Die letzte Reise
Volker Schögler | 9. Juni 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 183, Fazitportrait
Nächstes Jahr kann die Bestattung Graz auf 120 Jahre Erfahrung und Tradition verweisen. Als ausgegliederte Gesellschaft gehört das Unternehmen zur Holding Graz, vormals Stadtwerke, und ist damit als kommunaler Betrieb dennoch Bestandteil der öffentlichen Verwaltung. Damit verbundene Begriffe wie Verlässlichkeit und Seriosität gehören zu den Trümpfen in der seit fast 20 Jahren liberalisierten Branche und sind mit ein Grund für eine Marktabdeckung von mehr als 80 Prozent durch die Bestattung Graz GmbH in der Landeshauptstadt.
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Bestattungen sind ein Indiz für erste metaphysische Vorstellungen, heißt es. Angesichts des Todes geht es auch in kapitalistischen Gesellschaften niemals nur um den wirtschaftlichen Aspekt und die Frage »Wieviel kostet es?«. Aber natürlich spielt die Bezahlung immer eine Rolle. Sei es auf der Ebene des Humors: »Der Tod ist nicht umsonst, er kostet das Leben«, oder jener des Rituals: So war es etwa im antiken Griechenland Brauch, dem Toten Münzen auf die Augen zu legen, als Bezahlung für den Fährmann Charon, damit er die Seele des Verstorbenen in das Reich der Toten überführt. Doch woran immer man glaubt – das Ritual der Bestattung dient vorrangig der Trauerbewältigung der Angehörigen. Dessen sind sich die Geschäftsführer der Bestattung Graz, Gregor Zaki und Friedrich Probst sehr bewusst. Zaki: »Wir sehen es als Privileg, wenn Menschen in dieser schweren Zeit zu uns kommen. Für Menschen in ihrer Trauer ist das Beste und Teuerste oft gerade gut genug, aber egal in welcher Preiskategorie wir uns bei den Bestattungskosten bewegen, ist es uns ein Anliegen, die Bestattung schön und würdevoll zu gestalten.« Ein besonderer Vorteil des Unternehmens ist die konkurrenzlose Infrastruktur. Neben dem eigenen Krematorium ist auch der unmittelbar angrenzende Urnenfriedhof im Eigentum der Holding Graz, wo sich auf 43.000 Quadratmetern rund 11.000 aktive Gräber befinden. Im Vergleich: Der benachbarte Zentralfriedhof umfasst 230.000 Quadratmeter mit etwa 35.000 (Erd-)Gräbern. Zaki: »Für den letzten irdischen Weg kann die Grazer Bestattung als einziges Bestattungsunternehmen in der Steiermark, inklusive Krematorium und eigenem Friedhof alle Serviceleistungen aus einer Hand anbieten.« Der kommunale Dienstleister ist in der Lage, umfassende Gesamtpakete zu schnüren, die sowohl Erdbegräbnisse wie auch Feuerbestattungen und naturnahe Alternativen umfassen.
Ein Prozent stirbt pro Jahr
Grundsätzlich ist von einer üblichen Sterblichkeit von rund einem Prozent der Bevölkerung auszugehen. Für Graz heißt das, von der alten Einwohnerzahl von 250.000 ausgehend, etwa 2.500 Tote pro Jahr. Die Bestattung Graz betreut mit sechs Filialen etwa 70 steirische Gemeinden und steiermarkweit rund 3.000 Sterbefälle pro Jahr, davon 2.000 in Graz und kommt so als zweitgrößtes Bestattungsunternehmen von Österreich auf durchschnittlich 83 Prozent Marktanteil. Für den pietätvollen und reibungslosen Ablauf sowie einen Umsatz von 8 Millionen Euro sorgen 70 Mitarbeiter, davon 45 Arbeiter und 25 Angestellte, vom Sargträger bis zum Abholer. Letztere steuern einen speziellen silbernen Konduktwagen von Mercedes, umgebaut von Kuhlmann-Cars. Für die Bestattungsfahrzeuge verfügt die Hauptzentrale in der Grazbachgasse über eine eigene Waschanlage, denn Sauberkeit und Hygiene spielen in dieser Branche eine große Rolle. So findet sich in der Zentrale auch eine eigene Wäscherei und eine Näherei für die uniformierte Bekleidung der Bediensteten.
