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Naturgemäßer Widerstand

| 22. Februar 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 140, Kunst und Kultur

Foto: Johannes Gellner

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl ist ein Freund der Bagger und Kräne. Das »Theater im Bahnhof« versucht, diese Neigung zu verstehen. Und arbeitet dabei nicht nur den Streit um das Grazer Murkraftwerk auf.

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Die meisten Beschlüsse, die Politiker fassen, sind Wahlberechtigten ziemlich wurscht. Große Freudensprünge sind am seltensten, leise Kritik vernimmt man schon öfter. Und manchmal, ja, manchmal regt sich Widerstand. Nun ist es trotz parteibuchgetriebener Tendenzen stets schwierig, zu mutmaßen, aus welchem Antrieb heraus Regierer handeln. Aber wenn viele Menschen meinen, ein Vorhaben sei gar abartig frevelhaft, dann sollte der mündige Bürger zumindest skeptisch werden. Bei der Murstaustufe Graz-Puntigam – den meisten besser als Murkraftwerk bekannt, obwohl es davon de facto sehr viele gibt – formierte sich eine ungewöhnlich große Front der Skepsis.

Ja, gar des Widerstands. Die Reaktion der Regierer und Befürworter waren die üblichen PR-Kampagnen. Und sogar erfolglose Klagen gegen Protagonisten der Bewegung »Rettet die Mur«. Nun mag diese ganze Dynamik dadurch befeuert worden sein, dass Naturschutzthemen – man erinnere sich im österreichischen Kontext an die Hainburger Au – gerne stärker emotionalisieren als eine von Rupert Marko gesponserte Verkehrsinsel in Graz-Lend. Und doch: Wann gehen außerhalb von Stuttgart 4.000 Menschen einer westlichen Demokratie gegen ihren Bürgermeister auf die Straße? Und zwar nur wegen eines einzigen Bauvorhabens?

Ja, eines Baus. »Der Bau«. So schlicht nennt das »Theater im Bahnhof« auch die Aufarbeitung des zerschnittenen Bands der politischen Spektren der Stadt. Eine Aufarbeitung, die versucht, tief ins Innere des »katholischen Bürgermeisters« zu blicken, der seit seiner Amtsübernahme vor über 15 Jahren wenig Möglichkeiten auslässt, Bagger und Kräne zu bemühen. »Der Bau« hält allerdings nicht nur Nagl, sondern auch seinem »nationalen Vize« Mario Eustacchio einen Spiegel vor. Und erschafft dabei Bilder, die naturgemäß viel stärker sind als vereinzelte Kraftwerks-, Olympia-, Innenstadttiefgaragen- oder Gondelkritik. Selten war die Wahrscheinlichkeit so groß, dass selbst den größten Wurschtigkeitsgefühlern unter den Grazer Wahlberechtigten ein Lichtlein des Verständnisses aufgeht. Zumindest für leise Kritik. Oder vielleicht sogar für Widerstand.

Der Bau. Wie mein katholischer Bürgermeister und sein nationaler Vize meine Stadt nachhaltig verändern.
Theater im Bahnhof
Graz, Elisabethinergasse 27a
24./25./26./29. Mai und 8. Juni, jeweils 20 Uhr
theater-im-bahnhof.com

Alles Kultur, Fazit 140 (März 2018) – Foto: Johannes Gellner

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