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Politik von links unten

| 10. November 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 197, Fazitgespräch

Foto: Heimo Binder

Vor ziemlich genau zwei Jahren wurde mit Elke Kahr eine bekennende Marxistin an die Spitze der Grazer Stadtregierung gewählt. Wir haben nachgefragt, was sich seither für sie persönlich und für die Bürger von Grazer verändert hat. Und natürlich, wie sie ihre Weltanschauung auf ihr Amt überträgt..

Das Gespräch führten Johannes Roth und Peter K. Wagner.
Fotos von Heimo Binder.

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Der zweite Stock des Grazer Rathauses hat sich verändert. Die »Politik von unten«, der Elke Kahr sich verschrieben hat, ist spürbar. Zwar verzichtet man offenbar auch in einem kommunistischen Bürgermeisterbüro nicht auf Konventionen wie Höflichkeit oder Gastfreundschaft. Aber sonst ist alles lockerer.

Die Genossen sind deutlich legerer gekleidet, die Türen der Büros stehen offen. Auch das Bürgermeisterinnenbüro hat seine repräsentative Funktion verloren, das Interieur ist nun eher funktionell als elegant.

Vor uns hat Kahr einen Autoren empfangen, der zum Thema Inklusion schreibt. Er braucht länger als gedacht, wir werden gebeten, zu warten. Der neue, noch nicht akkreditierte Botschafter Israels war für ein Telefongespräch angemeldet, hat es dann aber doch abgesagt. Gut für uns: Wir brauchen jede Minute, denn Elke Kahr antwortet gerne ausführlich. Und wir haben viele Fragen …

***

Frau Bürgermeisterin, Sie sind nun seit zwei Jahren im Amt und immer noch unter dem Namen »die Elke« bekannt. Was hat sich für Sie verändert?
Ich habe einfach zusätzliche Aufgabenbereiche in den Ressorts und neue Ressorts dazu bekommen. Das ist mir aber nicht fremd gewesen; dadurch, dass ich seit 1993 im Gemeinderat bin und seit 2005 Stadträtin, habe ich ein gutes Verhältnis zur Beamtenschaft und empfinde große Wertschätzung gegenüber den kommunalen Einrichtungen. Und diese Wertschätzung bekomme ich zurück. Ich kriege überhaupt sehr viele positive Rückmeldungen, natürlich auch aus der Bevölkerung, eben weil ich für viele nicht die klassische Politikerin bin. Sondern halt jemand, zu der man kommen kann, die viel Erfahrung hat und gut vernetzt ist.

Die Hilfe, wegen der man Sie aufsucht, werden Sie als Bürgermeisterin nicht immer geben können. Wie gehen Sie denn damit um?
Es kommt selten vor, dass etwas nicht geht. Das Mindeste, das man machen kann, ist, dass man dort, wo das Thema eigentlich hingehört, für denjenigen hinschreibt und nachfragt. Dass man demjenigen oder derjenigen das Gefühl gibt, dass einem das Thema, mit dem er gekommen ist, nicht wurscht ist. Und das, finde ich, ist viel. Ich bin da ein grundoptimistischer Mensch, auch wenn ich mir viel Sorgen mache, was manche gesellschaftlichen Entwicklungen betrifft …

Welche gesellschaftlichen Entwicklungen wären zum Beispiel jetzt Ihre größte Sorge?
Das, was so alt ist, wie die Geschichte der Menschen: nämlich Leute, die immer schnell einmal den Schuldigen finden und versuchen, eine Politik zu betreiben, die ausgrenzt. Man muss viel unaufgeregter, aufrichtiger und ehrlicher Politik machen. Nicht ständig nur behaupten, die eine oder die andere Gruppe sei schuld an etwas. Ausgrenzen bedeutet, dass Leute sich nicht mehr angenommen fühlen, sich ausgeschlossen fühlen und dass dann erst recht Parallelstrukturen entstehen. Aber dieses Klima ist eher ein Problem der Bundespolitik, nicht eines der Stadtregierung.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Politikerin entscheidend dazu beitragen können, dieses gesellschaftliche Klima zu verändern?
Immer. Jeder erwachsene Mensch – und erst recht die Politik – hat die Verpflichtung, Vorbild gegenüber Jüngeren zu sein. Wenn ich abgehoben bin, wenn ich keine Freundlichkeit an den Tag lege, wenn ich den Leuten nicht zuhöre, wenn ich eine Politik mit dem Kopf durch die Wand mache – das wäre abstoßend. Für das Klima in einer Stadt ist immer die Politik mitverantwortlich. Und da sehe ich auch in meiner Rolle als Bürgermeisterin eine hohe Verantwortung. Und ich muss mich dazu gar nicht verstellen, denn ich kann gar nicht anders, ich bin so. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir alle viel mehr Moral brauchen und weniger Moralisten.

