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Mangelnder Respekt voreinander droht unser Land zu zerreißen

| 12. Oktober 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 176

Barbara Tóth, Journalistin beim »Falter«, hat dieser Tage eine Fotografie mit den Worten »Österreich, in a nutshell« (in etwa »Österreich zusammengefasst«) auf Twitter veröffentlicht. Das Foto zeigt katholische Würdenträger (im Ornat) sowie einige niederösterreichische Bauernbundfunktionäre (meist in Tracht) und den Bundeskanzler.

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Die Rechtsanwältin und ehemalige Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) hat wiederum kurze Zeit später das ganze Posting von Tóth auf ihrer eigenen Facebook-Seite veröffentlicht. Dazugeschrieben hat sie: »Woran denkt ihr, wenn ihr solche Fotos seht? Ich hätte beim ersten Anblick auf das 17. Jahrhundert getippt.« So weit, so schlecht.

Viele Kommentare zu Duzdars Posting, mittlerweile sind es beinahe 2000, sind in ihrer menschenverachtenden Boshaftigkeit nur wenig zu ertragen. Falter-Chefredakteur Florian Klenk macht sich – mit hunderten anderen – wenigstens nur lustig, andere monieren (lächerlicher Vorwurf!) die ÖVP hätte die Farben des Bildes in ein VP-Türkis getaucht, viel zu viele aber lassen ihrem Geifer und ihrer Wut über alles, was nicht ihrem im Hier und Jetzt verlorenen Weltbild entspricht, freie Bahn. Ein sich als besonders intelligent fehleinschätzender User unterstellt mit der Anmerkung »Dollfuss Regime« Ungeheuerliches, eine andere Userin merkt gar nicht, wie sehr sie ihre Dämlichkeit offenlegt, wenn sie sich »an die afghanischen Taliban erinnert« fühlt.

Ich halte das für verwerflich. Zum Einen das Lächerlichmachen einer Journalistin (gut, kann man noch als ironische Anmerkung ansehen) und einer ehemaligen Staatssekretärin (diese hat mit ihrem Anachronismusvorwurf die Grenze guten Geschmacks zumindest beschritten) über österreichisches Brauchtum, zum Anderen natürlich die Flut an klamaukhaften aber viel zu oft hetzerischen Vorwürfen an »das Konservative« in diesem Land. Multikulturalität? Nur wenn sie weit herkommt, offenbar!

Bei dem Ganzen spielt es im Übrigen nur wenig Rolle, was genau dieses Foto zeigt. Fürs Protokoll sei angemerkt, dass es um einen Festgottesdienst in Mariazell herum entstand, ein Festgottesdienst anlässlich der 75. Wallfahrt des niederösterreichischen Bauernbundes zu einem der wichtigsten Marienwallfahrtsorte der Welt.

Leopold Figl, erster Kanzler der zweiten Republik und der langjährige niederösterreichische Landeshauptmann Josef Reither hatten während ihrer KZ-Gefangenschaft gelobt, wenn Österreich vom Nazi-Terror wieder befreit werden würde, jedes Jahr nach Mariazell zu pilgern. Seit 1947 tut dies der Bauernbund nun. Wie es rund eine Million Menschen jedes Jahr tun. Und Duzdar und Tóth und mit ihnen ihre unkontrollierten linken Schergen im Netz machen sich darüber lustig. Kann man machen. Weil man heute ja alles machen kann. Ob es besonders gescheit ist, ob es – ich kann mich nicht mehr hören! – unser Land nicht nur noch mehr spaltet, ich weiß nicht. Nein, ich befürchte, es befeuert die Spaltung sogar ungemein!

Ich trage meinen Steireranzug seit Jahren am Wochenende in meiner kleinen Gemeinde am Land eigentlich ohne allzuviel ideologische Aufladung. Wahrscheinlich auch, das will ich gerne eingestehen, weil ich stolz bin, ein Steirer zu sein. Weil ich gerne ein Steirer bin. Und weil ich gerne, ja das kann es auch geben, »Gemeinsames«, »Verbindendes« im »Gemeinsamen«, also in einer gemeinsamen Tracht unterstreiche. Ohne jemanden auszuschließen, der das nicht so tun will.

Ich bin stolz darauf, in einem Ort leben zu dürfen, der eine Trachtenmusikkapelle hat, ich freue mich über jede Prozession unseres Kirchenjahrs. Und ich bin froh und es gibt mir Halt, wenn zu einem Begräbnis Traditionsvereine eine Abordnung schicken. Das ist so ganz und gar nicht 17. Jahrhundert, werte Frau Duzdar. Und das ist keinesfalls »Österreich in a nutshell«, Frau Tóth. Das ist auch (!) Österreich, so wie ich gerne jede Parade fastnackter Lederboys in Wien oder sonstwo als Teil europäischer Vielfalt auffasse. Und mich nicht, wenns auch manchmal schwer fällt, darüber lustig mache. Im Grunde bin ich mir sicher, Muna Duzdar – ich durfte sie vor Jahren einmal interviewen – ist am guten Zusammenleben aller hier Lebenden interessiert. Wenn meine Kultur, meine heilige Kirche dem Spott preisgegeben wird, beginnt es ans Eingemachte zu gehen. Das würde nicht gut ausgehen. Reißen wir uns zusammen, haben wir wirklich Respekt voreinander! Leben wir Diversität! Dann können wir uns gegenseitig auch achten. Noch ist es nicht zu spät.

Editorial, Fazit 176 (Oktober 2021)

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