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Zur Lage (66)

| 26. März 2014 | 1 Kommentar
Kategorie: Fazit 101, Zur Lage

Diesmal nur über den österreichischen Film sowie die österreichischen Filmschaffenden und deren Sorgen, Nöte und Ängste vor einer ungewissen Zukunft.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Die österreichischen Filmschaffenden oder zumindest ein Teil österreichischer Filmschaffender hat dieser Tage eine Onlinepetition (filmfernsehfreunde.at) gestartet. Jetzt wollen wir uns anläßlich der globalen Bedeutung des zeitgenössischen österreichischen Filmes nicht daran erinnern, dass Onlinepetitionen grundsätzlich für den Kanal sind bzw. in aller Regel von Menschen »operationalisiert« werden, die tagtäglich genug Zeit dafür haben, sich Problemen zu widmen, Probleme zu erfinden oder schlicht ein Problem zu sein, nein, wir befassen uns mit dem Problem unserer Filmschaffender.

Immerhin geht es in aller erster Linie gegen den ORF. Der soll nämlich – ich hab mir die genauen Summen mangels Detailinteresse nicht so gemerkt – einige Trilliönchen der Rundfunkgebühr jetzt nicht mehr »refundieren«. Das habe ich einem unglaublich amateurhaft daherkommenden Film, einem Youtube-Video, entnommen. Dieses Video haben offenbar die Damen und Herren Speerspitzen des österreichischen Films »geschaffen«.

Da hab ich mir dann ein erstes Mal gedacht, wie jetzt? Da haben die Filmschaffenden ein Problem und machen mittels eines Filmchens darauf aufmerksam. So weit, so gut. Dann reden die Protagonistinnen und Protagonisten in diesem Film die ganze Zeit davon, wie toll die österreichischen Filmschaffenden sind, bringen es aber nicht fertig, dass ich nicht nach nur einer Minute beinahe eingeschlafen wäre. Würde ich etwa Kokosnüsse schnitzen und wollte, dass alle was dazuzahlen, damit ich Kokosnüsse schnitzen kann, würde ich doch eher eine richtig schön geschnitzte Kokosnuss verwenden, um mein Anliegen zu präsentieren. Aber ich sehe das wohl zu sehr unter einem so neoliberalen wie extremkapitalistischen Blickwinkel.

Und dazu noch diese »Betroffenheit«, die diese weniger bekannten Leuchten da in die Kamera fließen ließen! Wenn man ein NÖM-Fastenjoghurt auf einen schwarzen Teller klatscht und dann eine Designerbrille draufpappt, ist der künstlerische Eindruck ein wertvollerer. Hätte sich nicht die Erni Mangold an einem Apfel verkutzt, die einzige erträgliche Szene dieses Elends, möchte man ein Jahr keinen Film mehr anschauen! Interessantes Konzept!

Außerdem geht es mir um deren verqueren Ansatz. Alleine die Begrifflichkeit »Refundieren«, also »zurückzahlen« (ok, auch ersetzen«). Wenn es jemanden gäbe, dem der ORF was refundieren müsste bzw. könnte, dann wäre das ich. Und Sie natürlich auch. Weil wir beide ORF-Gebühren zahlen. Die Filmschaffenden wollen also keine Refundierung, sie wollen einen Teil dieser Gebühren abgreifen. Das Geld anderer Leute also. Kann man wollen. Sie begründen das im Filmchen übrigens mit den »urgroßen wie weltweiten Wahnsinnserfolgen« des österreichischen Filmes.

Der ORF, so droht das Video weiter, würde diese Millionen selber einsacken und die Förderung für den heimischen Film um ein Drittel kürzen. (Ich denke, es war ein Drittel; den Film kann ich mir jetzt nicht nocheinmal anschauen, Sie verzeihen.) Und dann würden die bösen amerikanischen Serien noch mehr Platz im Programm des öffentlichen Rundfunks einnehmen. Oft habe ich hier den ORF schon gescholten, ständig nur irgendwelche Sitcoms rauf- und runter zu »programmieren«. Trotzdem erscheint mir diese »Feindansage« interessant. Ich sage Ihnen nämlich das Eine: Wenn die Amis was wirklich können, dann ist das »Filmschaffen«. Und jetzt kommts: Ohne die Millionen an Förderungen, die hier oder im bundesdeutschen (wie überhaupt gesamteuropäisch) üblich sind.
Wussten Sie, dass die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender in der BRD (also ARD und ZDF; diese stammen zu mehr als 90 Prozent aus den Gebühren bzw. jetzt der Fernsehsteuer) rund acht Milliarden Euro ausmachen? Und wussten Sie, dass der Gesamtumsatz der Traumfabrik (also Hollywood; ohne Förderungen oder Steuern unserer Art) etwa um 500 Millionen geringer ist? Das bedeutet ARD und ZDF haben zusammen mehr Geld zur Verfügung als alle US-amerikanischen Produktionsfirmen! Und was sind deren ganz große Heuler? »Wetten, dass«, Frühstücksfernsehen zum Abgewöhnen und ein paar solcher Rosamunde-Pilcher-Filmchen. Na, bummstinazl. Offenbar gehen die öffentlich-rechtlichen mit ihrem Spielgeld viel zu verschwenderisch um und offenbar ist »Förderung« im Filmwesen für vieles und jenes gut, nur nicht für Filme, die irgendwer wirklich sehen will.

Bei einer Podiumsdiskussion in den frühen Neunzigern, es ging um Filmförderung, hat ein heimischer Regisseur sein Leid geklagt, dass er drei Jahre vergeblich beim ORF um die Förderung eines seiner Filmprojekte angeklopft hätte. Es wären lediglich fünf Millionen Schilling gewesen, die er für seinen Film benötigt hätte. Aber der ORF blieb nach seinen Schilderungen stur und so musste er schauen, dass er den Film anderswie produzierte. Auch davon erzählte er stolz. Er hätte danach private Sponsoren aufgetrieben, selbst Geld investiert und konnte den Film um 2,5 Millionen Schilling herstellen. Die Ironie seiner Wortmeldung ist ihm wahrscheinlich auch heute noch nicht bewusst. Wir zumindest können in diesem einen Fall dem ORF dankbar sein: Er hat um fünf Millionen weniger ausgegeben und die Filmkunst hat nur die Hälfte für diesen sicher beachteten Film aufwenden müssen.

Ich bin voll total für den österreichischen Film. Wenn die einmal einen Film machen würden, den ich mir im Kino anschauen würde, dann würd ich mir den sogar zwei-, dreimal anschauen. (Es gibt natürlich immer Ausnahmen!) Ich hab nur die Sorge, dass in einem ausfinanzierten Förderungssystem die Qualität unserer Filme nicht besser werden kann. (Und bitte, so ein Heuler war etwa Braunschlag auch nicht. Tolle Schauspieler, guter Regisseur, keine Frage. Aber im Grunde nur ein zigter Aufguß vom Mundl.) Ein Film ist halt nicht bloß dann ein guter Film, wenn er nur von den drei Cineasten in jeder Stadt gerne gesehen wird. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

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Zur Lage #66, Fazit 101 (April 2014)

Kommentare

Eine Antwort zu “Zur Lage (66)”

  1. Zur Lage (67) | FazitOnline. Wirtschaft und mehr. Aus dem Süden.
    25. April 2014 @ 13:10

    […] Geschichte von diesem rührigen Filmemacher – wenn Sie das jetzt im Netz lesen, können Sie es hier nachlesen (sonst müssen Sie sich halt ein Fazit besorgen) – vom rührigen Filmemacher jedenfalls, der dann […]

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