Sie haben einmal gesagt, Sie würden sich selbst mehr als Aktivistin sehen, weniger als Politikerin. Sie scheinen aber auch in Ihrer Rolle als Politikerin Freude daran haben, politisch zu gestalten.
Immer. Mein Leben lang. Aber das habe ich als Nicht-Kommunalpolitikerin genauso gehabt wie jetzt als Bürgermeisterin. Weil ich einfach einen Sinn in meiner Arbeit sehe: dieses Bündnis mit der Bevölkerung, das man nie vergessen darf. Denn dafür wird man ja gewählt. Und dem muss man sich ausschließlich verpflichtet fühlen.

Es ist wahrscheinlich schon ein bisschen fad für Sie, aber ich muss Sie das trotzdem fragen: Was unterscheidet Ihre Art des Kommunismus vom Kommunismus Breschnews?
Ich bin Mitglied der Kommunistischen Partei in Österreich. Die ist immer einen eigenen Weg gegangen. Natürlich hätte man sich in der Nachkriegszeit früher abschotten müssen, klar benennen, dass eine politische Entwicklung, wie sie in der KPDSU stattgefunden hat, nichts mit unserem Weltbild zu tun hat. Und nichts damit, wie wir uns Sozialismus vorstellen. Das kann man der KPÖ vorwerfen. Das aber nichts damit zu tun, dass unsere Solidarität mit Schwesterparteien, die unseren Politikstil haben, immer gegeben sein wird. Wie mit denen in Belgien, in Frankreich, in Italien, in Spanien, in Portugal oder in Griechenland. Unsere Schwesterparteien dort sind stark. In Griechenland etwa, in Patras, hat der Kandidat der Kommunisten 40 Prozent. Er ist dort Bürgermeister – eh schon immer gewesen – und hat jetzt noch einmal dazugewonnen. Breschnew hingegen ist schon lange gestorben und die UdSSR gibt es jetzt seit fast 30 Jahren nicht mehr, oder?

Aber die Ideologie, auf der sie gebaut war, war der Kommunismus.
Unsere Weltanschauung ist der Marxismus. Dem fühlen wir uns verpflichtet. Er ist ein Instrument, um die Welt zu verstehen, wie sie ist, und keine praktische Politikform. Obwohl wir nun Marxisten sind und aus Parteien kommen, die sich kommunistische Parteien nennen, können diese Parteien dennoch völlig anders definiert sein. Wir schaffen ja auch nicht eine katholische Kirche ab, nur weil es Hexenverbrennungen gegeben hat.

»Marxistisch« ist vielleicht akzeptierter als Kommunismus. Ich verstehe schon, dass man sich verbunden fühlt, aber ist es dann nicht doch eine Art Traditionalismus, dass man sich trotzdem »Kommunist« nennt?
Nein, es ist eine tiefe Überzeugung. Was heißt denn Kommunismus? Nichts anderes als Gemeinwohl, Gemeinsinn. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der es egal ist, woher du kommst, wer du bist. In der du die gleichen Rechte und Pflichten hast wie jeder andere auch. In der jeder nach seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten leben kann. Nichts anderes. Es soll keinen Unterschied geben auf dieser Welt.

Lässt sich das verwirklichen?
Das ist eine Utopie. Kommunismus ist keine reale Regierungsform, er ist eine Utopie. Kommunismus könnte es in einem Land oder auf dieser Welt nur geben, wenn es eine klassenlose Gesellschaft gäbe – im Konjunktiv. Um dahin zu kommen, musst man in einem nationalen Staat so etwas wie einen Sozialismus erreicht haben. Sozialismus heißt aber, dass alles, was es an Schlüsselpositionen in der Gesellschaft gibt, in öffentlicher Hand sein sollte. Egal, ob das die Gesundheit, die Bildung, die Pflege, Wohnen, Wasser, ist – alles, was jeder Mensch braucht, soll nicht dem Markt unterworfen sein.