»Jede Uniform bei uns ist ein Maßanzug«, verrät Friedrich Probst (59), der seit vier Jahren im Unternehmen ist und für Marketing, IT, Social Media und die Filialbetreuung zuständig zeichnet. Der ehemalige Croupier und Saalchef bei Casinos Austria verabschiedete sich von dort per Golden-Handshake in die Vermögensberatung und war schließlich wie sein Kollege Zaki im politischen Bereich tätig. Gregor Zaki (59) kam 2003 zunächst als Assistent des Vorstandes zur Holding, gerade als das ehemalige Monopol »Bestattung« liberalisiert wurde und Mitbewerber wie Pax und Alpha auftauchten. In dieser Funktion betraut mit dem Marketing in der Bestattung zur Positionierung und Behauptung im Wettbewerb übernahm er 2005 die Gesamtverantwortung als Bestattungsdirektor. Außerdem ist er Innungsmeisterstellvertreter in der Steiermark und Ausschussmitglied in der Bundesinnung.
Bis zu 75 Prozent Feuerbestattungen
Da der Trend zu Feuerbestattungen ungebrochen ist und zumindest in der Stadt bereits 75 Prozent aller Bestattungen ausmacht, ist das eigene Krematorium ein großer Vorteil für das Unternehmen wie auch für die Kunden. Das Krematorium Graz führt als Dienstleister auch Einäscherungen für zahlreiche Bestattungsunternehmen in der Steiermark, Kärnten und dem Burgenland durch.
In ganz Österreich gibt es rund 500 Bestattungsunternehmen, aber nur 20 Krematorien, in der Steiermark sind es zwischen 50 und 60 Bestatter und gerade einmal vier Krematorien. Jenes der Grazer Bestattung ist im Übrigen technisch und ökologisch auf dem letzten Stand bis hin zur High-Tech-Filteranlage. Betrieben werden die zwei Öfen elektrisch mit 1.200 Grad. Zaki: »Das ist notwendig, damit zuerst der Sarg Feuer fängt, was den ganzen Verbrennungsvorgang erst ermöglicht.« Dieser Vorgang dauert rund eineinhalb Stunden. Verbrannt wird also immer mit Sarg und darin befindet sich immer ein Schamottstein, eine nummerierte runde Scheibe mit rund 6 Zentimeter Durchmesser, die zur Identifizierung des Leichnams beziehungsweise der Asche dient. Nach der Verbrennung werden die (Knochen-)Reste von der sogenannten Aschenplatte des Ofens abgezogen, in einer Aschenmühle vermahlen und in eine Aschenkapsel gefüllt. Dorthinein kommt auch der Schamottstein. Die Feuerbestattung ist zwar schon seit Jahrtausenden bekannt, war in unseren Breiten aber lange Zeit verboten. Für Katholiken war das Zweite Vatikanische Konzil von 1963 von Bedeutung, als die Feuerbestattung der Erdbestattung gleichgestellt wurde. Seither steigt die Zahl der Feuerbestattungen stetig an.
Was eine Bestattung kostet, ist nicht leicht herauszufinden. Die Bestattung Wien wirbt neuerdings für eine Billigschiene namens »Baba«-Feuerbestattung um 1.350 Euro. Da ist aber nicht einmal die Beisetzung am Friedhof dabei, die allein rund 1.000 Euro zusätzlich kostet. Auch bei privaten Anbietern ist genau zu prüfen, was alles dabei, genauer was nicht dabei ist. Zaki: »Die Frage ist, was die Leute wollen. Ein Begräbnis ist heute auch ein Statement.« Was bleibt der Bestattung eigentlich übrig, wenn die Rechnung für ein Standard-Feuer- oder Erdbegräbnis inklusive Fremdleistungen rund 5.500 Euro ausmacht? Abgezogen werden müssen etwa Krankenhausgebühren von rund 200 Euro, die Stolagebühr für den Priester (60 bis 200 Euro), ferner die Friedhofsgebühr, der Totengräber der Friedhofsverwaltung (600 bis 800 Euro) oder die Parte in der Zeitung (ab 400 Euro). Die Abholung mit dem »Leichenwagen« beläuft sich übrigens auf 200, die Überführung zum Friedhof auf weitere 200 Euro. Zaki: »Grob geschätzt bleiben dabei der Bestattung zwei Drittel der Rechnungskosten.« Eine bloße Einäscherung ohne Friedhof beginnt bei rund 1.800 Euro, da auch die Kosten für den Sarg und den Transport des Verstorbenen anfallen. Nach oben hin sind Begräbniskosten kaum Grenzen gesetzt, Gruftsärge etwa können auch 5.000 Euro und mehr kosten.
