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Endlich supergeil

| 27. November 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 108, Kunst und Kultur

Foto: Wilfried Moertl

Das Gesamtkunstwerk Friedrich Liechtenstein bewegt sich zwischen Unterhaltungsgenie und Langeweilewahnsinn. Im November war er in Graz. Zum Glück.

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Seine Jugend verbrachte er im Kinderheim, später schlug er sich als Hausmeister oder Küchenhilfe in den Krankenhäusern Chicagos durch. Sein Leben war beliebig, mit seinen Nachbarn sprach er über das Wetter, Besuch bekam er nie und wenn er seine Wohnung verließ, vergrub er sein Gesicht in seiner Armeejacke. Dabei hätte Henry Darger gerne selbstbewusster sein können. Als der Amerikaner mit 80 Jahren ins Altersheim kam und seinen letzten Tagen entgegenblickte, veranlassten seine Vermieter eine Wohnungsräumung. Und das Potenzial Dargers wurde offenbart. Durch den Fund eines 15.145 Seiten starken Manuskript später stieg er plötzlich zu einem der bedeutendsten Künstler der Outsider Art auf.

Und hatte davon so viel wie Vincent van Gogh von den Rekordpreisen, die seine Bilder nach seinem Tod erzielten. Nun ist Friedrich Liechtenstein kein van Gogh und nicht einmal ein Darger, aber doch hatte er noch einmal Glück. 55 Jahre lange musste er darauf warten. Auf Edeka, einen Werbespot, und 12,5 Millionen Klicks auf YouTube. Endlich war er supergeil. Dabei hatte er schon zuvor gesungen, installiert, geschauspielert – und sogar für einen Brillendesigner als Schmuckeremit in Berlin gelebt. So schimpft sich, wer durch Wohnen zur Attraktion wird. Weil man, so wie damals im England des 18. Jahrhunderts modern, in einer Wohnung öffentlich zur Schau gestellt wird.

Die Zeiten sind vorbei. Goldene Fingernägel, Schlafrock, grauer Vollbart, unverschämt gut frisiert – dieser Mann strahlt mittlerweile als Internetphänomen. Wenn Friedrich Liechtenstein über die kleine Bühne in der Luise im Kunsthaus tänzelt, hat man es mit einem Gesamtkunstwerk zu tun, das eigentlich gar keines ist. Und doch lässt man sich in seinen Bann ziehen. Vor allem von dieser Stimme, die noch gewaltiger ist als seine charismageschwängerte Aura. »Wir wissen eigentlich auch nicht, was er genau vorhat«, sagt der Lichttechniker, nachdem Liechtenstein zum wiederholten Mal eine frivol-schräge, aber gleichsam langweilige Nummer zum Besten gibt. Nur um anschließend alle verwirrten Besucher des Spektakels mit einer Geschichte über eine Reise nach Belgien zu unterhalten. Luise-Betreiber Gernot Saiko und Grand-Journal-Herausgeberin Nina Prehofer hatten ihn ins Kunsthaus geladen, wo er sein Konzeptalbum »Bad Gastein« präsentieren durfte. Einen Tag später mimte er den »Special Guest« bei der ersten Grazer TEDx-Tagung. Der Untertitel der Veranstaltung: »There is no such thing«. Stimmt.

Friedrich Liechtenstein wurde 1956 als Hans-Holger Friedrich in Eisenhüttenstadt geboren. Er ist Musiker, Schauspieler und Unterhaltungskünstler. Zu seiner Webseite.

Alles Kultur, Fazit 108 (Dezember 2014) – Foto: Wilfried Moertl

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