlich, darauf zu schauen, dass alle Globalbudgets entsprechend dotiert werden. Wir befinden uns in einer Situation, wie es sie in der Nachkriegszeit noch nicht gegeben hat. Ich habe im Mai gesagt, dass wir die finanziellen Auswirkungen der Coronakrise mit 2022 verdaut haben werden. Ich muss mich da leider korrigieren. Wachstum in den öffentlichen Haushalten wird erst 2023/24 möglich sein. Wir werden 2021 ein ganz schwieriges Jahr haben, für 2022 rechnet man mit einer Annäherung an das Niveau von März 2020.

Und ein etwaiges Wachstumsbudget würde für die Konsolidierung verwendet werden?
Wir haben ja sehr viele Projekte auf unserer Agenda. Wir brauchen das Geld, das neu hereinkommt, dann 2022 bis 2024, also etwa für Digitalisierungsschub und Breitbandausbau. Daher können die berechtigten Wünsche der Ressorts für das Jahr 2021 einfach aus finanziellen Gründen nicht erfüllt werden.

Foto: Erwin Scheriau

Sehen Sie sich trotz der massiven Stimmverluste bei der letzten Landtagswahl mit Landeshauptmann Schützenhöfer auf Augenhöhe? Wie vertrauensvoll ist Ihr Verhältnis?
Das Verhältnis ist vertrauensvoll und es ist ein Miteinander auf Augenhöhe. Ich erinnere mich zurück, im März, als die Pandemie aufgetreten ist, war eine unserer ersten Aktionen, die Gemeinderatswahl zu verschieben. Der Termin mit Ende Juni hat dann auch gut gepasst und im Nachhinein kann man sagen: Alles richtig gemacht. Wir waren auch das erste Bundesland in Österreich, das eine Corona-Stiftung ins Leben gerufen hat. Ich kann sagen, dass wir in dieser schwierigen Zeit noch mehr zusammengewachsen sind.

Sie haben beim Landesparteitag den Anspruch zur bestimmenden Kraft im Land gestellt. Wen wünschen Sie sich als Gegner bei der Landtagswahl 2025?
Das ist zu hundert Prozent Sache der ÖVP, wer und wann jemand Hermann Schützenhöfer nachfolgen wird. Mit Christopher Drexler habe ich schon jahrelange gute Erfahrungen, auch bei Budgetverhandlungen. Es gibt ein ganz enge Achse zwischen Drexler und Lang und natürlich auch Barbara Eibinger-Miedl. Ich habe aber auch ein sehr gutes Arbeitsverhältnis mit Juliane Bogner-Strauß und auch mit Hans Seitinger. Ich maße mir nicht an, zu sagen, wer mir lieber wäre. Mir sind alle gleich lieb.

Sie haben beim Parteitag mit knapp 89 Prozent ein solides, aber kein optimales Ergebnis erreicht. Was macht Sie zuversichtlich, dass die steirische SPÖ ihre historische Talsohle von 23 Prozent bei der Landtagswahl durchschritten hat?
Ziel der SPÖ ist es, nach dem enttäuschenden Wahlergebnis im November des Vorjahres ordentlich zuzulegen und diesen Abstand von 13 Prozent zu unserem Regierungspartner wieder wegzubringen, so wie es 2015 war, als wir fast gleichauf waren. Ich habe gesagt, bestimmende Kraft zu sein bedeutet nicht einfach, dass wir die ÖVP überholen, sondern wir müssen wieder das Gefühl haben, dass die SPÖ in der Steiermark auch die Themenführerschaft hat. Mein Ergebnis beim Parteitag ist hauptsächlich einem Punkt geschuldet: nämlich meinem Zugang zum Thema der Aufnahme von Flüchtlingen. Eine Aufnahme allein löst das Problem nicht. Es ist ein Versagen der Asylpolitik der gesamten EU und daher muss es Ziel sein, das endlich zu lösen, indem man sagt, ich helfe vor Ort, beschleunige die Asylverfahren und schütze die EU-Außengrenzen. Das ist für mich der richtige Zugang.

Beim Parteitag wurde die Direktwahl des Vorsitzenden beschlossen. Ab welcher Beteiligung wäre ein Mitgliedervotum für Sie bindend?
Alles, was über die 50 Prozent geht, wäre für mich okay. Eine Rücklaufquote von lediglich 10 Prozent wäre für mich viel zu gering. Wir werden eine Arbeitsgruppe installieren, die alle Möglichkeiten prüft, in welcher Form wir diese Befragung machen. Es soll ja eine geheime Wahl bleiben. Je stärker das Votum ist und auch je stärker die Beteiligung ist, desto besser für den, der vorne steht. Das ist die größte Legitimierung, die man haben kann. Wenn man sich bei der Befragung moderner digitaler Medien bedient oder auch einer Mischform, dann werden wir eine hohe Rücklaufquote erreichen. Davon bin ich überzeugt.

