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Verfall oder Entgrenzung

| 31. Mai 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 173, Kunst und Kultur

Foto: Aslan Kudrnofsky

Unter dem Titel »Dissolution« präsentiert Erwin Wurm in einer dramaturgischen Anordnung erstmals Skulpturen der gleichnamigen Serie aus den Jahren 2018–2020 im musealen Kontext. Die plastische Masse aus Ton formte Wurm zu deutenden Händen, Mündern, Ohren oder anderen Fragmenten von Körperteilen, die mit den Sinnen Tasten, Hören, Riechen und Schmecken assoziiert werden.

::: Text von Andreas Pankarter
::: Hier im Printlayout lesen.

Die englische Bezeichnung »Dissolution« bedeutet Auflösung, Verfall, Zersetzung oder Entgrenzung. Mit seiner Serie öffnet Wurm einen Dialog zwischen soziopolitisch konnotierten Material, zeitgenössischer Skulpturensprache und der Neuinterpretation des Malerischen durch oszillierende keramische Lasuren.

Die Skulpturen, aus denen sich Finger, Hände und ander Körperteilchen schieben, schrauben sich aus einer Masse von Ton. Die experimentellen, surrealen Gebilde aus isolierten Körperteilen und Sinnesorganen gewinnen ein Eigenleben, ihre Volumina entwickeln expressive Präsenz.Erwin Wurms skulpturale Körpersegmente nehmen die einzelnen Räume und Salons des Geymüllerschlössels von der Eingangshalle, der Bibliothek, dem Musikzimmer, dem Kuppelsaal, dem Schlafzimmer bis zum Orientzimmer ein und schaffen »Tableaux vivants«. Die Arbeiten, die an abstrakte Charaktere denken lassen, spiegeln Dekonstruktionen, Deformationen, Verzerrungen, Verdrehungen sowie Auflösung und Verfall wider. In den Formen verbindet der Künstler Realismus und Abstraktion. Die Besucher erwartet eine Inszenierung aus facettenreichen Gesten eines imaginären Rollenspiels, bei denen die abstrakten skulpturalen Formen figurative, menschliche Züge annehmen.

Im Garten des Schlössels laden Erwin Wurms Skulpturen aus Carrara-Marmor als Diwane quasi zum Sitzen ein. Die eingedrückten oder gequetschten Skulpturen »Sitting on Freud’s House« (2020) und »Sitting on Friedrich Nietzsche« (2020) spannen einen weiten Bogen zur Rolle des Künstlers, unsere Welt kritisch zu beleuchten und zu verzerren. Zu sehen bis 21. Dezember dieses Jahres in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel.

Erwin Wurm. Dissolution
Bis 21.12.2021
Museum für angewandte Kunst (Mak), Geymüllerschlössel
1180 Wien, Pötzleinsdorferstraße 102
mak.at

Alles Kultur, Fazit 173 (Juni 2021), Foto: Aslan Kudrnofsky

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