Die Versuche, so ein System zu etablieren, sind bisher gescheitert.
Eine Ahnung, was das heißen könnte, haben die Menschen während der Covid-Zeit gehabt. Weil man gemerkt hat: Wenn eine Katastrophe eintritt, dann braucht man das. Diese Probleme kann ein Privater nicht lösen. Wenn ich genügend öffentlichen Wohnraum habe, kann ich in einer Krisenzeit die Mieten senken oder aussetzen. Von einem Privaten kann ich das nicht verlangen. Ich kann dem nicht befehlen: »Du musst das machen!« Außer ich mache eine Notverordnung und setze sowieso alle Gesetze außer Kraft. Aber dazu soll es sich gar nicht kommen.

Gehen wir vielleicht ein bisschen weg von der Theorie …
Das ist keine Theorie. Die Praxis, um beim Wohnen zu bleiben, schaut so aus: Wir trommeln seit 20 Jahren, dass wir mehr Gemeindewohnungen brauchen. Und haben das Bewusstsein in der Stadtregierung so geschärft, dass wir das sogar in der Opposition erreicht haben.

Um ein bisschen in die Realpolitik zu kommen: Teuerung ist ein Thema. In Graz hört man Beschwerden, man könne vonseiten der öffentlichen Hand mehr tun. Gebühren steigen. Parkgebühren steigen. Öffis werden teuer. Warum ist das in einer kommunistisch regierten Stadt so?
Weil wir dem Mechanismus der Marktwirtschaft unterworfen sind.

Parkgebühren sind nicht Marktwirtschaft. Sie bestimmen, wie hoch sie sind. Es gibt keinen Markt für Parkgebühren auf öffentlichem Grund. Der Platz ist da, er gehört der öffentlichen Hand und wird von der Stadt verwaltet.
Wir haben eine Gewichtung: Uns ist es wichtiger, dass die Leute ein Dach über den Kopf haben und dass jeder, wenn er seinen Job verliert, auch über die Runden kommt. Da sparen wir weniger. Wir müssen aber schauen, dass wir auch einnahmenseitig überleben können, sonst können wir das andere nicht machen. Weil im Finanzausgleich wir budgetär vom Bund und dem Land ausgehungert werden. Mehr noch, das neue Sozial- und Pflegefinanzierungsgesetz belastet die Stadt Graz zusätzlich mit 30 Millionen Euro.

Gut, wenn wir schon beim Budget sind …
Und deshalb müssen wir schauen, dass wir Einnahmen haben und auch lenkend eingreifen. Deshalb sind auch die Parkgebühren für die Kurzparkzonen, die ja weniger die Grazer treffen, sondern Auswärtige, erhöht worden.

Es ist ja egal, wer sie zu zahlen hat. Die Gebühren sind gestiegen.
Es ist ein großer Unterschied. Wir müssen schauen, dass es den Grazern gut geht und nicht für die Auswärtigen. Es muss der Auswärtige nämlich nicht bis in die Innenstadt mit seinem Auto einfahren.

Wir würden das gerne vertiefen, aber leider fehlt uns die Zeit …
Aber die Fragen sind nicht immer in einem Satz zu beantworten. Deswegen bleibt alles so oberflächlich, auch in der Berichterstattung.

Das verstehe ich. Aber ich bin ja nicht Armin Wolf, da haben Sie nur 30 Sekunden Zeit. Zum Budget: Ihnen wird der Vorwurf gemacht, dass Sie bzw. Finanzstadtrat Manfred Ebner es nicht im Griff hätten. Sie sagen, die Schulden, die Sie von der vorigen Regierung übernommen haben, seien schuld, Ihre Vorgänger weisen das von sich.
Naja, da müssen Sie entscheiden, wem Sie glauben. Tut mir leid, was soll ich dann drauf sagen? Ich kann nur tatsächlich sagen, dass der Schuldenberg nicht von uns verursacht worden ist, sondern wir den übernommen haben. Und wir waren es auch nicht, die diese Konstrukte geschaffen haben, die die Stadt Graz in Wirklichkeit an den Rand des Abgrunds bringen. Ich bewundere Manfred Ebner, wirklich, und ich weiß auch, warum ich ihn gebeten habe, dieses Ressort zu übernehmen. Weil er Gott sei Dank die nötige Gelassenheit im positiven Sinn hat, das sorgfältig und seriös anzuschauen.

Wie steht es um den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt?
Das müssen Sie wirklich mehr den Manfred fragen.