Jetzt sind natürlich auch die steirischen Gemeinden massiv von den sinkenden Steuereinnahmen durch Corona betroffen. Was kann das Land tun, um die kommunalen Investitionspläne zu erhalten?
Die Gemeinden sind die wichtigsten Investoren. Durch den Einbruch bei den Ertragsanteilen, aber auch bei der Kommunalsteuer ist es manchen Gemeinden nicht mehr möglich, Projekte zu beginnen oder fortzuführen. Es ist daher unsere Aufgabe, gemeinsam mit den Gemeinden und mit den Städten zu schauen, wie man da durchtauchen kann. Die Corona-Bundesmilliarde für Investitionsprojekte der österreichischen Gemeinden, von der etwa 137 Millionen in die Steiermark fließen, ist eine gute Sache. Aber viele unserer Gemeinden könnten das Geld nicht abholen, weil sie die 50 Prozent, die man an Eigenmitteln braucht, nicht haben. Daher haben wir in der Landesregierung beschlossen, dass wir noch einmal 25 Prozent drauflegen, sodass für die Gemeinden nur noch 25 Prozent Eigenmittelanteil überbleiben. Das Geld kommt aus dem Finanzressort, das sind in etwa 70 Millionen Euro. Jetzt gibt es noch immer eine stattliche Anzahl von Gemeinden, die sich aber diese 25 Prozent auch nicht leisten können. Und da ist es unsere Aufgabe zu schauen, was man umschichten kann. Es gibt ja Dinge, die kann man nicht aufschieben. Wenn ich etwa eine Volksschule sanieren muss, weil irgendwo schon ein Problem auftaucht, dann muss ich das eben machen, aber wenn ich eine neue Tribüne für ein Fußballstadion bauen will, dann wird doch jeder verstehen, dass ich das nicht 2021 mache, sondern vielleicht erst 2022 oder 2023. Solche Dinge kann man schieben. Ähnliches gilt auch für Gemeindestraßen. Insgesamt hebeln wir mit den zusätzlichen Gemeindemitteln des Landes fast eine Milliarde. Das ist viel Geld und man darf eines nicht vergessen: Wenn die Gemeinden Projekte starten, profitiert in erster Linie der regionale Unternehmer. Die Gemeinden vergeben in erster Linie an die Unternehmer vor Ort oder in der Region. Das hilft der Wirtschaft vor Ort und aus meiner Sicht ist da doppelt geholfen. Wenn auch noch die Gemeinden und Städte als Auftraggeber ausfallen würden, dann wäre es auch für die kleineren Unternehmen bald sehr schwierig. Das ist unser Zugang, wir waren daher auch die Ersten in Österreich, die so eine Förderung gegeben haben.

Wir haben vor zweieinhalb Jahren über ein landesweites Öffi-Ticket um 365 Euro diskutiert. Sie waren damals massiv dagegen. Dann ist die SPÖ mit der Forderung nach einem 300-Euro-Ticket in die Landtagswahl gezogen. Inzwischen hat der Bund das 123-Ticket beschlossen. Wie stehen sie als Finanzmathematiker zu diesen Plänen?
Da hat sich mein Zugang auch durch Corona nicht geändert. Das vom Bund beworbene 3er-Ticket – das ist das Österreich-Ticket – bewegt sich bei uns vom Interesse her im Promille-Bereich. Wirklich interessant ist für uns das 1er-Ticket, das sogenannte Steiermark-Ticket. Nur: Das „derheben“ wir finanziell als Land Steiermark nicht. Und zwar völlig unabhängig von Corona. Daher muss der Bund sagen, was er dazuzahlt und wie groß der Anteil des Landes ist. Das gesamte Budget für den öffentlichen Verkehr im Land Steiermark beträgt etwas über 100 Millionen Euro.

Foto: Erwin Scheriau

Die Steiermark hat zuletzt massiv in die Regiobusse investiert. Wie wird dieses Angebot angenommen und bis wann ist dieses Programm abgeschlossen?
Die Leute brauchen ein entsprechendes Angebot, sonst steigen sie nicht auf den öffentlichen Verkehr um. Wenn man eine halbe Stunde warten muss, wird nicht vom Auto auf Bus und S-Bahn umgestiegen. Der Preis spielt erst in zweiter Linie eine Rolle. Wir müssen also den Takt verdichten, wir brauchen neue Linien. Die Leute akzeptieren nicht, dass sie zwei, drei Kilometer bis zur nächsten Haltestelle fahren müssen. Da fahren sie lieber mit dem Auto weiter, anstatt umzusteigen. Die S-Bahn konnte stark verdichtet werden und das wird auch gut angenommen. Allerdings fehlt uns coronabedingt in der Steiermark noch ein Drittel der Fahrgäste und damit entsprechende Einnahmen. Wie viel, das wird sich erst mit Jahresende zeigen.

