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Wunderbare Welt der Werbung

| 18. August 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 195, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Seit 48 Jahren sorgt der Werbemittlerhändler Radlgruber für kleine Momente des Glücks, des Staunens oder des Lächelns, wenn er uns zumeist unerkannt im Namen anderer mit Werbegeschenken überrascht. Vom Schlüsselanhänger über Kugelschreiber bis zu Regenschirmen oder elektronischen Helferleins erschließt sich dabei ein Kosmos aus manchmal mehr und machmal weniger Nützlichem.

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Kleine, möglichst praktische oder originelle oder formschöne oder auch unsinnige Werbegeschenke üben seit jeher auf die meisten Menschen eine eigenartig absurde, unerklärliche Faszination aus. Aber nicht nur, weil sie gratis sind. Und natürlich dürfen Sie auch gerne groß sein oder zum Anziehen. Alle, die etwas bewerben wollen, wissen das und sehr viele wenden sich früher oder später an sogenannte Werbemittelhändler, um ihr Unternehmenslogo und ihre Werbebotschaft unter die Leute und sich in Erinnerung zu bringen.

Der Familienbetrieb Radlgruber Werbegeschenke in Graz ist einer dieser Händler, von denen es in der Steiermark rund 70 und österreichweit 450 gibt. Raimund Radlgruber (76) ist ein Pionier auf diesem Gebiet, hat er das Unternehmen doch bereits im Jahr 1975 gegründet und verfügt somit über 48 Jahre Branchenerfahrung. Seine Frau Katja erledigt die Buchhaltung und Sohn Stefan (43) hat den Betrieb bereits 2012 übernommen. Mit acht Mitarbeitern setzen sie zwischen zwei und drei Millionen Euro im Jahr um, sozusagen je nach Corona-Lage. Da es vor allem die kindliche Neugier ist, die uns Faszinierte hinanzieht, stellen sich zunächst die Fragen: Woher kommen eigentlich all diese Werbemittel, wer hat die Ideen, wer produziert sie und wird man damit reich? Das sind zugleich Fragen, die aufzeigen sollen, dass der Artikel nicht von einer KI, einer künstlichen Intelligenz wie »ChatGPT«, geschrieben ist; heute kann man sich da bekanntlich nicht mehr so sicher sein.

Foto: Heimo Binder

Unsereiner steht in Fleisch und Blut im Schauraum von Radlgruber, überwältigt von den mehr als 60.000 verschiedenen Artikeln, die hier zumindest auszugsweise in den Regalen stehen. Dass Trinkflaschen beliebte Werbegeschenke sind, war zwar klar, dass es aber gut hundert verschiedene gibt, überrascht denn doch. »Man braucht in der Werbemittelbranche sehr viel Fachwissen, denn es geht nicht nur um den Verkauf, sondern auch um eine gute Beratung«, erläutert Raimund Radlgruber, der auf »97 bis 98 Prozent Stammkunden« verweisen kann. So solle sich der Kunde darüber im Klaren sein, wozu seine Zielgruppe die Trinkflasche denn brauche. Zum Trinken, das sei schon klar, aber wann vorwiegend, bei welcher Gelegenheit? »Radfahrer können mit festen Drehverschlüssen wenig anfangen, dazu braucht man beide Hände, also kommen für sie eher die Flaschen mit auf- oder ausklappbarem Trinkschnabel in Frage. Sind es aber eher Wanderer, dann kann so ein Modell, wenn es verkehrt in den Rucksack gepackt wird, leicht ausrinnen. Da wäre ein fester Verschluss wieder besser.« Kommt das Material Glas in Frage? Sollen die Getränke warm gehalten werden, ist eine Thermosflasche gefragt? Je klarer die Verwendung, je genauer die Auswahl, desto besser der Anklang beim Empfänger. Schließlich steht ja der beworbene Name auf der Flasche. Doch läßt sich das nicht verallgemeinern. Bei einem der häufigsten Werbegeschenke, dem Kugelschreiber, sieht die Sache anders aus: »Beim Kugelschreiber halte ich es für wesentlich, dass er dem Kunden gefällt, dass er nicht teuer ist, dass er gut in der Hand liegt, dass die Mine nicht patzt – Hauptsache, der Kunde hat eine Freude damit. Weniger ein Kriterium ist es, wieviel Kilometer die Mine schreibt. Denn man weiß niemals, wie alt sie ist oder wie sie gelagert wurde.«