Aber das beeinflusst ja Ihren politischen Handlungsspielraum.
Ich habe kein Problem damit, Ausgaben zu reduzieren. Ich finde zum Beispiel, man braucht keinen zweiten Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen. Und da gibt es viele Bereiche, die man sich anschauen kann.

Ok, also Sie sparen ein. Wo sparen Sie noch ein?
Das wird man sehen. Wir sind gerade in den Budgetgesprächen.

Aber Sie haben Ideen. Wo kann man noch sparen?
Ich habe Ihnen doch eine Idee genannt?

Eine.
Es gibt mehrere. Aber die sage ich Ihnen jetzt noch nicht, weil wir das ja noch nicht im Rahmen der Budgetgespräche in der Koalition und mit der Opposition festgelegt haben.

Versuchen wir es anders: Wo wird ganz sicher nicht gespart?
Wir haben viele Vereine, Initiativen in allen politischen Ressorts, die sich darauf verlassen müssen, dass sie gefördert bleiben. Und bei diesen Einrichtungen wird sicherlich nicht gespart … Das sind Einrichtungen, die tagtäglich im Auftrag der Stadt gute Arbeit leisten. Ob das im Bildungsbereich ist, im Gesundheitsbereich, im Sportbereich, im Kulturbereich – da wird es keine Einschränkung geben. Aber man muss sich überlegen, ob es nicht gewisse Strukturen gibt, die man zumindest mittelfristig einspart. Ich sehe da durchaus, soweit ich mir das jetzt schon angeschaut habe, Handlungsspielraum.

Kurt Hohensinner hat Ende Mai gesagt: »Die Elke Kahr redet nur mit dem Zielpublikum und Judith Schwentner nur mit Radfahrern«, er hingegen wolle, dass man allen zuhört. Was entgegnen Sie da?
Das halte ich für einen Stehsatz, den er halt als Oppositionspolitiker so sagen muss, oder? Keine Ahnung, warum er das sagt. Was ist mein Zielpublikum? Was meint er damit?

Er meint die »Politik von unten«, die Sie ansprechen. Vor einem Jahr schon hat IV-Präsidenten Stolitzka die Sorge geäußert, dass der Wirtschafts- und Industriestandort zu wenig gefördert werde.
Das ist ja völliger Unsinn. Sie müssen sich eben einfach mit anderen – aber halt nicht mit politisch Beeinflussten – unterhalten. Reden Sie mit den Industriemagnaten und mit Geschäftsleuten in Graz, dann werden Sie eine andere Antwort hören! Ist eh logisch, dass der Kurt Hohensinner so sprechen muss. Das Gegenteil ist der Fall. Wir erfahren Wertschätzung, die Gewerbetreibenden sind dankbar – ich kann Ihnen die E-Mails zusenden, wenn Sie wollen. Sie aber behaupten genau das Gegenteil. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Wir haben so viele Besucher wie nie zuvor in Graz. Was soll ich da sagen? Hohensinner darf das von der Früh bis in die Nacht anders sehen. Ich mache meine Arbeit nicht davon abhängig, was andere sagen.

Einer der wesentlichen Kritikpunkte der Opposition, vor allem der ÖVP, trifft das Baustellenmanagement. Was ist da schiefgelaufen? Was entgegnen Sie den Leuten, die sagen, Sie hätten das vollkommen falsch angegangen, die Innenstadtbetriebe würden systematisch ausgehungert? Die Kritik der Gewerbetreibenden in der Innenstadt, vor allem in der Neutorgasse und Umgebung, ist sehr laut und unüberhörbar.
Es waren erst letzte Woche zwei Gewerbetreibende aus der Innenstadt bei mir. Wenn Sie die jetzt anrufen und fragen wollen – ich kann Ihnen die Telefonnummern geben – die Trafik etwa in der Kalchberggasse. Die sagen das nicht so, wie Sie das jetzt sagen. Sie können mir das jetzt glauben oder nicht, aber Sie können auch gerne den Gegenbeweis antreten.

Ja, aber die Innenstadtkaufleute dort haben jetzt drei Jahre massive Umsatzeinbußen …
Die Innenstadtkaufleute und die Wirtschaftspartei ÖVP – die sind immerhin schon seit 30 Jahren für die Innenstadtwirtschaft zuständig – müssen sich halt auch einmal fragen: Was haben Sie eigentlich erreicht für die Innenstadtwirtschaft? Denn glauben Sie wirklich, dass nur die Baustelle allein der Grund ist, warum die Innenstadtkaufleute unzufrieden sind? Die eine oder andere Schwierigkeit haben sie ja auch, weil das Leben für die Leute teurer geworden ist. Weil die Leute sich halt dreimal überlegen: Gehe ich sechsmal im Jahr zum Friseur oder dreimal? Und weil sie auch mit den großen Einkaufszentren und vor allem dem Onlinehandel eine immense Konkurrenz haben.