Der Weizer Korridor ist ja fertig, wie schaut es sonst aus?
Fertig sind etwa das Oberland, das ist nördlich von Hartberg, oder das Vulkanland und auch das Ausseerland. Wir haben einen stark verdichteten neuen Busverkehr im Süden von Graz in der Region um Feldkirchen eingerichtet. Das kostet uns im Jahr 3,5 Millionen Euro, ist aber auch notwendig wegen der riesigen Baustelle, die wegen der Koralmbahn entstehen wird. So wird die Flughafenstraße zum Teil gesperrt und massive Verkehrsprobleme sind absehbar. Wir hoffen, dass unser neues Verkehrsbündel gut angenommen wird. Dann können wir es auch in Zukunft so belassen. Man muss natürlich zur Kenntnis nehmen, dass die Gemeinden südlich von Graz sehr stark wachsen. Bauen heißt Zuzug und Zuzug heißt auch mehr Verkehr. Verbesserung sehe ich nur dann, wenn wir die Leute mit dem öffentlichen Verkehr schon vor Ort abholen. Man muss den Leuten die Chance geben, nach ein paar hundert Metern Fußweg in ein Öffi einsteigen zu können.

Bis 2030 sollen 100 Millionen in die Grazer Radwege investiert werden. Geschieht diesbezüglich auch etwas in den steirischen Bezirken?
Das liegt mir besonders am Herzen. Gerade im Zentralraum Graz müssen wir ganz stark auf den Radverkehr setzen. Dafür werden in den nächsten zehn Jahren 100 Millionen Euro in die Hand genommen. 50 Millionen von der Stadt Graz und 50 Millionen steuert das Land Steiermark bei, aber mit der Auflage, dass man die Umlandgemeinden einbezieht, womit Bürgermeister Nagl auch sofort einverstanden war. Man muss in seiner Gemeinde aufs Rad steigen können und einen durchgehenden Radweg oder zumindest einen sicheren Radweg in die Stadt haben. Das zweite Ziel muss sein, dass die Leute mit dem Rad von daheim bis zur nächsten S-Bahn-Station fahren und dort einfach und sicher das Rad abstellen können. Das ist ganz wichtig, weil viele Räder sehr teuer sind. Und dann geht es eben statt mit dem Auto mit der S-Bahn weiter.

Vor allem bei Jugendlichen wird das Tierwohl zu einem immer wichtigeren Thema. Welche Initiativen können Sie diesbezüglich in Ihrem Ressort setzen?
Tierschutz in der Steiermark funktioniert wirklich sehr gut – das wäre bei weitem nicht so, wenn wir nicht so viele ehrenamtliche Tierschützer hätten, die sogar selbst ihr Geld einsetzen; das könnte die öffentliche Hand niemals leisten. Unsere Aufgabe ist es, unsere Vertragspartner, wie etwa Tierheime, entsprechend finanziell zu unterstützen. Wir haben heuer zusätzlich Geld in die Hand genommen, denn die Tierheime in der Steiermark werden fast jährlich zu klein, weil die Abgabe von Tieren immens zunimmt. Deshalb wird das Tierschutzbudget nicht angerührt und bleibt auch im nächsten Jahr gleich groß erhalten. In der EU findet der Tierschutz viel zu wenig Beachtung, wenn ich etwa an die Tiertransporte denke. Wir transportieren die Tiere oft Hunderte Kilometer und weiter – sogar durch mehrere Länder. Das muss man EU-weit lösen. Aus meiner Sicht gehört da massiv von der Bundesregierung Druck aufgebaut in Richtung EU.

Herr Lang, danke für das Gespräch.

*

Anton Lang wurde am 12. November 1959 in Leoben geboren, wo er auch zur Schule ging und 1979 maturierte. Nach dem Bundesheer war er ab 1982 beruflich als Innenrevisor der Sparkasse in Leoben tätig. Er ist politisch stark in der SPÖ-Ortsorganisation verwurzelt und war Gemeinderat für Jugend und Sportangelegenheiten in Leoben. 2008 rückte er als Abgeordneter in den Landtag nach. Ab April 2014 war er zusätzlich Leobener Stadtrat für Finanzen. Im Mai 2016 folgte Lang Jörg Leichtfried, der in die Bundesregierung Kern wechselte, als Landesrat nach. Im Juli 2017 übernahm er das Finanzressort. Heute ist er auch für Verkehr und Tierschutz zuständig. Seit Jahresbeginn ist er geschäftsführender SPÖ-Landesparteivorsitzender und folgte damit dem zurückgetretenen Michael Schickhofer nach. Am SPÖ-Landesparteitag am 18. September 2020 wurde er mit 88,5 Prozent der Stimmen zum Landesparteivorsitzenden der SPÖ Steiermark gewählt. Anton Lang hält sich durch regelmäßiges Laufen fit und nimmt an Halbmarathons teil.

*

Fazitgespräch, Fazit 166 (Oktober 2020), Fotos: Erwin Scheriau

Kommentare

Antworten