»Weltspartagsmentalität«
Die Erfahrung seines Vaters schätzt Stefan Radlgruber sehr: »Wir ergänzen uns sehr gut. Früher hat er sich gegen den Webshop gesträubt, heute ist er ein großer Verfechter davon. Die Schauräume und der Webshop sind ein gutes Beispiel dafür, wie die alte und die neue Welt zusammenspielen.« Der Kunde informiert sich vorher im Webshop und kann das Produkt dann hier haptisch erfahren und begreifen im doppelten Wortsinn. Und ja, zum überwiegenden Teil werde Chinaware gekauft, denn in der Werbemittelbranche spielt natürlich der Preis eine entscheidende Rolle. Der Trend gehe aber weg von der »Weltspartagsmentalität«, wie Stefan Radlgruber es nennt, also weg vom Ramsch, in Richtung weniger, aber hochwertiger. Also mehr Qualitätsbewusstsein, mehr vorgeschriebene Zertifikate und das werde in der EU auch überprüft, was zu begrüßen sei. »Bei Direktimporten etwa von Textilien aus Fernost haften wir als sogenannte »Inverkehrbringer« – das ist auch der Grund, weshalb wir immer weniger direkt importieren, sondern meistens über Großimporteure in Europa die Ware beziehen.« Denn wenn bei den zwei Hauptkriterien für T-Shirts, Farbe und Größe, etwas schiefgeht, haftet der Großimporteur.

Legendäres »Puch-Kapperl«
Bereits in den Anfängen des Unternehmens 1975 stieg Raimund Radlgruber in das Geschäft mit China ein, weil seine Schwester in Hongkong lebte und so Zugang zu den Produktionsstätten hatte. Einer der ersten Großaufträge war das legendäre »Puch-Kapperl« für Steyr-Daimler-Puch, von dem 100.000 Stück in China produziert wurden. Radlgruber: »Das hat einen Schilling gekostet, wir haben es um 1,20 Schilling verkauft. Heute werden im Internet 30 bis 40 Euro dafür verlangt.« Der erste größere Kunde war »Humanic«. Als Horst Gerhard Haberl neuer Werbeleiter wurde, entstand die »Franz«-Werbelinie. »Auch dafür haben wir die Werbemittel gemacht und 20.000 Sonnenhüte oder die Regenschirme aus dem leichten, papierähnlichen Material Tyvek, von denen ich noch einen habe. Das kennt man vom »Tatort«, wenn die »Spusi« so einen weißen Anzug aus diesem Material über das Gewand zieht.«

Das grüne Herz Österreichs
Für den Fremdenverkehrsverein wiederum entstanden Werbemittel mit dem damals neue Logo »Steiermark, das grüne Herz Österreichs«. Auch dazu weiß Raimund Radlgruber eine Anekdote zu erzählen: »Für Professor Wolf Sixl vom Hygieneinstitut, der in vielen Gebieten dieser Welt hygienische Entwicklungsarbeit geleistet hat, wurde ich in den Neunzehnachtzigerjahren zur Kontaktstelle mit dem Südsudan, weil ich einen Fernschreiber hatte. Als er wieder einmal einen Container hinuntergeschickt hat, habe ich ihm Kapperl und T-Shirts mit dem Logo »Steiermark – das grüne Herz Österreichs« mitgegeben. Alle Kinder die sich impfen ließen, haben damals so ein Leiberl bekommen.«

T-Shirts als Pyjama
Auch über bürokratische Hürden weiß Radlgruber ein Lied zu singen. Und auch, mit welchen Tricks man sich gegen die seinerzeitigen Einfuhrbeschränkungen zu helfen wusste. Für seine Bestellung eines Containers mit T-Shirts aus Indien war eine Einfuhrbewilligung erforderlich. Insgesamt durften aber nicht mehr als drei Millionen T-Shirts nach Österreich importiert werden, darüber hinaus brauchte man eine sogenannte Quota zu einem Aufpreis, die aber ebenfalls begrenzt war. Die konnte man zwar auch auf dem freien Markt kaufen, aber nur für viel Geld.  Raimund Radlgruber: »Wir haben die T-Shirts anders deklariert: Über zwei Löcher am unteren Rand des T-Shirts haben wir eine Schnur einziehen lassen und die Chinesen haben uns kurze Hosen aus dem gleichen Material dazu geliefert. So konnten wir das ganze als Pyjama deklarieren und damit fiel die Quota weg. Jetzt hatte ich zu den 60.000 T-Shirts auch 60.000 Hosen, allerdings ohne Waschkennzeichnung, so konnte ich sie nicht verkaufen, daher haben wir sie zumeist dazugeschenkt. Als damals der Rudi Roth auf Ceylon, heute Sri Lanka, einen Fußballplatz für Kinder gebaut hat, habe ich ihm 40.000 Hosen für die Spieler geschenkt, die der Spediteur Teddy Jöbstl mit dem Schiff nach Sri Lanka gebracht hat. Jetzt sind die Hosen, die aus Südindien gekommen sind, wieder dorthin zurück gegangen, eine unglaubliche Geschichte.«

