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Der Untergang der Titanen

| 25. Februar 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 150, Kunst und Kultur

Foto: Anna Stöcher

Wie schlimm es um Österreich politisch und medial aktuell steht, wird ideologisch unterschiedlich befunden. Das aktuelle Theaterstück von Ed Hauswirth fürchtet sich. Zumindest um die vierte Gewalt im Staat, aber vielleicht um noch mehr.

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In Steinhaus am Semmering steht ein Flüchtlingsheim, für das Österreich exakt 45.000 Euro zahlt. Monatlich. So etwas soll schon einmal vorkommen. Interessant ist es aber, weil der Mietvertrag einen Kündigungsverzicht bis ins Jahr 2029 vorsieht. Was insofern unpraktisch ist, weil die Unterkunft aktuell leer steht. Aus Mangel an Auslastung. Das mutet ein bisschen absurd an, überrascht im Detail allerdings nicht allzu sehr. Zumindest, wenn man ein gelernter Österreicher ist.

Absurd geht es auch zu, wenn sich eine Gruppe von Journalisten, Redenschreibern und Medienfachleuten einmal im Jahr in einer Villa trifft. Da wird von den Frauen rituell gejoggt, während die Männer chronisch den Kochlöffel schwingen, und schließlich kippt die anfangs gute Stimmung zusehends, bis endlich das rettende, rauchbare Gras ins Spiel kommt. Gut, das ist jetzt alles keine Realität wie das obsolete Asylquartier, sondern lediglich die Rahmenhandlung von »Der Untergang des österreichischen Imperiums«. Alternativ- oder Subtitel: »Die gereizte Republik«. Aber – und nun kommen wir zur Gemeinsamkeit – auch dieses Stück spielt am Semmering.

Regisseur Ed Hauswirth zeichnet für sein aktuelles Werk ein düsteres Bild der politischen und medialen Gegenwart in Österreich. Anhand von acht Protagonisten, deren jüngster ein Sebastian Kurz der Medienwelt sein könnte. Jung, überaus biegsam und stets bereit, dem Volk zu entsprechen, hat er sich vom einstigen Praktikanten einer anwesenden Chefredakteurin a. D. zur Nummer eins des angesagtesten Boulevardmediums hochgearbeitet. Der junge Mann ergeilt sich an seinem Erfolg wie auch an seinen gönnerhaften Angeboten, die er den älteren Semestern der Gruppe machen kann. Der Jüngling ist jenen, zu denen er noch vor kurzem aufgeschaut hat, maßlos überlegen. Die übrigen Charaktere, sie sind überholte Titanen, die prekäre oder gar keine Arbeitsverhältnisse haben und in Endzeitstimmung sowie »Früher war alles besser«-Mentalität verfallen. Dabei geben sie sich aber nicht nur selbstgerecht. Sie haben auch Angst um Demokratie und die vierte Gewalt im Staat. Zumindest in jenen Phasen, in denen sie nicht darauf vergessen und stattdessen lieber hedonistisch Tanz und Droge frönen.

Auch auf einen Spritzer Selbstironie wird nicht vergessen. Bestes Beispiel dafür ist die Journalistin Barbara – Spezialgebiet: Feminismus, regelmäßiges Einkommen: Fehlanzeige – die laut über eine PR-Stelle bei der neuen Frauenministerin nachdenkt und kurze Zeit später bewusst in selbst platzierte Exkremente tritt. Besonders charmant auch der linke Haltungsjournalist von nahezu aktivistischem Format, der lieber aus Überzeugung selbstständig wenig Einkommen hat als das Angebot des erfolgreichen Jünglings des Oktetts anzunehmen.

Es sind viele ernste Fragen unserer Zeit, die in der Koproduktion des Grazer Theaters im Bahnhof mit dem Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße gestellt werden. Mit Humor und Können. Und doch lassen einen die fast zwei Stunden etwas ratlos zurück. Was wahrscheinlich dazu gehört, zu einem imperialen Untergang. Und im Detail auch nicht allzu sehr überrascht. Zumindest nicht, wenn man ein gelernter Österreicher ist.

Alles Kultur, Fazit 150 (März 2019) – Foto: Anna Stöcher

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