Die kleinen Mitbewerber dieser Großen in der Neutorgasse und am Radetzkyspitz haben definitiv keine Kunden mehr, weil die Leute einfach nicht mehr hinkommen können. Da kann man mit Kommunikation und auch mit Teuerung argumentieren, wie man will, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Diese Baustelle treibt Traditionsgeschäfte in den Ruin.
Da muss ich halt auch fragen: Was hätte denn die Vorgängerregierung gemacht? Die hätten die Baustelle ja auch machen müssen. Die hätte nichts anders ausgeschaut. Was also hätten die anders gemacht? Hätten die die Baustellenförderung auf 10.000 Euro erhöht? Ich glaube nicht. Sie hätten die Kommunikation mit den Medien anders gepflegt. Das ist alles.

Wie hoch ist die Baustellenförderung?
3.000 Euro. Ich habe dem Stadtrat Riegler 200.000 Euro aus meinem Budget überwiesen, damit er mehr auszahlen kann. Er wird nächstes Jahr weitere 200.000 Euro aus meinem Budget bekommen. Darüber hinaus werden 150.000 Euro von meinem Budget für die Kommunikations-Agenden zur Verfügung gestellt – für den nächsten Abschnitt, wo wir für alle Innenstadtkaufleute über den Verein »Echt Graz« Werbung machen werden. Das sind also in Summe 550.000 Euro, die allein nur von meinem Ressort in der kurzen Zeit weitergeben werden. Dazu kommt, dass ich der Dame, die das liebe Café am Andreas-Hofer-Platz, wo jetzt gerade die Tiefgarage gemacht wird, auch unterstütze. Die kann ja de facto seit Juni gar nicht ihr Lokal betreten, kann ihr Café nicht betreiben.

Und die anderen Kaufleute, die auch klagen, dass sie in ihrer Existenz bedroht sind?
Es gibt Einzelne, die haben ein Problem. Aber andere haben kein Problem. Die haben von Haus aus ein Geschäftsmodell, das nicht passt. Weil der liebe Herr Battaglia – ich liebe ihn – der lebt, ob Baustelle ist oder nicht, immer von großen Einkäufern. Die Wein-Einkäufe von Leuten, die von auswärts kommen, und halt, verzeihen Sie, protzig vor sein Geschäft hinfahren und sich literweise teuren Wein einladen. Das ist gerade kein günstiges Geschäftsmodell. Andere wie die Apotheke, die Konditorei und die Trafik, die leben von der Laufkundschaft. Es hat also nicht jeder, der wegen der Baustelle gefördert wird, wirklich ein Problem. Deswegen ist der Dringlichkeitsantrag, der einstimmig beschlossen wurde, tatsächlich sinnvoll. Man muss das auf neue Beine stellen. Die Baustellenförderung hat sich halt früher mal bewährt, die ist aber bei solchen langandauernden Baustellen nicht tauglich. Du musst einfach den einen mehr geben, während die anderen es vielleicht gar nicht brauchen. Oder zumindest deutlich weniger. Und darum geht es.

Frau Kahr, danke für das Gespräch!

*

Elke Kahr wurde 1961 in Graz geboren. Mit drei Jahren wurde sie von einer Verkäuferin und einem Schlosser adoptiert. Sie wuchs in einem Grazer Arbeiterbezirk auf und besuchte nach der Hauptschule die Handelsschule in der Grazer Grazbachgasse. Als sie bei der Österreichischen Kontrollbank arbeitete, schloss die die Abend-Handelsakademie mit Matura ab. Der KPÖ trat Kahr 1983 bei, ein Jahrzehnt später wurde sie Gemeinderätin, seit 2005 war sie als Stadträtin tätig. Vor zwei Jahren wurde Kahr schließlich erste Bürgermeisterin der Stadt Graz. Sie lebt mit dem ehemaligen KPÖ-Landesparteivorsitzenden Franz Stephan Parteder in einer Lebensgemeinschaft. Das Paar hat einen Sohn.

Fazitgespräch, Fazit 197 (November 2023), Fotos: Heimo Binder

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