Foto: Heimo Binder

Wichtig für das Geschäft von Radlgruber waren seit jeher die Kontakte zu potenziellen und in der Folge tatsächlichen Auftraggebern in Industrie, Handel und Gewerbe sowie zu Vereinen, politischen Parteien und Vorfeldorganisationen, öffentlichen Stellen und Organisationen bis zu Ministerien, zur Gebietskrankenkasse, zur AUVA oder auch zur Diözese Graz.

Regenschirme
»Beim Katholikentag Anfang der Achtziger hatten wir das Glück, dass es geregnet hat. Wir konnten innerhalb von wenigen Tagen 200 Regenschirme liefern. Auch der Papst hatte einen von uns«, freut sich Radlgruber senior noch heute. Das beliebte Werbegeschenk Regenschirm war seit jeher ein spannendes Thema: Um auch den damals schon letzten Hersteller von Regenschirmen in Österreich – die Firma Interschirm im burgenländischen Breitenbrunn – zu schützen, wurde früher auf Importware ein Schutzzoll von bis zu 70 Schilling eingehoben, so dass ein Regenschirm mehr 100 Schilling gekostet hätte. Radlgruber: »Unser Trick war, die Regenschirme in Teilen zu importieren: das Gestell und die Bespannung extra. Dann war nur ein niedrigerer Zoll drauf. Bei einem Auftrag von Raiffeisen über 500 Regenschirme habe ich alle selbst genäht und an den Speichen befestigt – das war der Pioniergeist. Heute sind wir einer der wenigen Betriebe, die Regenschirme mit Namen unter einer Schicht Epoxyharz bedrucken können – ein sehr persönliches Geschenk.«

Einblicke
Der studierte Betriebswirt Stefan Radlgruber gibt ein bisschen Einblick ins Geschäft, wenn er erläutert, dass der Ertrag bei kleinen Aufträgen meist höher ist: »50 T-Shirts sind das bessere Geschäft, zwar ist der Aufwand höher, wie etwa für die Mannschaft bei einem Segelturn, wenn jeder seinen eigenen Aufdruck hat, aber dafür können wir auch mehr verlangen und der Kunde versteht das auch. Bei großen Ausschreibungen geben nicht wir den Preis vor, sondern der Kunde. Der interessanteste Auftrag für uns ist eigentlich der mittlere Auftrag zwischen 2.000 und 10.000 Euro – das ist ein gutes Aufwand-Verdienst-Verhältnis. Darunter ist zwar der Verdienst prozentuell höher, aber der Aufwand dafür sehr hoch. Darüber wiederum ist teilweise der Deckungsbeitrag in Prozenten einstellig, das ist schon grenzwertig und kommt dann noch eine Reklamation dazu, wird es oft schwierig.« Reich werde man nicht, meint er, »aber man kann gut leben davon und es macht unheimlich viel Spaß! Man lernt Menschen auf anderere Art und Weise kennen und es entwickeln sich oft Freundschaften daraus.« Klargestellt konnte also werden, dass direkt beim Werbemittelhändler nichts hergestellt, sondern gehandelt und veredelt wird, zum Beispiel wird eine Tasche im Nachhinein bedruckt. Die Ideen sind zumeist vorgegeben, aber Kreativität ist immer gefragt. Auch die Frage, wer eigentlich die Werbemittel bedruckt, konnte beantwortet werden – das ist sowohl bei Radlgruber selbst oder beim Importeur oder schon in der Fabrik beim Produzenten möglich, abhängig von der Art des Drucks.

Radlgruber Werbegeschenke GmbH
8051 Graz, Wienerstrasse 186
Telefon +43 316 716622
radlgruber.at

Fazitportrait, Fazit 195 (August 2023) – Fotos: Heimo Binder

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