In Österreich herrscht Sargpflicht, dass gilt auch für Muslime, die den in Tücher gewickelten Leichnam nach den rituellen Waschungen eigentlich direkt der Erde zu übergeben haben. Der Kompromiss: Es kommt auch etwas Erde in den Sarg. Auf dem Urnenfriedhof der Holding befindet sich auch ein interkonfessioneller Friedhof mit einem eingegrenzten Gräberfeld für Muslime zur Erdbestattung. Im Trend liegt seit einigen Jahren die naturnahe Bestattung in Form von Baumbestattung und Rasenbestattung. Die Grundidee ist, dass die Asche des Verstorbenen mit der Zeit und nach Auflösung der Urne von der Natur aufgenommen wird. Mit dem Baum beziehungsweise dem Gedenkstein ist ein Ort bezeichnet, an dem des Verstorbenen gedacht werden kann. Die Grabpflege entfällt.
Das Geheimnis von Jon Lord
Exotische Varianten der Bestattung sind wohl eher mit Skepsis zu betrachten, man denke an James Doohan (1920–2005). Der kanadische Schauspieler wurde in seiner Rolle als »Scotty« in »Raumschiff Enterprise« und »Star-Trek« bekannt. Doch seine Weltraumbestattung ging ziemlich schief. Seine Mikro-Urne hat gemeinsam mit 207 anderen an Bord einer Falcon-1-Trägerrakete nicht einmal die Erdumlaufbahn erreicht. Drei Jahre später soll es mit zurückbehaltenen Ersatzmengen der Aschen besser geklappt haben. Ob Wahrheit oder nicht ist wie auch bei den viel zitierten »letzten Worten« Prominenter fraglich. Hat Goethe wirklich »Mehr Licht« gesagt oder doch »Mehr nicht«? Von Churchill gibt es sogar unterschiedliche letzte Worte, Einsteins Worte waren angeblich auf Deutsch, daher habe die amerikanische Krankenschwester nichts verstanden. Originell wird der mexikanische Revolutionär Sancho Villa zitiert: »Schreiben Sie, dass ich was gesagt hätte.«
Wer glaubt, dass die Arbeit als Bestattungsdirektor die Ansichten zu Leben und Tod verändert, wird von Gregor Zaki eines Besseren belehrt: »Viele glauben, es relativiert sich deswegen alles, das ist aber nicht so. Ich ärgere mich immer noch über unnötige Kleinigkeiten.« Der studierte Romanist und geprüfte Bestatter ist Bücher- und Plattensammler, hat ein Autograph von Flaubert, hat Carlos Fuentes, Jorge Semprun und Martin Walser persönlich kennengelernt, er hat Chuck Berry und Bob Dylan die Hand geschüttelt und reist Elvis Costello sogar zu Konzerten nach. Jon Lord, der legendäre Hammond-Organist von Deep Purple hat ihm sogar verraten, unter welchem Pseudonym er in Hotels eingecheckt ist. Nachdem er auch schon verstorben ist, darf das Geheimnis hier verraten werden: Theo Penrode. Des Rätsels Lösung: Den letzten Buchstaben des Vornamens als ersten des Nachnamens verwenden, sprich The Open Rode (Road). Ob Humor gegen den Tod hilft, ist leider auch fraglich, aber wenn, dann so: je feiner, desto besser.
Bestattung Graz GmbH
8010 Graz, Grazbachgasse 44-48
Telefon +43 316 8872810
grazerbestattung.at
Fazitportrait, Fazit 183 (Juni 2022) – Fotos: Heimo Binder
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